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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:08.02.2007
Aktenzeichen:1 KG 33/2006
Rechtsgrundlage:MVG-EKD:
§ 21 Abs. 2
§ 60 Abs. 6
BGB:
§ 626 Abs. 1
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:
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Leitsatz:


Beabsichtigte fristlose außerordentliche Kündigung eines Mitgliedes einer Mitarbeitervertretung wegen des Verdachts einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz (hier: Bewohnerin eines Altenheimes).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigten Arbeitnehmer darstellen. Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört.
Der Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schwerwiegenden Vertragsverletzung kann die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigen, wenn objektive tatsächliche Anhaltspunkte einen dringenden Verdacht begründen und es gerade die Verdachtsmomente sind, die das schutzwürdige Vertrauen des Arbeitgebers in die Rechtschaffenheit des Arbeitnehmers zerstören und die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen. Auch wenn die Verdachtskündigung im Gegensatz zur sog. Tatkündigung nicht den Nachweis einer strafbaren Handlung oder einer anderen schwerwiegenden Vertragsverletzung voraussetzt, muss der Verdacht aber dringend sein, d. h., bei kritischer Prüfung muss sich ergeben, dass eine auf Beweisanzeichen (Indizien) gestützte große Wahrscheinlichkeit für die Tat des Arbeitnehmers besteht.
Kriterien zur Bewertung der Glaubwürdigkeit von Aussagen des verdächtigten Mitarbeiters und des Anzeigenden

Tenor:

Der Antrag der Dienststellenleitung wird abgelehnt.

Gründe:


I.

