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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:02.12.2004
Aktenzeichen:1 KG 43/2004
Rechtsgrundlage:MVG-EKD:
§ 41 Abs. 2
§ 42 lit. b
§ 60 Abs. 5 Satz 1
KAT-NEK:
§ 53 Abs. 3
§ 55 Abs. 1 und 2
BGB:
§ 626 Abs. 1
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:
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Leitsatz:


Beabsichtigte ordentliche Kündigung eines Mitarbeiters in einer gemeindlichen Erziehungsberatungsstelle und beabsichtigte außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist einer tarifrechtlich unkündbaren Mitarbeiterin in derselben Einrichtung jeweils aus betriebsbedingten Gründen (Schließung der Erziehungsberatungsstelle aus finanziellen Gründen).
Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen, bedingt ist.
Grundlage der betriebsbedingten Kündigung sind betriebsbezogene Umstände oder Vorgänge, die von der Person des betroffenen Arbeitnehmers unabhängig sind. Aufgrund einer „freien unternehmerischen Entscheidung“ entfällt der Beschäftigungsbedarf für einen oder mehrere Arbeitnehmer in dem bisher wahrgenommenen Aufgabenbereich. Das allein rechtfertigt jedoch eine Kündigung nicht, vielmehr muss hinzukommen, dass der betroffene Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann.
Jeder betriebsbedingten Kündigung liegt eine unternehmerische Entscheidung zugrunde, mit welcher der Arbeitgeber auf eine bestimmte inner- oder außerbetriebliche Ursache reagiert. Solche Entscheidungen können z. B. die Zusammenlegung von Abteilungen, die Stilllegung des Betriebes oder eines Betriebsteiles sein. Die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung muss den Beschäftigungsbedarf grundsätzlich auf Dauer entfallen lassen.
Die unternehmerische Entscheidung im vorgenannten Sinn unterliegt nur einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle, nämlich nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.
Der dauerhafte Wegfall der Drittmittelfinanzierung von Arbeitsplätzen in einer gemeindlichen Einrichtung (hier: Erziehungsberatungsstelle) rechtfertigt im Allgemeinen die Schließung dieser Einrichtung durch die Dienststellenleitung.
In den Fällen der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines nach dem einschlägigen Tarifrecht unkündbaren Mitarbeiters, z. B. gem. § 53 Abs. 3 KAT-MVG, richtet sich das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung nach dem Verfahren für die Fälle der beabsichtigten ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit, also der eingeschränkten Mitbestimmung gem. § 42 lit. b i.V.m. §§ 41 Abs. 2 und 3, 38 MVG-EKD.
Das Arbeitsverhältnis mit einem nach § 53 Abs. 3 KAT-NEK tarifrechtlich ordentlich unkündbaren Mitarbeiter kann im Allgemeinen nur im Wege einer außerordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung unter Beachtung von § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 KAT-NEK geändert werden, und zwar zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe.
Die Anforderungen an die Wirksamkeit einer betriebsbedingten außerordentlichen (Änderungs-)Kündigung nach § 626 BGB gegenüber einem nach § 55 KAT-NEK aus betriebsbedingten Gründen unkündbaren Mitarbeiter sind nach Auffassung des Kirchengerichts, das sich insoweit an der einschlägigen Rechtsprechung des BAG zu § 55 BAT orientiert (s. BAG, Urt. v. 27.06.2002 – 2 AZR 367/01 – AP Nr. 4 zu § 55 BAT = juris <Rn. 20>), jedenfalls ganz erheblich. Dies gilt umso mehr, wenn einem Mitarbeiter (vollständig) gekündigt werden soll.
Ein solcher Extremfall ist gegeben, wenn der bisherige Arbeitsplatz eines tarifrechtlich unkündbaren Mitarbeiters aufgrund einer rechtlich zu billigenden Entscheidung einer Dienststellenleitung dauerhaft entfällt und für diesen Mitarbeiter ein anderer freier Arbeitsplatz in der Gemeinde nicht zur Verfügung steht und auch nicht durch Umorganisation geschaffen werden kann, und die Gemeinde Gehaltszahlungen für ein sinnentleertes – weil beschäftigungsloses – Arbeitsverhältnis über viele Jahre, nämlich bis zum Erreichen der regulären Altersgrenze gem. § 60 Abs. 1 KAT-NEK (Vollendung des 65. Lebensjahres) erbringen müsste (hier: über einen Zeitraum von mehr als 17 Jahren).

