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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:19.05.2005
Aktenzeichen:1 KG 6/2005
Rechtsgrundlage:MVG-EKD:
§ 38 Abs. 2 Satz 1
§ 38 Abs. 3 Satz 1
§ 41 Abs. 2
§ 42 lit. b
KAT-NEK:
§ 53 Abs. 3
§ 55 Abs. 1 und 2
BGB:
§ 626 Abs. 1
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:
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Leitsatz:


Beabsichtigte außerordentliche Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist eines tarifrechtlich unkündbaren Mitarbeiters (hier: Kirchenmusikers) aus betriebsbedingten Gründen (hier: Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit unter Beibehaltung der bisherigen Vergütungsgruppe).
Das Mitbestimmungsverfahren im Sinne von § 38 Abs. 2 MVG-EKD wird nur bei vollständiger Unterrichtung der Mitarbeitervertretung über die der eingeschränkten Mitbestimmung unterliegende personelle Maßnahme nach § 42 MVG-EKD in Gang gesetzt.
Eine ausreichende Unterrichtung der Mitarbeitervertretung liegt im Falle einer beabsichtigten Kündigung nur vor, wenn die Dienststellenleitung der Mitarbeitervertretung die Person des für die Entlassung vorgesehenen Mitarbeiters, die Art der Kündigung, den Kündigungstermin sowie die Kündigungsgründe mitteilt. Dabei ist der Sachverhalt so genau und umfassend darzulegen, dass die Mitarbeitervertretung ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über ihre Stellungnahme schlüssig zu werden. Deshalb genügt die Dienststellenleitung mit einer nur pauschalen, schlagwort- oder stichwortartigen Bezeichnung der Kündigungsgründe ihrer Begründungspflicht in der Regel nicht. Auch reicht es nicht aus, wenn sie der Mitarbeitervertretung gegenüber ein Werturteil abgibt, ohne die für ihre Bewertung maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen. Bei einer beabsichtigten Änderungskündigung ist der Mitarbeitervertretung neben den Gründen zur Kündigung auch das Änderungsangebot detailliert mitzuteilen, da nur bei Kenntnis dieses Angebots die Tragweite der Kündigung beurteilt und geprüft werden kann.
In den Fällen der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines nach dem einschlägigen Tarifrecht unkündbaren Mitarbeiters, z. B. gem. § 53 Abs. 3 KAT-MVG, richtet sich das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung nach dem Verfahren für die Fälle der beabsichtigten ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit, also der eingeschränkten Mitbestimmung gem. § 42 lit. b i.V.m. §§ 41 Abs. 2 und 3, 38 MVG-EKD.
Das Arbeitsverhältnis mit einem nach § 53 Abs. 3 KAT-NEK tarifrechtlich ordentlich unkündbaren Mitarbeiter kann im Allgemeinen nur im Wege einer außerordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung unter Beachtung von § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 KAT-NEK geändert werden, und zwar zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe.
Die Anforderungen an die Wirksamkeit einer betriebsbedingten außerordentlichen (Änderungs-)Kündigung nach § 626 BGB gegenüber einem nach § 55 KAT-NEK aus betriebsbedingten Gründen unkündbaren Mitarbeiter sind nach Auffassung des Kirchengerichts, das sich insoweit an der einschlägigen Rechtsprechung des BAG zu § 55 BAT orientiert (s. BAG, Urt. v. 27.06.2002 – 2 AZR 367/01 – AP Nr. 4 zu § 55 BAT = juris <Rn. 20>), jedenfalls ganz erheblich.

Tenor:

Es wird gem. § 60 Absatz 5 Satz 1 MVG-EKD festgestellt, dass die Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K berechtigt ist, die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Änderungskündigung des Kirchenmusikers M zu verweigern.

Gründe:


I.

Die Ev.-Luth. Kirchengemeinde G beabsichtigt eine außerordentliche (Änderungs-) Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kantor und Kirchenmusikdirektor M unter Wahrung einer sozialen Auslauffrist zum 31.12.2005; anstelle seiner bisherigen Vollbeschäftigung soll er ab 01.01.2006 nur noch mit 19,25 Wochenstunden beschäftigt werden.