Die Antragstellerin begehrt die Ersetzung der erforderlichen Zustimmung der Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K zur beabsichtigten fristlosen außerordentlichen Kündigung des im Altenheim A als Pflegehelfer beschäftigten Mitarbeiters M, der zugleich Mitglied der Mitarbeitervertretung ist. Die Antragstellerin verdächtigt den Mitarbeiter M der sexuellen Belästigung einer Heimbewohnerin.
Der im Jahre 1970 geborene Mitarbeiter ist seit Juli 2003 als Pflegehelfer in dem von der Kirchengemeinde G betriebenen Altenheim A beschäftigt.
Am 26.5.2006 beschwerte sich die Nichte der Heimbewohnerin HB (geboren im Jahre 1920), Frau F, bei dem ebenfalls im Altenheim beschäftigten Mitarbeiter M1 darüber, dass Herr M die Heimbewohnerin HB am 22.5.2006 während des Frühdienstes sexuell belästigt habe, indem er ihr sein entblößtes Glied gezeigt und dabei gesagt habe, sie könne es ja mal anfassen. Nachdem die Pflegedienstleiterin, Frau PfDL, am 29.5.2006 von dieser Anzeige Kenntnis erlangt hatte und Frau F ihr den Vorfall mit weiteren Einzelheiten in einem persönlichen Gespräch am selben Tage geschildert hatte, befragte sie ihrerseits Frau HB, die die Angaben der Nichte bestätigte.
Danach soll sich der Vorfall am 22.5.2006 wie folgt zugetragen haben: Der Mitarbeiter M sei morgens gegen 9:00 Uhr in das Zimmer der Heimbewohnerin HB gekommen, als diese noch beim Frühstück gewesen sei. Er habe sich vor ihr hingekniet, seine Hose geöffnet und sein Glied herausgeholt. Dabei habe er sinngemäß zu Frau HB gesagt, sie solle sein Glied anschauen und es anfassen. Frau HB habe dieses Ansinnen abgelehnt und den Mitarbeiter M aufgefordert, ihr Zimmer zu verlassen; dieser Aufforderung habe er entsprochen.
Etwa gegen 11:00 Uhr habe der Mitarbeiter M erneut das Zimmer von Frau HB betreten, die zu diesem Zeitpunkt auf ihrem Bett gelegen habe. Er habe wiederum sein Geschlechtsteil entblößt und Frau HB gefragt, ob er sich zu ihr ins Bett legen solle; dies sei doch so schön. Die Heimbewohnerin HB habe dieses Ansinnen abgelehnt und den Mitarbeiter M energisch zum Verlassen des Raumes aufgefordert. Herr M habe sich daraufhin entfernt.
Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin unterrichtete den Mitarbeiter M mit Schreiben vom 4.6.2006 von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen der Heimbewohnerin HB und deren Nichte und bat um Äußerung bis zum 14.6.2006.
Am 6.6.2006 unterrichtete der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin die Mitarbeitervertretung vorab über die gegen den Mitarbeiter M erhobenen Vorwürfe.
Der Mitarbeiter M äußerte sich mit Schreiben der von ihm bevollmächtigten Rechtsanwältin Rin vom 14.6.2006. Er bestritt nachdrücklich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe der sexuellen Belästigung und behauptete unter Hinweis auf verschiedene Vorfälle im Altenheim, dass die Heimbewohnerin HB gegenüber anderen (männlichen) Mitarbeitern ein sehr starkes sexuelles Interesse gezeigt habe.
Rechtsanwältin Rin erhob namens des Mitarbeiters M mit Schreiben vom 26.6.2006 bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hamburg Strafanzeige und Strafantrag gegen die Heimbewohnerin HB wegen Verdachts der Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung. Sie bezog sich dabei im Wesentlichen auf den Inhalt ihrer bereits erwähnten schriftlichen Stellungnahme vom 14.6.2006.
Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin bat die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 11.7.2006 um Zustimmung zur beabsichtigten fristlosen außerordentlichen Kündigung des Mitarbeiters M wegen der oben näher geschilderten Vorfälle am 22.5.2006, die von der Heimbewohnerin HB bei einer Befragung am 10.7.2006 nochmals bestätigt worden seien. Für die Antragstellerin bestehe aufgrund dieser Umstände der dringende Verdacht, dass der Mitarbeiter M eine strafbare Handlung oder eine schuldhafte Verletzung seiner vertraglichen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis begangen habe.
Aufgrund der intensiven Befragung der Heimbewohnerin HB sei die Dienststellenleitung davon überzeugt, dass diese sich die genannten Vorfälle nicht ausgedacht habe. Frau HB habe Herrn M nach eigenen Angaben bisher wegen seiner freundlichen, zuvorkommenden Art immer gemocht, sich aber das in Rede stehende Verhalten, unter dem sie bis heute leide, nicht bieten lassen können. Für die Dienststellenleitung sei auch kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb die Heimbewohnerin HB den Mitarbeiter M derart schwerwiegender Verfehlungen beschuldigen sollte.
Die Mitarbeitervertretung lehnte die beantragte Zustimmung mit Schreiben vom 14.7.2006 ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Mitarbeiter M arbeite seit drei Jahren völlig unbeanstandet als Pflegehelfer im Altenheim und sei während dieser Zeit nicht durch unangemessenes Verhalten gegenüber den Heimbewohnern oder seinen Kollegen aufgefallen. Ihrer Auffassung nach sei es deshalb nicht gerechtfertigt, den Aussagen der Heimbewohnerin HB mehr Glauben zu schenken als den Einlassungen des Mitarbeiters M. Im Übrigen sei die beabsichtigte außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 2 BGB nach Auffassung der Mitarbeitervertretung verfristet, da die gesetzliche Frist von zwei Wochen vorliegend bereits verstrichen sei.
Die Antragstellerin verfolgt mit ihrer am 22.7.2006 beim Kirchengericht eingegangenen Antragsschrift ihr Begehren weiter. Sie wiederholt und ergänzt ihr bisheriges Vorbringen und setzt sich dabei auch mit den Ablehnungsgründen der Mitarbeitervertretung auseinander.
Die Antragstellerin beantragt,
die Zustimmung der Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K zur beabsichtigten fristlosen außerordentlichen Kündigung des Mitarbeiters M, der zugleich Mitglied der Mitarbeitervertretung K ist, zu ersetzen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen.
Der Vorsitzende des Kirchengerichts hat mit den Beteiligten am 26.9.2006 einen Gütetermin (Einigungsgespräch gem. § 61 Abs. 2 Satz 1 MVG-EKD) durchgeführt und der Antragstellerin einen Vorschlag zur weiteren Behandlung der Angelegenheit gemacht, den die Antragstellerin nicht angenommen hat.
Auf den Inhalt des Protokolls über den Gütetermin wird Bezug genommen.
Die Kammer hat die Sache am 8.2.2007 verhandelt. Auf den Inhalt des hierüber gefertigten Protokolls wird ebenfalls Bezug genommen.

II.

1. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Die Antragstellerin hat keinen Rechtsanspruch auf die Ersetzung der fehlenden Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Mitarbeiters M, der zugleich Mitglied der Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K ist (§ 60 Abs. 6 i.V.m. § 21 Abs. 2 MVG-EKD).
a) Die Beteiligten sind zutreffend davon ausgegangen, dass der Mitarbeiter M, der ordentliches Mitglied der Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K ist, besonderen Kündigungsschutz nach § 21 Abs. 2 Sätze 1 und 2 MVG-EKD genießt und ihm nur gekündigt werden darf, wenn Tatsachen vorliegen, die den Dienstgeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigen, wobei die außerordentliche Kündigung der (uneingeschränkten) Zustimmung der Mitarbeitervertretung bedarf (vgl. Fey/Rehren, MVG-EKD, § 60 - Stand: 21. Erg.-Lfg. Juli 2006 - Rdnr. 9; Schlichtungsstelle der EKD, Beschluss vom 16.9.1999 - 2708/D 36-99 -, ZMV 2000, 84 <85>, wobei im Beschluss wegen der seinerzeitigen Fassung des MVG-EKD Abs. 5 genannt wird, der Abs. 6 der jetzt geltenden Fassung des MVG-EKD entspricht).
Die Prüfungs- und Entscheidungskompetenz des Kirchengerichts richtet sich vorliegend daher nach § 60 Abs. 6 MVG-EKD (vgl. Fey/Rehren a.a.O.; Schlichtungsstelle der EKD a.a.O.). Das Kirchengericht hat danach den Sachverhalt - im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten - vollständig aufzuklären und dabei unter anderem zu prüfen, ob das Mitbestimmungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Anders als in den Fällen der eingeschränkten Mitbestimmung im Sinne von §§ 42 und 43 MVG-EKD, für die Absatz 5 einschlägig ist, ist das Kirchengericht vorliegend jedoch nicht auf die Prüfung beschränkt, ob für die Mitarbeitervertretung ein Grund für die Verweigerung zur Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung vorliegt. Das Kirchengericht hat vielmehr im Rahmen der Anträge der Beteiligten, insbesondere auf den von der Dienststelle für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unterbreiteten Sachverhalt, eine eigene Entscheidungs- und Beurteilungskompetenz (vgl. Fey/Rehren a.a.O. Rdnr. 10. sowie zur weitgehend inhaltsgleichen Regelung in § 103 Abs. 2 BetrVG: Fitting, BetrVG, 22. Aufl. 2004, § 103 Rdnr. 43; Thüsing, in Richardi, BetrVG, 9. Aufl. 2004 Rdnr. 69, 70; Backmeister, in Backmeister/Trittin/Mayer, KSchG mit Nebengesetzen, 3. Aufl. 2004, § 103 BetrVG Rdnr. 13; KR-Etzel 7. Aufl. 2004, § 103 BetrVG Rdnr. 127 - jeweils m.w.N.).
b) Das Kirchengericht vermag im Hinblick auf den von der Antragstellerin unterbreiteten Sachverhalt (Kündigungsgründe) und unter Berücksichtigung der sonstigen von den Beteiligten vorgetragenen Umstände nicht festzustellen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung des Mitarbeiters M in der Form einer sog. Verdachtskündigung gegeben sind.
aa) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund unter Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigten Arbeitnehmer darstellen. Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist (BAG, Urteile vom 18.11.1999 - 2 AZR 743/98 - AP § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 32 <Gründe II 1 a>; vom 6.11.2003 - 2 AZR 631/02 - AP § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 <Gründe B II 1 a aa> = NZA 2004, 919 <920>).
Der Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schwerwiegenden Vertragsverletzung kann die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigen, wenn objektive tatsächliche Anhaltspunkte einen dringenden Verdacht begründen und es gerade die Verdachtsmomente sind, die das schutzwürdige Vertrauen des Arbeitgebers in die Rechtschaffenheit des Arbeitnehmers zerstören und die weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen (BAG, Urt. v. 6.11.2003 a.a.O.). Auch wenn die Verdachtskündigung im Gegensatz zur sog. Tatkündigung nicht den Nachweis einer strafbaren Handlung oder einer anderen schwerwiegenden Vertragsverletzung voraussetzt, muss der Verdacht aber dringend sein, d. h. bei kritischer Prüfung muss sich ergeben, dass eine auf Beweisanzeichen (Indizien) gestützte große Wahrscheinlichkeit für die Tat des Arbeitnehmers besteht (vgl. Preis, in Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Aufl. 2005, § 22 Die außerordentliche Kündigung Rdnr. 763). Verdachtsverstärkende Gründe können u. a. einschlägige Vorstrafen sein. Verdachtsverstärkend ist in der Regel auch die Erhebung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Mitarbeiter (vgl. Preis a.a.O. Rdnr. 763).