Tenor:

Es wird gem. § 60 Abs. 5 Satz 2 MVG-EKD festgestellt, dass die Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K nicht berechtigt ist, die erforderliche Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen (betriebsbedingten) Kündigung des Mitarbeiters M1 und zur beabsichtigten außerordentlichen (betriebsbedingten) Kündigung der Mitarbeiterin M2 – beide beschäftigt in der Ev.-Luth. Kirchengemeinde G – nach § 41 Abs. 2 MVG-EKD zu verweigern.

Gründe:


I.

Beabsichtigte ordentliche (betriebsbedingte) Kündigung des Mitarbeiters
M1
Das Kirchengericht vermag nicht festzustellen, dass die beabsichtigte Kündigung des Mitarbeiters M1 gegen eine Rechtsvorschrift, insbesondere § 1 Absätze 2 und 3 KSchG verstößt, so dass der Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K kein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 41 Abs. 2 MVG-EKD zusteht.
1. Die beabsichtigte betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Kirchengemeinde G mit dem Mitarbeiter M1 ist nicht sozial ungerechtfertigt.
a) Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen, bedingt ist.
Grundlage der betriebsbedingten Kündigung sind betriebsbezogene Umstände oder Vorgänge, die von der Person des betroffenen Arbeitnehmers unabhängig sind. Aufgrund einer „freien unternehmerischen Entscheidung“ entfällt der Beschäftigungsbedarf für einen oder mehrere Arbeitnehmer in dem bisher wahrgenommenen Aufgabenbereich. Das allein rechtfertigt jedoch eine Kündigung nicht, vielmehr muss hinzukommen, dass der betroffene Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann. Nur unter dieser weiteren Voraussetzung kann eine Kündigung gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sein (in diesem Sinne: v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 13. Aufl. 2002, § 1 Rn. 364 a). Jeder betriebsbedingten Kündigung liegt eine unternehmerische Entscheidung zugrunde, mit welcher der Arbeitgeber auf eine bestimmte inner- oder außerbetriebliche Ursache reagiert (vgl. Preis, in Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl. 2002, Rn. 940). Aufgrund einer Analyse der Lage des Unternehmens erfolgen unternehmerische Zielsetzungen und Planungen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet, die zu konkreten unternehmerischen Entscheidungen führen. Solche Entscheidungen können z.B. die Zusammenlegung von Abteilungen, die Stillegung des Betriebes oder eines Betriebsteiles sein (vgl. v.Hoyningen-Huene/Lincke a.a.O. Rn. 366, 367 m.w.N.). Die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung muss den Beschäftigungsbedarf grundsätzlich auf Dauer entfallen lassen (s. v. Hoyningen-Huene/Lincke a.a.O. Rn. 367 a; Preis a.a.O. Rn. 971).
Die unternehmerische Entscheidung im vorgenannten Sinn unterliegt nur einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle, nämlich nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (in diesem Sinne: v. Hoyningen-Huene/Lincke a.a.O. Rn. 371; KR-Etzel, 6.Aufl. 2002, § 1 KSchG Rn. 540; Preis a.a.O. Rn. 948 jeweils m.w.N.).
Eine Betriebs- oder Teilbetriebsstillegung ist eine unternehmerische Entscheidung, die die betriebsbedingte Kündigung regelmäßig rechtfertigt (ebenso: Preis a.a.O. Rn. 971; v. Hoyningen-Huene/Lincke a.a.O. Rn. 414; KR-Etzel a.a.O. Rn. 579 jeweils m.w.N.).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen begegnet die Entscheidung der Antragstellerin, die Erziehungsberatungsstelle mit Ablauf des Jahres 2004 zu schließen, keinen rechtlichen Bedenken. Das Kirchengericht ist davon überzeugt, dass vorliegend die Voraussetzungen für eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung gegeben sind: Wegen des erwarteten ganz erheblichen Rückgangs an Drittmitteln für die gemeindliche Erziehungsberatungsstelle und der insgesamt schwierigen Finanzsituation der Gemeinde G wegen der ebenfalls erheblichen Kürzung der bisherigen Kirchensteuerzuweisungen durch die Kirchenkreissynode – auch dem Kirchenkreis K werden von der NEK wegen des dramatischen Rückgangs der Kirchensteuern ebenfalls in deutlich geringerem Umfange Finanzmittel zugewiesen werden – hat der Kirchenvorstand der Kirchengemeinde G beschlossen, die bisherige Beratungstätigkeit zum Jahresende 2004 vollständig einzustellen und die Erziehungsberatungsstelle ab 01.01.2005 zu schließen. Damit entfallen zugleich die Arbeitsplätze der Erziehungsberatungsstelle. Diese Entscheidung des Kirchenvorstandes ist grundsätzlich vom Kirchengericht zu respektieren. Vorliegend fehlt jeglicher Anhalt dafür, dass es sich um eine willkürliche Entscheidung handeln könnte (vgl. allgemein zum Wegfall der Drittmittelfinanzierung: v. Hoyningen-Huene/Lincke a.a.O. Rn. 423 a, 423 b; KR-Etzel a.a.O. Rn. 584; Preis a.a.O. Rn. 990 jeweils m.w.N.).