Der Mitarbeiter M (geboren im Jahre 1947) ist verheiratet und hat vier Kinder im Alter von 28, 24, 8 und 6 Jahren. Er ist seit Oktober 1986 bei der Kirchengemeinde G vollzeitbeschäftigt, gegenwärtig mit 39,5 Wochenstunden. Er ist eingruppiert in die VergGr Ib Abteilung 10 der VergO KAT-NEK. Vor seiner Anstellung bei der Kirchengemeinde G war er vom 01.04.1973 bis 31.12.1975 kirchenmusikalischer Assistent bei der Ev.-Luth. Kirchengemeinde G1 und vom 01.01.1976 bis 30.09.1996 Kantor und Organist an der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde G2.
Mit Schreiben vom 27.01.2005 beantragte der Kirchenvorstand der Kirchengemeinde G bei der Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Änderungskündigung aus betriebsbedingten Gründen des Kirchenmusikers M unter Wahrung einer Auslauffrist zum 31.12.2005. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Haushalts- und Finanzlage der Kirchengemeinde G habe sich in den zurückliegenden Jahren fortlaufend verschlechtert: Seit dem Jahre 2002 sei die allgemeine Zuweisung von Kirchensteuermitteln durch den Kirchenkreis K von rund 122.000 € auf rund 104.000 € zurückgegangen; in den Folgejahren werde ein weiterer Rückgang an Kirchensteuermitteln um 30 % befürchtet.
Der Kirchenkreis K habe für die Kirchenmusikerstelle der Kirchengemeinde G in den zurückliegenden Jahren eine Ergänzungszuweisung in Höhe von der Hälfte der Personalkosten geleistet; für das Haushaltsjahr 2005 betrage sie 38.950,-- €. Nach dem maßgeblichen Beschluss der Kirchenkreissynode K soll diese Ergänzungszuweisung des Kirchenkreises K, die der teilweisen Refinanzierung der anfallenden Personalkosten des Kirchenmusikers M dient(e), ab dem Haushaltsjahr 2006 vollständig entfallen.
In den Haushaltsjahren 2003 und 2004 habe die Kirchengemeinde G einen Gesamtfehlbetrag von knapp 50.000 € gehabt. Dieser Fehlbetrag habe in beiden Haushaltsjahren aus vorhandenen Rücklagen ausgeglichen werden können. Ab dem Haushaltsjahr 2005 werde ein Ausgleich des Gesamtfehlbetrages mangels Rücklagen nicht mehr möglich sein.
Der Kirchenvorstand der Kirchengemeinde G habe in den vergangenen Jahren durch die Neuorganisation der Hausreinigung, zusätzlicher Raumvermietung und weiterer Maßnahmen zwar eine Ergebnisverbesserung erzielen können, gehe aber ab dem Haushaltsjahr 2006 von einem laufenden jährlichen Defizit von ca. 60.000 € aus.
Aus der Sicht des Kirchenvorstandes gebe es keine weiteren realisierbaren Einsparmöglichkeiten im Umfange von rund 38.000 €. Der Kirchenvorstand habe daher beschlossen, die kirchenmusikalischen Aufgaben in der Gemeinde G erheblich einzuschränken, nämlich auf den Kernbereich der musikalischen Gottesdienstgestaltung und eine reduzierte Chorarbeit sowie wenige Konzertveranstaltungen im Jahr.
Daher solle die wöchentliche Arbeitszeit des Mitarbeiters M um 50% auf 19,25 Wochenstunden gekürzt werden.
Der Kirchenvorstand habe sich vergeblich bemüht, in Verhandlungen mit anderen Kirchengemeinden im Bereich des Gestaltungsraumes X sowie der Lenkungsgruppe des Gestaltungsraumes X eine zusätzliche Beschäftigung des Kirchenmusikers M außerhalb der Kirchengemeinde G (im Umfange von 19,25 Wochenstunden) in Form von Kooperationen oder Fusionen zu erreichen. Er habe sich außerdem mit diesem Anliegen an den Propst des Kirchenkreises K gewendet. Eine Antwort habe er jedoch bisher noch nicht erhalten.
