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Kirchengericht: | Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche |
Entscheidungsform: | Beschluss (rechtskräftig) |
Datum: | 28.02.2006 |
Aktenzeichen: | 2 KG 28/2005 |
Rechtsgrundlage: | MVG-EKD: § 38 Abs. 1 Satz 1 § 40 lit. d) § 60 Abs. 1 |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: |
Leitsatz:
• | Einseitige Änderung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit durch die Dienststellenleitung ohne Einleitung des vorgeschriebenen Mitbestimmungsverfahrens gem. § 40 lit. d) MVG-EKD und Durchsetzung dieser Maßnahme |
• | Das mitarbeitervertretungsrechtliche Beschlussverfahren dient nicht dazu, abstrakte Rechtsfragen zu klären. Für das erforderliche Rechtsschutzinteresse an einem Feststellungsantrag reicht es aber aus, wenn die zwischen den Verfahrensbeteiligten strittige Rechtsfrage, die hinter einem Anlass gebenden Vorgang steht, sich mit einiger Wahrscheinlichkeit auch auf künftige, vergleichbare oder gleichartige Sachverhalte bezieht, die in ihren Grundzügen dem Sachverhalt des Anlass gebenden konkreten Vorgangs entsprechen. |
Tenor:
Es wird festgestellt, dass der Antragsgegner das Mitbestimmungsrecht der Antragstellerin verletzt hat, indem er das mit Wirkung ab 1. April 2005 eingeführte Ende der Arbeitszeit für freitags und samstags auf 22:00 Uhr sowie in den Ferien auf 23:00 Uhr festgesetzt hat.
Gründe:
I.
Der Antragsgegner, das Diakoniewerk des Kirchenkreises K, ist Träger der rechtlich nicht selbstständigen, im Übrigen aber eigenständigen Einrichtung der Evangelischen Jugendhilfe. Die Antragstellerin ist die hierfür zuständige Mitarbeitervertretung.
Mit Schreiben vom 12. April 2005 wandte sich die Antragstellerin an den Antragsgegner und teilte ihm mit, sie habe von Mitarbeitern im stationären Bereich der Evangelischen Jugendhilfe erfahren, dass das Ende der täglichen Arbeitszeit anders als bisher festgelegt worden sei: Auf Anweisung des Antragsgegners sei das Ende der Arbeitszeit für die Wochentage von Freitag bis Samstag, das bis dahin bei 23:00 Uhr bzw. in den Ferien bei 24:00 Uhr gelegen habe, nunmehr auf 22:00 Uhr bzw. 23:00 Uhr festgesetzt worden. Nachdem ein weiteres Schreiben der Antragstellerin, mit dem sie darauf hinwies, dass die Änderung der Arbeitszeit noch nicht rückgängig gemacht worden sei, ebenfalls unbeantwortet geblieben war, rief die Antragstellerin sodann das Kirchengericht an.
Sie macht im Wesentlichen geltend, dass der Antragsgegner ihr Mitbestimmungsrecht verletzt habe, indem er ohne ihre Zustimmung eine Änderung der täglichen Arbeitszeit eingeführt habe. Diese Maßnahme sei mitbestimmungspflichtig im Sinne von § 40 lit. d) MVG-EKD und dürfe folglich erst vollzogen werden, wenn sie dazu ihre Zustimmung erteilt habe.
Sie sucht allein noch um eine Feststellung darüber nach, dass der Antragsgegner ihr Mitbestimmungsrecht nach § 40 lit. d) in Verbindung mit § 38 MVG-EKD verletzt hat.
Der Antragsgegner bestreitet nicht, dass es in Bezug auf das seit April 2005 eingeführte geänderte Ende der täglichen Arbeitszeit zur Durchführung des an sich erforderlichen Mitbestimmungsverfahrens nicht gekommen ist. Das Recht der Antragstellerin in diesem und in anderen zustimmungspflichtigen Vorgängen mitzubestimmen, sei nicht bestritten worden und werde auch nicht bestritten.
