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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:19.08.2004
Aktenzeichen:1 KG 21/2004
Rechtsgrundlage:MVG-EKD:
§ 41 Abs. 2
§ 42 lit. b
KSchG:
§ 1 Abs. 2 Satz 1
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:
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Leitsatz:


Beabsichtigte ordentliche (betriebsbedingte) Kündigung einer Mitarbeiterin im gemeindlichen Arbeitsbereich „Seniorenarbeit“
Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen, bedingt ist.
Jeder betriebsbedingten Kündigung liegt eine unternehmerische Entscheidung zugrunde, mit welcher der Arbeitgeber auf eine bestimmte inner- oder außerbetriebliche Ursache reagiert. Die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung muss den Beschäftigungsbedarf grundsätzlich auf Dauer entfallen lassen.
Die unternehmerische Entscheidung im vorgenannten Sinn unterliegt nur einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle, nämlich nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.
Es ist eine allein der Dienststellenleitung – hier: Kirchenvorstand – vorbehaltene unternehmerische Entscheidung, darüber zu befinden, welche bisher von der Dienststelle wahrgenommene Arbeitsfelder kirchlicher Arbeit zukünftig gänzlich aufgegeben und nicht mehr von hauptamtlichen Mitarbeitern geleistet werden; der Mitarbeitervertretung steht insoweit kein Mitbestimmungsrecht zu.
Ein Recht der Mitarbeitervertretung auf Zustimmungsverweigerung gem. § 41 Abs. 2 MVG-EKD ist nur dann gegeben, wenn die beabsichtigte Kündigung als solche gegen ein Gesetz verstößt, das – zumindest auch – dem Schutz des betroffenen Mitarbeiters dient. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass insbesondere § 9 Abs. 2 Rechtsverordnung für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen (RVOKHR) dem persönlichen Schutz von kirchlichen Mitarbeitern dient.

Tenor:

Es wird gem. § 60 Abs. 5 Satz 1 MVG-EKD festgestellt, dass die MAV des Kirchenkreises K nicht berechtigt ist, die gem. § 42 lit. b) MVG-EKD erforderliche Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen (betriebsbedingten) Kündigung der Mitarbeiterin M zu verweigern (§ 41 Abs. 2 MVG-EKD).

Gründe:

1.