Die Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K hat mit Schreiben vom 09.02.2005 der beabsichtigten Änderungskündigung widersprochen. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt: Aus dem Schreiben des Kirchenvorstandes vom 27.01.2005 lasse sich nicht in ausreichender Weise entnehmen, inwieweit der Kirchenvorstand im Hinblick auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Fällen der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung tarifrechtlich unkündbarer Mitarbeiter aus betriebsbedingten Gründen alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen habe, um den bisherigen Arbeitsplatz des betroffenen Mitarbeiters M zu erhalten. Die vom Bundesarbeitsgericht geforderten Anstrengungen lägen deutlich höher als bei einer "normalen" betriebsbedingten (Änderungs-) Kündigung. Vorliegend sei nicht erkennbar, dass der Kirchenvorstand die nach der einschlägigen Rechtsprechung erforderlichen Prüfungsschritte tatsächlich unternommen habe.
Die Kirchengemeinde G wandte sich mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 16.02.2005 an das Kirchengericht. Sie wiederholt und vertieft ihre Ausführungen zur beabsichtigten außerordentlichen Änderungskündigung.
Sie beantragt festzustellen,
dass für die Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K ein Grund zur Verweigerung ihrer Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen (Änderungs-) Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Mitarbeiter M unter Wahrung einer (sozialen) Auslauffrist zum 31.12.2005 nicht vorliegt.
Die Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie tritt dem Begehren mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 10.05.2005 entgegen. Sie macht im Wesentlichen geltend:
Der Antrag sei unzulässig, weil keine ordnungsgemäße Anhörung gem. § 38 Abs. 1 MVG-EKD stattgefunden habe. Nach der einschlägigen Rechtsprechung sei die Dienststellenleitung verpflichtet, den für die Kündigung maßgeblichen Sachverhalt so genau und umfassend darzulegen, dass die Mitarbeitervertretung ohne eigene zusätzliche Nachforschungen in die Lage versetzt werde, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und anschließend fundiert zur beabsichtigten Kündigung Stellung zu nehmen. Diesen Anforderungen entspreche das Anhörungsschreiben vom 27.01.2005 nicht. Im Übrigen sei der Antrag aber auch unbegründet: Eine Änderungskündigung zur Herabsetzung der Arbeitszeit sei sozialwidrig, wenn kein Rückgang des Bedarfs an Arbeitsleistung der geschuldeten Art eingetreten sei. Inwieweit der Bedarf an Arbeitsleistungen des Kirchenmusikers M in Zukunft konkret wegfalle, bleibe nach dem bisherigen Vorbringen der Antragstellerin offen. Der Hinweis auf die Beibehaltung "des Kernbereiches der musikalischen Gottesdienstgestaltung" sei weder einlassungs- noch prüfungsfähig“. Das Abstellen auf ein Arbeitsvolumen von 19,25 Wochenstunden laufe auf ein unbestimmtes Arbeitsplatzangebot hinaus, das nach der Rechtsprechung unzulässig sei und die Änderungskündigung von vornherein unwirksam mache.
Unabhängig von den vorgenannten rechtlichen Gesichtspunkten komme eine außerordentliche betriebsbedingte Beendigungskündigung oder Änderungskündigung trotz tariflicher Unkündbarkeit unter Wahrung der sozialen Auslauffrist nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur dann in Betracht, wenn dem Arbeitgeber die Fortsetzung eines völlig sinnentleerten Arbeitsverhältnisses („Heizer auf der E-Lok“) nicht aufgebürdet werden könne. Dies setze allerdings voraus, dass der Arbeitgeber mit seinen nachhaltigen und umfänglichen Anstrengungen, für den betroffenen Mitarbeiter eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit zu finden, gescheitert sei. In diesem Zusammenhang werde auf einen Aufsatz von Etzel (Die „Orlando-Kündigung“: Kündigung tarifrechtlich unkündbarer Arbeitnehmer, in ZfT 2003, S. 210 ff.) verwiesen.