Nach den glaubhaften Ausführungen der Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 20.09.2004 an die MAV K , denen die MAV K nicht substantiiert entgegengetreten ist, geht das Kirchengericht davon aus, dass eine Beschäftigung des Mitarbeiters M1 auf einem anderen gleichwertigen freien Arbeitsplatz in der Kirchengemeinde G nicht möglich ist, da ein solcher nicht zur Verfügung steht. Desgleichen steht in der Kirchengemeinde G auch kein sonstiger freier Arbeitsplatz zur Verfügung.
2. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, dass sie die Kündigung gegenüber dem Mitarbeiter M1 unter Beachtung der maßgeblichen Bestimmung des § 53 Abs. 2 KAT-NEK aussprechen werde, also mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres.

II.

Beabsichtigte außerordentliche (betriebsbedingte) Kündigung der Mitarbeiterin M2
In den Fällen, die einem eingeschränkten Mitbestimmungsrecht unterliegen – wie hier (§ 42 lit. b) MVG-EKD) – hat das Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten gemäß § 60 Abs. 5 Satz 1 MVG-EKD lediglich zu prüfen und festzustellen, ob für die Mitarbeitervertretung ein Grund zur Verweigerung der Zustimmung nach § 41 MVG-EKD vorliegt.
1. Das Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten geht entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes und der Personalvertretungsgesetze des Bundes und der Länder davon aus, dass in den Fällen der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines nach dem einschlägigen Tarifrecht unkündbaren Mitarbeiters, z. B. im Falle einer Betriebsstilllegung (vgl. BAG, Urt. v. 05.02.1998 – 2 AZR 227/97- , NZA 1998, S. 771 <775 unter 5.>; Urt. v. 18.10.2000 – 2 AZR 627/99 – NZA 2001, S. 219 <219>) das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung sich nach dem Verfahren für die Fälle der beabsichtigten ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit richtet, also der eingeschränkten Mitbestimmung gem. § 42 lit. b) i.V.m. §§ 41 Abs. 2 und 3, 38 MVG-EKD (ebenso: Fey/Rehren, MVG-EKD, § 46 – Stand: August 2004 - Rn. 15a).
Hiervon sind vorliegend auch die Beteiligten ausgegangen.
2. Nach der Überzeugung des Kirchengerichts für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten ist die Mitarbeitervertretung des Kirchenkreises K nicht berechtigt, ihre Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen (betriebsbedingten) Kündigung der Mitarbeiterin M2 zu verweigern, da ein Verweigerungsgrund nach § 41 Abs. 2 MVG-EKD nicht gegeben ist. Das Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten vermag nicht festzustellen, dass die beabsichtigte Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift verstößt.
a) Das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin mit der Mitarbeiterin M2 kann nur im Wege einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB beendet werden, weil gegenüber dieser Mitarbeiterin tarifvertraglich die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist.
aa) Die Mitarbeiterin M2 ist nach § 53 Abs. 3 KAT-NEK ordentlich unkündbar, da sie länger als 15 Jahre bei der Antragstellerin beschäftigt ist und das 40. Lebensjahr vollendet hat. Dabei sind auch die Zeiten einer nur geringfügigen Beschäftigung anzurechnen, weil Beschäftigungszeit nach §§ 53 Abs. 3, 19 Abs. 1 KAT-NEK die bei demselben Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit ist. Der Begriff des Arbeitsverhältnisses ist im Sinne dieser Norm auch dann erfüllt, wenn ein früheres Arbeitsverhältnis beim gleichen Arbeitgeber vom Geltungsbereich des KAT-NEK nach § 3 lit. e) KAT-NEK a.F. ausgenommen war (in diesem Sinne zur inhaltsgleichen Regelung von §§ 19 Abs. 1, 53 Abs. 3 BAT: BAG, Urteile v. 09.07.1992 - 6 AZR 507/90 - AP BAT § 19 Nr. 3; 27.06.2002 –2 AZR 367/01 –AP Nr. 4 zu § 55 BAT. Siehe auch: Schlichtungsstelle nach dem MVG-EKD der NEK, Beschl. v. 15.11.2001 - 16/2001 -).