bb) Unter Zugrundelegung der oben genannten Maßstäbe fehlt es nach der Überzeugung des Kirchengerichts gegenwärtig an derartigen schwerwiegenden Indizien. Der Antragstellerin ist zwar einzuräumen, dass es aufgrund der von der Heimbewohnerin HB erhobenen Vorwürfe sexueller Belästigung einen Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens gegen den Mitarbeiter M gibt, weitere ihn belastende Umstände bzw. Indizien bestehen zur Zeit aber nicht. Da der Mitarbeiter M die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen bestreitet - negative Tatsachen kann man bekanntlich nicht beweisen -, steht somit Aussage gegen Aussage.
Das Kirchengericht vermag sich der Meinung der Antragstellerin nicht anzuschließen, dass der Aussage der Heimbewohnerin HB größere Glaubwürdigkeit oder höheres Gewicht beizumessen sei als der Aussage des Mitarbeiters M. Für eine derartige Bewertung gibt es keinen allgemeingültigen Rechtssatz; auch die Antragstellerin hat insoweit nichts aufgezeigt.
Nach der Überzeugung des Kirchengerichts gebieten vorliegend auch keine besonderen Umstände eine solche Würdigung zu Gunsten der Heimbewohnerin HB und zu Lasten des Mitarbeiters M: In der Vergangenheit hat es keine vergleichbaren Anschuldigungen von Heimbewohnerinnen gegen den Mitarbeiter M gegeben, wie Frau PfDL in der Güteverhandlung am 26.9.2006 auf ausdrückliche Nachfrage des Vorsitzenden erklärt hat. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ist dies von den Vertretern der Antragstellerin nochmals bestätigt worden.
Das von der Antragstellerin wiederholt vorgetragene Argument, dass die Heimbewohnerin HB kein Motiv für eine unzutreffende (falsche) Anschuldigung des Mitarbeiters M habe, da sie diesen Mitarbeiter nach eigener Aussage bisher wegen seiner liebenswürdigen und freundlichen Art geschätzt habe, vermag nach Auffassung des Kirchengerichts ihrer Aussage kein größeres Gewicht zu geben. Dasselbe gilt für den Umstand, dass Frau HB bei der Befragung durch Rechtsanwalt R erklärt hat, sie halte ihre Anschuldigung aufrecht und sei auch bereit, als Zeugin im gerichtlichen Verfahren auszusagen. Beides sind keine "belastbaren“ Indizien, die eine derart weitreichende Schlussfolgerung für eine größere Glaubwürdigkeit der Heimbewohnerin HB rechtfertigen.
Im Übrigen fehlt es nach der Überzeugung des Kirchengerichts an konkreten Anhaltspunkten, die für das behauptete Fehlverhalten des Mitarbeiters M sprechen könnten und damit gegen dessen Glaubwürdigkeit. Nach der allgemeinen Lebens- und Berufserfahrung der Mitglieder des Kirchengerichts spricht wenig für ein besonderes sexuelles Interesse des seinerzeit 35jährigen Mitarbeiters M an der seinerzeit 86jährigen Heimbewohnerin HB, insbesondere wenn dabei die Aussage der Pflegedienstleiterin PfDL in der Güteverhandlung über die häufig mangelnde körperliche Hygiene der Heimbewohnerin HB berücksichtigt wird.
Schließlich liegt das Ergebnis der polizeilichen / staatsanwaltlichen Ermittlungen aufgrund der gegenseitigen Strafanzeigen von Frau HB und von Herrn M gegenwärtig nicht vor. Dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin wurde nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 8.2.2007 bisher kein Einblick in die Ermittlungsakte betreffend die Strafanzeige von Frau HB gewährt.
Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass es gegenwärtig zwar Verdachtsmomente hinsichtlich eines pflichtwidrigen Verhaltens des Mitarbeiters M gibt, es aber nach der Überzeugung des Kirchengerichts an ausreichenden objektiven Indizien fehlt, auf die sich ein dringender Tatverdacht gegen den Mitarbeiter M stützen lässt.
Es fehlt somit an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine sog. Verdachtskündigung gegenüber dem Mitarbeiter M und damit an den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung dieses Mitarbeiters.


III.

Der Beschluss ist für die Beteiligten nach § 60 Abs. 8 Satz 1 MVG-EKD verbindlich.
gez. Kalitzky
(Vorsitzender Richter)