Die Sach- und Rechtslage ist mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 19.05.2005 eingehend erörtert worden. Die Beteiligten haben ihr Vorbringen in sachlicher und rechtlicher Hinsicht teilweise ergänzt und vertieft.
Die in der mündlichen Verhandlung in Aussicht genommene außergerichtliche vergleichsweise Regelung der Angelegenheit ist nach Mitteilung der Verfahrensbevollmächtigten beider Seiten gescheitert.

II.

Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
In den Fällen, die einem eingeschränkten Mitbestimmungsrecht unterliegen – wie hier (§ 42 lit. b) MVG-EKD) – hat das Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten gemäß § 60 Abs. 5 Satz 1 MVG-EKD lediglich zu prüfen und festzustellen, ob für die Mitarbeitervertretung ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung nach § 41 MVG-EKD vorliegt. Das ist vorliegend der Fall. Dies beruht auf den nachfolgenden Erwägungen des Kirchengerichts.
1. Entgegen der Meinung der Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K ist der vorliegende Antrag der Kirchengemeinde G nicht deshalb unzulässig, weil eine ordnungsgemäße Anhörung gem. § 38 Abs. 1 MVG-EKD nicht stattgefunden hat.
Es trifft zwar zu, dass ein Mitbestimmungsverfahren im Sinne von § 38 Abs. 2 MVG-EKD nur bei vollständiger Unterrichtung der Mitarbeitervertretung über die der eingeschränkten Mitbestimmung unterliegende personelle Maßnahme nach § 42 MVG-EKD in Gang gesetzt wird (Fey/Rehren, MVG-EKD, § 38 – Stand August 2004 - Rn. 44. – Ebenso für den Anwendungsbereich des BPersVG: Ilbertz/Widmaier, 10. Aufl. 2004, § 69 Rn. 11; Lorenzen/Gerhold, BPersVG – Stand Februar 2005 - Rn. 21; Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder – Teil 3 – K § 69 - <Stand Februar 2004> Rn. 9; BVerwG, Beschl. v. 27.01.1995 – 6 P 22.92 -, PersR 1995, S. 185 <186> und zum § 38 Abs. 2 MVG-EKD-EKiG: LAG Köln, Urt. v. 18.01.1995 – 8 Sa 1167/94 – PersR 1995, S. 313).
Eine ausreichende Unterrichtung der Mitarbeitervertretung liegt im Falle einer beabsichtigten Kündigung nur vor, wenn die Dienststellenleitung der Mitarbeitervertretung die Person des für die Entlassung vorgesehenen Mitarbeiters, die Art der Kündigung, den Kündigungstermin sowie die Kündigungsgründe mitteilt. Dabei ist der Sachverhalt so genau und umfassend darzulegen, dass die Mitarbeitervertretung ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über ihre Stellungnahme schlüssig zu werden. Deshalb genügt die Dienststellenleitung mit einer nur pauschalen, schlagwort- oder stichwortartigen Bezeichnung der Kündigungsgründe ihrer Begründungspflicht in der Regel nicht. Auch reicht es nicht aus, wenn sie der Mitarbeitervertretung gegenüber ein Werturteil abgibt, ohne die für ihre Bewertung maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen. Bei einer beabsichtigten Änderungskündigung ist der Mitarbeitervertretung neben den Gründen zur Kündigung auch das Änderungsangebot mitzuteilen, da nur bei Kenntnis dieses Angebots die Tragweite der Kündigung beurteilt und geprüft werden kann (in diesem Sinne: BVerwG, Beschl. v. 27.01.1995 a.a.O. <S. 188>; LAG Köln a.a.O.).