bb) Nach dem Wortlaut des § 55 KAT-NEK ist auch die von der Antragstellerin beabsichtigte außerordentliche betriebsbedingte Kündigung ausgeschlossen. Denn gem. § 55 Abs. 1 KAT-NEK kann dem nach § 53 Abs. 3 KAT-NEK ordentlich unkündbaren Mitarbeiter nur aus in seiner Person oder seinem Verhalten liegenden wichtigen Gründen fristlos gekündigt werden. Nach § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 KAT-NEK berechtigen andere wichtige Gründe, insbesondere dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters entgegenstehen, den Arbeitgeber nicht zur Kündigung. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedoch, wenn eine Beschäftigung zu den bisherigen Vertragsbedingungen aus dienstlichen Gründen nachweisbar nicht möglich ist, zum Zwecke der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe kündigen.
cc) Damit ist jedoch nicht die außerordentliche Beendigungskündigung aus betrieblichen Gründen nach § 626 BGB in jedem denkbaren Fall ausgeschlossen.
(1) Tarifliche Beschränkungen des außerordentlichen Kündigungsrechts sind zwar nicht grundsätzlich unzulässig und unvereinbar mit § 626 BGB. Das BAG hat jedoch schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund in einem Dauerschuldverhältnis nicht völlig beseitigt werden kann und deshalb Fälle denkbar sind, in denen auch im Rahmen des mit § 55 KAT-NEK inhaltsgleichen § 55 BAT eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit notwendiger Auslauffrist nach § 626 BGB in Betracht kommen kann (BAG, Urteile v. 05.02.1998 - 2 AZR 227/97 – BAGE 88, S. 10 <15>; 25.10.2001 - 2 AZR 216/00 -, ZMV 2002, 198; 27.06.2002 a.a.O.; 13.06.2002 – 2 AZR 391/01 -, NZA 2003, S. 44 <47>; ebenso: KR-Fischermeier, 6. Aufl. 2002, § 626 BGB Rn. 57 ff.; ähnlich Preis, in Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Aufl. 2002, Rn. 790 ff. <insbes. 795, 805 bis 807>).
(2) Die Anforderungen an die Wirksamkeit einer betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB gegenüber einem nach § 55 KAT-NEK aus betriebsbedingten Gründen unkündbaren Mitarbeiter sind nach Auffassung des Kirchengerichts, das sich insoweit an der einschlägigen Rechtsprechung des BAG zu § 55 BAT orientiert (s. die vorgenannten Entscheidungen), jedenfalls ganz erheblich.
Schon nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine (hier tariflich ausgeschlossene) ordentliche Kündigung nur aus dringenden betrieblichen Erfordernissen möglich und eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers muss, soweit möglich - ggf. nach zumutbaren Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen - an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle erfolgen.
Betriebsbedingte Gründe allein rechtfertigen regelmäßig keine außerordentliche Kündigung eines tarifrechtlich unkündbaren Mitarbeiters. Das Betriebsrisiko hat in der Regel der Arbeitgeber zu tragen. Ausnahmen sind allerdings dann zugelassen, wenn sonst ein sinnloses Arbeitsverhältnis ggf. bis zur Pensionierung des Arbeitnehmers allein durch Vergütungszahlungen aufrechterhalten werden müsste. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei ordentlicher Unkündbarkeit auf Grund eines Tarifvertrages eine betriebsbedingte Kündigung stets unter „etwas verschärften Voraussetzungen“ nunmehr als außerordentliche Kündigung möglich wäre (vgl. BAG, Urteile v. 05.02.1998 a.a.O; 13.06.2002 - 2 AZR 391/00 – a.a.O. <S.47>).