Mit den Verfahrensbeteiligten ist die Sach- und Rechtslage am 16. Dezember 2005 erörtert worden. Sie haben sich mit einer Entscheidung des Vorsitzenden im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
II.
Das Begehren der Antragstellerin, mit dem sie allein noch darum nachsucht, festgestellt zu wissen, dass der Antragsgegner ihr Mitbestimmungsrecht verletzt hat, ist als Feststellungsantrag zulässig und begründet.
1. Zwar hat sich – nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Verfahrensbeteiligten im Erörterungstermin – der für das Schlichtungsverfahren Anlass gebende konkrete Vorgang inzwischen insoweit erledigt, als die zum April 2005 festgesetzte veränderte tägliche Arbeitszeit seitdem vollzogen worden ist und tatsächlich praktiziert wird. Daneben soll sie inzwischen auch nahezu vollständig individuell arbeitsvertraglich umgesetzt worden sein. Dies allein bedeutet indes noch nicht, dass es der Antragstellerin damit auch an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte gerichtliche Feststellung fehlt.
Auch wenn das mitarbeitervertretungsrechtliche Beschlussverfahren nicht dazu dient, abstrakte Rechtsfragen zu klären, und Rechtsfragen nur dann zu beantworten sind, wenn sie hinter einem Anlass gebenden Vorgang stehen, müssen diese sich auf künftige, vergleichbare oder gleichartige Sachverhalte beziehen, die in ihren Grundzügen dem Sachverhalt des Anlass gebenden konkreten Vorgangs entsprechen.
Zwischen den Verfahrensbeteiligten war die Frage streitig geworden, ob der Antragsgegner eine Änderung der täglichen Arbeitszeit ohne die vorherige Zustimmung der Antragstellerin einführen durfte. Es besteht eine mehr als (nur) geringfügige Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Rechtsfrage, die sich auf ein Beteiligungsrecht (40 lit. d) MVG-EKD) mit großer praktischer Bedeutung bezieht, zwischen den Verfahrensbeteiligten erneut stellen könnte.
2. Der Schlichtungsantrag hat auch in der Sache Erfolg. Der hier zur Beurteilung anstehende unstreitige Sachverhalt rechtfertigt die Feststellung, dass der Antragsgegner das Mitbestimmungsrecht der Antragstellerin in Bezug auf ihre Mitwirkung im Falle der Festsetzung des Endes der täglichen Arbeitszeit gem. § 40 lit. d) MVG-EKD verletzt hat. Der Antragsgegner hat das Ende der täglichen Arbeitszeit festgesetzt ohne dafür zuvor bei der Antragstellerin um deren Zustimmung nachzusuchen.
Der Antragsgegner hat damit ersichtlich ihr Mitbestimmungsrecht verletzt, indem er im stationären Bereich der Evangelischen Jugendhilfe das Ende der täglichen Arbeitszeit ohne die dafür erforderliche Zustimmung anders festgesetzt hat. Dies wird von dem Antragsgegner, der bedauert, dass es in dieser Sache nicht zur Durchführung eines Mitbestimmungsverfahrens gekommen ist, auch nicht bestritten.
Ob und in welchem Maße für die nicht erfolgte Durchführung des erforderlichen Mitbestimmungsverfahrens terminliche Abstimmungsschwierigkeiten ursächlich gewesen sind, kann letztlich dahingestellt bleiben. Sie rechtfertigen jedenfalls nicht die tatsächliche Durchführung der Maßnahme nach § 40 lit. d) MVG-EKD ohne die erforderliche Zustimmung der Antragstellerin.
Das allein darauf gerichtete Begehren der Antragstellerin, festgestellt zu wissen, dass die Einführung der geänderten Arbeitszeit unter Verstoß gegen § 40 lit. d) MVG-EKD in Verbindung mit § 38 MVG-EKD erfolgt ist, ist demzufolge begründet.
gez. Dr. Roggentin | |
(Vorsitzender Richter) |