Den vorstehenden rechtlichen Anforderungen genügt das Schreiben der Antragstellerin vom 27.01.2005. Es enthält alle wesentlichen Umstände der Angelegenheit und die Erwägungen des Kirchenvorstandes für die beabsichtigte außerordentliche Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist des Kirchenmusikers M, insbesondere zu den vom Kirchenvorstand der Kirchengemeinde G unternommenen Anstrengungen, diesen Mitarbeiter zukünftig im Umfange von 19,25 Wochenstunden außerhalb der eigenen Kirchengemeinde im Gestaltungsraum X einzusetzen / zu beschäftigen sowie zu seinen Bemühungen, über das Jahr 2005 hinaus eine finanzielle Unterstützung (Refinanzierung) durch den Kirchenkreis K zu erreichen. Dadurch war die Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K in die Lage versetzt, insbesondere unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Kündbarkeit tarifrechtlich unkündbarer Mitarbeiter zu prüfen, ob die in Rede stehende Änderungskündigung gegen eine Rechtsvorschrift im Sinne des § 41 Abs. 2 MVG-EKD verstößt. Wenn sie die vom Kirchenvorstand unternommenen Anstrengungen für eine Weiterbeschäftigung des Kirchenmusikers M im bisherigen zeitlichen Umfang für nicht ausreichend hielt, konnte sie der beabsichtigten Änderungskündigung mit dieser Begründung - wie sie es vorliegend auch getan hat - widersprechen.
2. Das Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten geht entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes und der Personalvertretungsgesetze des Bundes und der Länder davon aus, dass in den Fällen der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines nach dem einschlägigen Tarifrecht unkündbaren Mitarbeiters, z. B. im Falle einer Betriebsstilllegung (vgl. BAG, Urt. v. 05.02.1998 – 2 AZR 227/97- , NZA 1998, S. 771 <775 unter 5.>; Urt. v. 18.10.2000 – 2 AZR 627/99 – NZA 2001, S. 219 <219>) das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung sich nach dem Verfahren für die Fälle der beabsichtigten ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit richtet, also der eingeschränkten Mitbestimmung gem. § 42 lit. b) i.V.m. §§ 41 Abs. 2 und 3, 38 MVG-EKD (ebenso: Fey/Rehren, MVG-EKD, § 46 – Stand: August 2004 - Rn. 15a).
Hiervon sind vorliegend auch die Beteiligten ausgegangen.
3. Nach Auffassung des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten ist die Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K berechtigt, ihre Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen (betriebsbedingten) Änderungskündigung des Kirchenmusikers M zu verweigern, da die beabsichtigte Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift im Sinne von § 41 Abs. 2 MVG-EKD verstößt.
a) Das Arbeitsverhältnis der Kirchengemeinde G mit dem Mitarbeiter M kann nur im Wege einer außerordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung nach § 626 BGB im zeitlichen Umfange unter Beachtung von § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 KAT-NEK geändert werden, weil gegenüber diesem Mitarbeiter tarifvertraglich die ordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung ausgeschlossen ist.
aa) Der Mitarbeiter M ist nach § 53 Abs. 3 KAT-NEK ordentlich unkündbar, da seine Beschäftigungszeit (§ 19 Absätze 1 und 3 KAT-NEK) mehr als 15 Jahre beträgt und er das 40. Lebensjahr vollendet hat.
bb) Nach dem Wortlaut des § 55 KAT-NEK ist auch die von der Antragstellerin beabsichtigte außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung ausgeschlossen. Denn gem. § 55 Abs. 1 KAT-NEK kann dem nach § 53 Abs. 3 KAT-NEK ordentlich unkündbaren Mitarbeiter nur aus in seiner Person oder seinem Verhalten liegenden wichtigen Gründen fristlos gekündigt werden. Nach § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 KAT-NEK berechtigen andere wichtige Gründe, insbesondere dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters entgegenstehen, den Arbeitgeber nicht zur Kündigung. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedoch, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist, zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen.
cc) Damit ist jedoch nicht die außerordentliche Beendigungskündigung aus betrieblichen Gründen nach § 626 BGB in jedem denkbaren Fall ausgeschlossen.