(3) Da § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 Satz 1 KAT-NEK auch die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung aus wichtigem Grund ausschließt und den Anstellungsträger insoweit auf eine Änderungskündigung zum Zweck der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe verweist, wird damit das Arbeitsverhältnis des Angestellten im kirchlichen Dienst nach der erforderlichen Beschäftigungszeit, was die Intensität der Bindung anbelangt, einem (kirchlichen) Beamtenverhältnis angenähert.
Wenn, wie oben dargelegt, in Extremfällen eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung auch im Anwendungsbereich des § 55 KAT-NEK zulässig ist, so bedeutet dies allerdings nicht, dass nunmehr jede Umorganisation oder Schließung einer Teileinrichtung, die einen Wegfall von Arbeitsplätzen zur Folge hat, entgegen § 55 Abs. 2 KAT-NEK zu einer außerordentlichen Kündigung führen kann. Entsprechend dem Sinn und Zweck der Tarifvorschrift müssen die Anforderungen an eine derartige außerordentliche Kündigung ganz erheblich sein. Es kann nur darum gehen, auch unter Berücksichtigung der Annäherung des Arbeitsverhältnisses an ein Beamtenverhältnis zu verhindern, dass ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über einen langen Zeitraum hinweg allein noch durch Gehaltszahlungen aufrechterhalten wird und dadurch der kirchliche Arbeitgeber in erhebliche, vor allem finanzielle Schwierigkeiten gerät.
b) In Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze (unter <cc (3)>) geht das Gericht davon aus, dass vorliegend ein Extremfall gegeben ist, bei dem es der Kirchengemeinde G nicht zuzumuten ist, der Mitarbeiterin M2, für die ein anderer freier Arbeitsplatz in der Gemeinde nicht zur Verfügung steht und auch nicht durch Umorganisation geschaffen werden kann, Gehaltszahlungen für ein sinnentleertes – weil beschäftigungsloses – Arbeitsverhältnis bis zum Erreichen der regulären Altersgrenze gem. § 60 Abs. 1 KAT-NEK (Vollendung des 65. Lebensjahres) zu erbringen, hier also über einen Zeitraum von mehr als 17 Jahren.
aa) Das Kirchengericht geht davon aus, dass vorliegend – wie bereits oben im Falle des ebenfalls in der Erziehungsberatungsstelle beschäftigten Mitarbeiters M1 festgestellt (unter I 1 b <S. 3 f.>) – die Voraussetzungen für eine „ordentliche“ betriebsbedingte Kündigung gegeben sind. Es wird daher auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen.
Nach den glaubhaften Ausführungen der Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 20.09.2004 an die MAV K, denen die MAV K nicht substantiiert entgegengetreten ist, geht das Kirchengericht davon aus, dass eine Beschäftigung der Mitarbeiterin M2 auf einem anderen gleichwertigen freien Arbeitsplatz in der Kirchengemeinde G nicht möglich ist, da ein solcher nicht zur Verfügung steht. Desgleichen steht in der Kirchengemeinde G auch kein sonstiger freier Arbeitsplatz für sie zur Verfügung.
bb) Nach den oben genannten Grundsätzen ist jedoch eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung eines an sich unkündbaren Mitarbeiters nach § 626 BGB nur zulässig, wenn eine extreme Ausnahmesituation vorliegt (s. unter a. cc (3) <S. 7 f.>).
Diese ist nach der Überzeugung des Kirchengerichts jedoch vorliegend aus den nachfolgenden Erwägungen gegeben:
(1) Nach dem glaubhaften Vorbringen der Antragstellerin in dem bereits erwähnten Schreiben vom 20.09.2004, dem die MAV K nicht substantiiert entgegengetreten ist, sind die MitarbeiterInnen M1, M2, M3 und M4 arbeitsvertraglich ausschließlich für die jeweilige Einrichtung (womit das Jugendhaus und die Erziehungsberatungsstelle gemeint sind) eingestellt und auch nur dort beschäftigt worden. Das bedeutet arbeitsrechtlich, dass diese MitarbeiterInnen vom Arbeitgeber – hier also dem Kirchenvorstand G – nicht kraft seines Direktionsrechts in die jeweils andere „Einrichtung“ umgesetzt werden können. Es ist der Antragstellerin deshalb rechtlich verwehrt, die Mitarbeiterin M3 von ihrem bisherigen Arbeitsplatz als Leiterin des Jugendhauses in die Erziehungsberatungsstelle umzusetzen.