Die Schlichtungsstelle hat sich von den nachfolgenden Erwägungen leiten lassen:
In den Fällen, die einem eingeschränkten Mitbestimmungsrecht unterliegen – wie hier (§ 42 lit. b) MVG-EKD) – hat die Schlichtungsstelle gemäß § 60 Abs. 5 Satz 1 MVG-EKD in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung (GVOBl. 2004, S. 100) lediglich zu prüfen und festzustellen, ob für die Mitarbeitervertretung ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung nach § 41 MVG-EKD vorliegt.
a) Nach der Überzeugung der Schlichtungsstelle ist die Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K nicht berechtigt, ihre Zustimmung zur beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung der Mitarbeiterin M zu verweigern, da ein Verweigerungsgrund nach § 41 Abs. 2 MVG-EKD nicht gegeben ist. Die Schlichtungsstelle vermag nicht festzustellen, dass die beabsichtigte Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift verstößt.
aa) Die Antragstellerin hat eingehend schriftlich dargelegt, dass die beabsichtigte Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG erfolgen soll, weil die finanzielle Situation der Kirchengemeinde G unabweisbar die Einsparung von Personalkosten erfordert; hierzu ist sie auch von der Kirchenkreissynode K aufgefordert worden. Dies wird grundsätzlich von der Mitarbeitervertretung nicht in Zweifel gezogen. Die Vertreterinnen des Kirchenvorstandes haben in der mündlichen Verhandlung vor der Schlichtungsstelle zudem überzeugend dargelegt, dass die Kirchengemeinde G rechtlich nicht befugt ist, die aus dem beabsichtigten Verkauf von im Eigentum der Gemeinde G stehenden Grundstücke erzielten Erlöse zur allgemeinen Deckung von Ausgaben einzusetzen. Die – erwarteten – Erlöse sind vielmehr „gewinnbringend“ anzulegen; lediglich die Zinsen dürfen eingesetzt werden.
Die Schlichtungsstelle geht deshalb davon aus, dass die beabsichtigte personelle Maßnahme erforderlich ist, um eine beachtliche Reduzierung der Personalkosten der Gemeinde G zu erreichen.
bb) Es ist bekanntlich eine allein der Dienststellenleitung – hier also dem Kirchenvorstand G – vorbehaltene sog. unternehmerische Entscheidung, darüber zu befinden, welche bisher von der Dienststelle wahrgenommenen Arbeitsfelder kirchlicher Arbeit zukünftig gänzlich aufgegeben und nicht mehr von hauptamtlichen Mitarbeitern geleistet werden. Vorliegend fehlt es an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass der Kirchenvorstand G sich von unsachlichen oder willkürlichen Erwägungen bei seiner Entscheidung vom 20.04.2004 hat leiten lassen, den Arbeitsbereich „Seniorenarbeit“ einzustellen. Die insoweit von der Mitarbeitervertretung gemachten Vorbehalte hält die Schlichtungsstelle für spekulativ.
b) Die von der Antragstellerin getroffene soziale Auswahl begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Sie berücksichtigt die gesetzlichen Vorgaben des § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 KSchG.
Die von der Mitarbeitervertretung geäußerten Bedenken, wie sie insbesondere im Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 29.06.2004 im Einzelnen ausgeführt worden sind, konnten in der mündlichen Verhandlung vor der Schlichtungsstelle ausgeräumt werden: Die Mitarbeiterin M ist nach dem abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 30.09.1998 und der „Anlage zum Arbeitsvertrag“ vom 17.12.2004, die eine vertragliche Ergänzung des Arbeitsvertrages darstellt, für den Dienst als „diakonisch-missionarische Mitarbeiterin/Diakonin für Altenarbeit“ eingestellt worden, während die Mitarbeiterin M1 – von vornherein – einen Arbeitsvertrag als „diakonisch-missionarische Mitarbeiterin/Diakonin für Kinder- und Jugendarbeit“ erhielt.
Im Hinblick auf diese unterschiedliche Ausgestaltung der Arbeitsverträge der Mitarbeiterinnen M und M1 ist die Mitarbeiterin M1 kündigungsschutzrechtlich nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen, wenn es um die beabsichtigte Einstellung der Seniorenarbeit (Altenarbeit) geht.
c) Schließlich verstößt die beabsichtigte ordentliche Kündigung der Mitarbeiterin M nicht gegen ein sonstiges Gesetz, wie die Mitarbeitervertretung meint. Die Schlichtungsstelle hat erhebliche Zweifel, ob der im Beschluss der Schlichtungsstelle vom 02.11.2000 (Schlichtungssache 30/2000) vertretenen Rechtsauffassung zu folgen ist, nach der im Falle einer beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung auch etwaige Verstöße gegen Vorschriften des Haushaltsrechts der NELK, insbesondere § 9 Abs. 2 der Rechtsverordnung für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen, zu einer Zustimmungsverweigerung berechtigen sollen, sofern der Mitarbeitervertretung insoweit ein Mitberatungsrecht nach § 46 lit. f) MVG-EKD zustehe. Denn die beschließende Schlichtungsstelle hält ein Recht der Mitarbeitervertretung auf Zustimmungsverweigerung gem. § 41 Abs. 2 MVG-EKD nur dann für gegeben, wenn die beabsichtigte Kündigung als solche gegen ein Gesetz verstößt, das – zumindest auch – dem Schutz des betroffenen Mitarbeiters dient (vgl. Fey/Rehren, MVG-EKD, § 41 – 15. Erg.-Lfg. Juli 2003 – Rn. 9; 29 bis 30 a; Baumann-Czichon/Dembski/Germer/Kopp, MVG-EKD, 2. Aufl. 2003, § 41 Rn. 3 a). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass insbesondere § 9 Abs. 2 RVOKHR dem persönlichen Schutz von kirchlichen Mitarbeitern dient. Dies kann vorliegend jedoch letztlich dahinstehen. Denn der Mitarbeitervertretung K ist das ihr gem. § 46 lit. f) MVG-EKD zustehende Mitberatungsrecht, insbesondere im Hinblick auf die im Stellenplan 2004 der Kirchengemeinde G angebrachten kw-Vermerke, eingeräumt worden, wie sich zur Überzeugung der Schlichtungsstelle aus den Ausführungen im Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 23.07.2004 ergibt. Das Erörterungsverfahren (§ 45 Abs. 1 Satz 1 MVG-EKD) wurde durch das Schreiben des Kirchenkreisamtes, Personalabteilung, vom 23.07.2004 mit der gesetzlich vorgeschriebenen Begründung (§ 45 Abs. 1 letzter Satz) abgeschlossen. Wenn die Mitarbeitervertretung gleichwohl der Meinung war, ihr Mitberatungsrecht sei durch die Dienststelle verletzt worden, war sie nach § 45 Abs. 2 Satz 2 MVG-EKD gehalten, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des genannten Schreibens die Schlichtungsstelle anzurufen, um die vermeintliche Verletzung ihres Mitberatungsrechts feststellen zu lassen. Das ist aber nicht geschehen.
d) Aus dem Vorstehenden folgt, dass ein Zustimmungsverweigerungsgrund im Sinne von § 41 Absatz 2 MVG-EKD für die Mitarbeitervertretung nicht gegeben ist.

2.

Der Beschluss ist gemäß § 60 Absatz 8 Satz 1 MVG-EKD für die Beteiligten verbindlich.

gez. Kalitzky
(Vorsitzender Richter)