(1) Tarifliche Beschränkungen des außerordentlichen Kündigungsrechts sind zwar nicht grundsätzlich unzulässig und unvereinbar mit § 626 BGB. Das BAG hat jedoch schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund in einem Dauerschuldverhältnis nicht völlig beseitigt werden kann und deshalb Fälle denkbar sind, in denen auch im Rahmen des mit § 55 KAT-NEK inhaltsgleichen § 55 BAT eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit notwendiger Auslauffrist nach § 626 BGB in Betracht kommen kann (BAG, Urteile v. 05.02.1998 - 2 AZR 227/97 – BAGE 88, S. 10 <15>; 25.10.2001 - 2 AZR 216/00 -, ZMV 2002, S. 198; 27.06.2002 – 2 AZR 367/01 – AP Nr. 4 zu § 55 BAT = juris <Rn. 20>; 13.06.2002 – 2 AZR 391/01 -, NZA 2003, S. 44 <47>; ebenso: KR-Fischermeier, 7. Aufl. 2004, § 626 BGB Rn. 57 ff.; Mayer/Trittin, in Backmeister/Trittin/Mayer, KSchG, 3. Aufl. 2004, § 626 BGB Rn. 25, 47; Etzel, Die „Orlando-Kündigung“: Kündigung tariflich unkündbarer Arbeitnehmer, in ZTR 2003, S. 210 <210 unter 1.2> . - Ähnlich Preis, in Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl. 2002, Rn. 790 ff. <insbes. 795, 805 bis 807>).
(2) Die Anforderungen an die Wirksamkeit einer betriebsbedingten außerordentlichen (Änderungs-)Kündigung nach § 626 BGB gegenüber einem nach § 55 KAT-NEK aus betriebsbedingten Gründen unkündbaren Mitarbeiter sind nach Auffassung des Kirchengerichts, das sich insoweit an der einschlägigen Rechtsprechung des BAG zu § 55 BAT orientiert (s. die vorgenannten Entscheidungen), jedenfalls ganz erheblich (s. BAG, Urt. v. 27.06.2002 a.a.O.; KR-Fischermeier a.a.O. Rn. 66); Etzel a.a.O. S. 212 f. <unter 2.3> sowie S. 215 <unter 6.2>).
Schon nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine (hier tariflich ausgeschlossene) ordentliche Kündigung nur aus dringenden betrieblichen Erfordernissen möglich und eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers muss soweit möglich - ggf. nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen - an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle erfolgen.
Betriebsbedingte Gründe allein rechtfertigen regelmäßig keine außerordentliche Kündigung eines tarifrechtlich unkündbaren Mitarbeiters. Das Betriebsrisiko hat in der Regel der Arbeitgeber zu tragen. Ausnahmen sind allerdings dann zugelassen, wenn sonst ein sinnloses Arbeitsverhältnis ggf. bis zur Pensionierung des Arbeitnehmers allein durch Vergütungszahlungen aufrechterhalten werden müsste. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei ordentlicher Unkündbarkeit aufgrund eines Tarifvertrages eine betriebsbedingte Kündigung stets unter „etwas verschärften Voraussetzungen“ nunmehr als außerordentliche Kündigung möglich wäre (vgl. BAG, Urteile v. 05.02.1998 a.a.O; 13.06.2002 - 2 AZR 391/00 – a.a.O. <S.47>).
(3) Da § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 Satz 1 KAT-NEK auch die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung aus wichtigem Grund ausschließt und den Anstellungsträger insoweit auf eine Änderungskündigung zum Zweck der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe verweist, wird damit das Arbeitsverhältnis des Angestellten im kirchlichen Dienst nach der erforderlichen Beschäftigungszeit, was die Intensität der Bindung anbelangt, einem (kirchlichen) Beamtenverhältnis angenähert.