(2) Die Antragstellerin ist kündigungsschutzrechtlich auch nicht verpflichtet, einem ihrer Mitarbeiter im Jugendhaus „betriebsbedingt“ zu kündigen, um auf diese Weise einen „freien“ Arbeitsplatz für die Mitarbeiterin M2 zu schaffen – abgesehen davon, dass für das Kirchengericht nicht ersichtlich ist, dass insoweit überhaupt die Voraussetzungen nach § 1 Absätze 2 und 3 KSchG für eine derartige Kündigung gegeben sind.
Im Übrigen vermag das Kirchengericht auch nicht festzustellen, dass die Mitarbeiterin M2 das von der Antragstellerin festgesetzte Anforderungsprofil für den bisher von der Mitarbeiterin M3 innegehabten Arbeitsplatz der Leiterin des Jugendhauses erfüllt. Das Kirchengericht folgt insoweit den Ausführungen der Antragstellerin im mehrfach genannten Schreiben von 20.09.2004, dem die MAV K nicht entgegengetreten ist. Für das Kirchengericht sind keine Umstände ersichtlich, die Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der Darstellung der Dienststelle geben.
Dabei bestimmt grundsätzlich allein die Dienststelle das jeweilige Anforderungsprofil für einen Arbeitsplatz – ggf. unter Berücksichtigung gesetzlicher und/oder sonstiger verbindlicher staatlicher oder tariflicher Normen. Etwas anderes mag lediglich dann gelten, wenn das festgesetzte Anforderungsprofil willkürlich ist. Vorliegend ist für eine willkürliche Festsetzung nichts ersichtlich. Das Kirchengericht geht mit der Antragstellerin davon aus, dass die Mitarbeiterin M2 dem Anforderungsprofil der in Rede stehenden Stelle gegenwärtig bereits deshalb nicht entspricht, weil ihr insoweit die notwendigen beruflichen Erfahrungen fehlen. Im Interesse eines ordnungsgemäßen Arbeitsablaufs wäre es auch nicht hinnehmbar, dass sie sich die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen insbesondere im Verwaltungsbereich und in der Personalverantwortung während einer Einarbeitungszeit von etwa 12 Monaten aneignet.
(3) Abgesehen von der für die Antragstellerin bestehenden kündigungsschutzrechtlichen Unmöglichkeit, dem Mitarbeiter M4 betriebsbedingt zu kündigen, würde ein Einsatz der Mitarbeiterin M2 im Jugendhaus – anstelle des Mitarbeiters M4 – wiederum dem Gesamtkonzept der Dienststellenleitung für die Aufgaben/das (Dienstleistungs-)Angebot des Jugendhauses und dem daraus abgeleiteten Anforderungsprofil für den Arbeitsplatz (bisher M4) nicht entsprechen. Da es sich bei der Klientel überwiegend um schwierige männliche Jugendliche handelt, die teilweise zudem aggressiv sind, muss diese Aufgabe von einem männlichen Mitarbeiter wahrgenommen werden, der u. a. auch körperlich in der Lage und bereit ist, mit den Jugendlichen Kampfsport und mehrtägige Freizeiten zu machen. Der Vertreter der Antragstellerin, Pastor P, hat dies in der mündlichen Verhandlung für das Kirchengericht überzeugend dargelegt, ohne dass die Vertreter der MAV K sachliche Einwände erhoben haben. Allein die von der MAV K erwähnte Bereitschaft der Mitarbeiterin M2, sie könne sich eine Tätigkeit im Jugendhaus vorstellen, vermag an der vorgenannten Einschätzung von Pastor P, der das Kirchengericht folgt, nichts zu ändern.
(4) Schließlich hat die Antragstellerin für das Kirchengericht überzeugend dargelegt, dass ihr die Schaffung eines anderen Arbeitsplatzes für die Mitarbeiterin M2 durch Umorganisation ihrer gesamten Dienststelle nicht möglich ist. Im Hinblick auf die geringe Zahl von Mitarbeitern in der Gemeinde G bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit dieses Vorbringens. Die Antragstellerin ist insoweit ihrer Darlegungslast nachgekommen. Die Antragsgegnerin hat keine Gesichtspunkte für eine mögliche und der Kirchengemeinde zumutbare Umorganisation aufgezeigt.

III.

Der Beschluss ist für die Beteiligten gem. § 60 Abs. 8 Satz 1 MVG-EKD verbindlich.
gez. Kalitzky
(Vorsitzender Richter)