Wenn, wie oben dargelegt, in Extremfällen eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung auch im Anwendungsbereich des § 55 KAT-NEK zulässig ist, so bedeutet dies allerdings nicht, dass nunmehr jede Umorganisation oder Schließung einer Teileinrichtung, die einen Wegfall von Arbeitsplätzen zur Folge hat, entgegen § 55 Abs. 2 KAT-NEK zu einer außerordentlichen Kündigung führen kann. Entsprechend dem Sinn und Zweck der Tarifvorschrift müssen die Anforderungen an eine derartige außerordentliche Kündigung ganz erheblich sein. Es kann nur darum gehen, auch unter Berücksichtigung der Annäherung des Arbeitsverhältnisses an ein Beamtenverhältnis zu verhindern, dass ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über einen langen Zeitraum hinweg allein noch durch Gehaltszahlungen aufrechterhalten wird und dadurch der kirchliche Arbeitgeber in erhebliche, vor allem finanzielle Schwierigkeiten gerät.
b) Die beabsichtigte betriebsbedingte Änderungskündigung widerspricht den vorgenannten Rechtsgrundsätzen (oben a cc <(3)> = Seite 10 f.).
aa) Vorliegend ist festzustellen, dass die Antragstellerin tarifrechtlich verpflichtet ist, zunächst gem. § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 KAT-NEK im Wege einer (betriebsbedingten Änderungs-) Kündigung eine Herabgruppierung um eine Gehaltsgruppe vorzunehmen, wenn aus dringenden betrieblichen Erfordernissen eine Weiterbeschäftigung des Kirchenmusikers M zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist. Wenn diese Herabgruppierung des betroffenen Mitarbeiters die von der Kirchengemeinde G dargelegten erheblichen finanziellen Probleme (Haushaltsdefizit) nicht oder nur teilweise beseitigt – wovon vorliegend auszugehen ist -, ist die Kirchengemeinde G berechtigt – sofern die sonstigen oben näher genannten Voraussetzungen gegeben sind – kumulativ eine außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung unter Wahrung einer sozialen Auslauffrist nach § 626 BGB zum Zwecke einer Verringerung der bisher vereinbarten Wochenarbeitszeit auszusprechen. Dabei hat sie den „neuen“ Arbeitsplatz, d. h. die zukünftig vom Kantor und Kirchenmusikdirektor M noch wahrzunehmenden Aufgaben / Tätigkeiten nach Art und zeitlichem Umfang so konkret, wie dies nach den Umständen des vorliegenden Falles und der Eigenart seines Amtes möglich ist, zu beschreiben / festzulegen.
In dieser Weise ist die Antragstellerin aber nicht verfahren: Sie hat – ohne Angabe von Gründen – von einer Herabgruppierung des Mitarbeiters M von VergGr Ib zu VergGr IIa abgesehen und beabsichtigt sogleich eine Verringerung von dessen Wochenarbeitszeit auf 19,25 Stunden – bei Beibehaltung der bisherigen VergGr Ib.
bb) Außerdem entspricht die von der Antragstellerin nur sehr allgemein gehaltene Beschreibung des angebotenen (zukünftigen) Arbeitsplatzes nicht den vorgenannten Anforderungen - auch nicht unter Berücksichtigung der besonderen Qualifikation des Mitarbeiters M als A-Kirchenmusiker und dessen möglicherweise bestehendem Wunsch nach weitgehend selbstständiger Ausgestaltung seiner kirchenmusikalischen Aktivitäten. Nur eine hinreichend präzise Beschreibung des zukünftigen Arbeitsplatzes ermöglicht der Mitarbeitervertretung und dem Kirchengericht eine Überprüfung, ob die geforderten Arbeitsleistungen überhaupt in dem vorgegebenen Zeitrahmen erbracht werden können.
cc) Bei dieser Sach- und Rechtslage bedarf es keiner abschließenden Entscheidung des Kirchengerichts, ob die von der Kirchengemeinde G näher dargelegten Gründe als solche eine außerordentliche Kündigung zum Zwecke der Herabgruppierung nach § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 KAT-NEK sowie eine außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung zum Zwecke einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit nach § 626 BGB rechtfertigen.

III.

Der Beschluss ist für die Beteiligten gem. § 60 Abs. 8 Satz 1 MVG-EKD verbindlich.
gez. Kalitzky
(Vorsitzender Richter)