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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:04.11.2014
Aktenzeichen:NK-MG 2-28/2014
Rechtsgrundlage:MVG-EKD: § 25 Absatz 2, § 30 Absatz 2, § 61 Absatz 4
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:
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Leitsatz:

  • Zur Frage der Verpflichtung der Dienststelle, nach § 30 Absatz 2 MVG.EKD die erforderlichen Kosten zu tragen, die durch die Beiziehung einer sachkundigen Person nach § 25 Absatz 2 MVG-EKD (hier: Rechtsanwalt) im Zusammenhang mit der beabsichtigten Herabstufung eines (bisher) vollständig freigestellten Mitgliedes der Mitarbeitervertretung entstehen.
    Vorliegend vom Kirchengericht bejaht
  • Nach § 61 Absatz 4 Satz 1 MVG.EKD können die Beteiligten im kirchengerichtlichen Verfahren zu ihrem Beistand eine Person hinzuziehen. Zur Übernahme der Kosten, die der Mitarbeitervertretung durch die Beiziehung eines Rechtsanwalts entstehen, ist die Dienststelle nach § 61 Absatz 4 Satz 2 MVG.EKD i. V. m. § 30 MVG.EKD nur dann verpflichtet, wenn die Heranziehung der sachkundigen Person (hier: Rechtsanwalt) erforderlich ist.
    Vorliegend vom Vorsitzenden des Kirchengericht gem. § 61 Absatz 4 Satz 3 MVG.EKD bejaht

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die erforderlichen Kosten für die Inanspruchnahme sachkundiger Begleitung während der Sitzung der Antragstellerin zu übernehmen, soweit es den Tagesordnungspunkt „Herabgruppierung der Mitarbeiterin M“ betrifft.
Die Antragsgegnerin trägt gemäß § 61 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 30 MVG.EKD die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die Kosten anwaltlicher Beratung zu übernehmen, soweit es die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Herabgruppierung ihrer Mitarbeiterin M betrifft, die freigestelltes Mitglied der Mitarbeitervertretung ist. Für die beabsichtigte Maßnahme hat die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin um die Zustimmung gemäß § 42 c MVG.EKD nachgesucht. Das entsprechende dienststelleninterne Erörterungsverfahren ist zwischen den Beteiligten indes noch nicht abgeschlossen und derzeit einvernehmlich ausgesetzt.
Die Antragsgegnerin hatte, soweit es um die Umstrukturierung ihrer Kindertagesstätte Y sowie die Eingruppierung der Mitarbeiterin M geht, der Antragstellerin mit Schreiben vom X.Y.Oktober 2013 die Kosten für eine anwaltliche Beratung genehmigt. Das erste anwaltliche Beratungsgespräch wurde Ende Oktober 2013 geführt und hatte allein die Umstrukturierung der Kindertagesstätte zum Gegenstand.
Unwidersprochen fand eine anwaltliche Beratung wegen der Herabgruppierung allerdings noch nicht statt. Denn zum Zeitpunkt des (ersten) Beratungsgesprächs gab es wegen der geplanten Herabgruppierung der Mitarbeiterin noch keine hinreichenden Informationen durch die Dienststelle und es stand außerdem ein Wechsel in der Geschäftsführung an.
Den Antrag der Antragstellerin vom X.Y.2014 auf Kostenübernahme für eine ergänzende anwaltliche Beratung lehnte die Antragsgegnerin indes mit Schreiben vom X.Y.2014 ab.
Die Antragstellerin strebt über die Frage der beabsichtigten Herabgruppierung unbestritten eine einvernehmliche Regelung mit der Antragsgegnerin an. Sie ist unwidersprochen der Ansicht, dass eine juristische Beratung zu einer abschließenden Klärung der Sach- und Rechtslage führen kann.
Dem schriftsätzlichen Vorbringen der Antragstellerin lässt sich bei sachgemäßer Auslegung und verständiger Würdigung ihres Begehrens der
Antrag entnehmen,
festzustellen, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die erforderlichen Kosten für die Inanspruchnahme sachkundiger Begleitung während der Sitzung der Antragstellerin zu übernehmen, soweit es den Tagesordnungspunkt „Herabgruppierung der Mitarbeiterin M“ betrifft.
Mit Schriftsatz vom X.Y.2014 beantragt die Antragstellerin des Weiteren,
die Antragsgegnerin gemäß § 61 Abs. 9 S. 2 MVG.EKD zu verpflichten, die außergerichtlichen Kosten, die zur Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung des vorliegenden Verfahrens notwendig waren, zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt mit den Schriftsätzen vom X.Y. und X.Y.2014,
die Anträge zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten sowie des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Prozessakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Erörterung gewesen ist.

II.

Das Begehren der Antragstellerin ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Die Weigerung der Antragsgegnerin, die erforderlichen Kosten einer anwaltlichen Beratung zu übernehmen, ist rechtswidrig.
Sie ist nach § 30 Abs. 2 Satz 2 MVG.EKD verpflichtet, der Kostenübernahme zuzustimmen, weil die Antragstellerin von ihr die Übernahme solcher Kosten nach § 30 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 25 Abs. 2 MVG.EKD zu Recht beanspruchen kann. Denn die Kosten eines von der Mitarbeitervertretung herangezogenen Rechtsanwalts sind gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD dem Grunde nach von der Dienststelle zu tragen, wenn und soweit eine solche Heranziehung für die Teilnahme an einer Sitzung der Mitarbeitervertretung erforderlich ist.
Die für eine anwaltliche Beratung anfallenden Kosten sind hier dem Grunde nach von der Antragsgegnerin zu tragen, weil sie, soweit eine sachkundige Person zu der Sitzung der Mitarbeitervertretung herangezogen werden soll, erforderlich im Sinne von § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD sind.
a) Erforderlich im Sinne von § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD sind die durch die Tätigkeit der Mitarbeitervertretung entstehenden Kosten, wenn die Mitarbeitervertretung die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für den Tagesordnungspunkt „Herabgruppierung der Mitarbeiterin M“ in der Sache als geboten ansehen durfte.
Die Antragstellerin hat sich für diese Einschätzung auf den Standpunkt eines vernünftigen Dritten zu stellen, der die Interessen der Dienststelle einerseits und die der Mitarbeitervertretung und der Mitarbeiter andererseits gegeneinander abzuwägen hat, und der von diesem Standpunkt aus betrachtet – unter Wahrung des Beurteilungsspielraums – Folgendes annehmen darf:
Der Regelungsgegenstand wirft schwierige Rechtsfragen auf, die zwischen Dienststelle und Mitarbeitervertretung umstritten sind und kein Mitglied der Mitarbeitervertretung verfügt über den zur sachgerechten Interessenwahrnehmung notwendigen juristischen Sachverstand (KGH.EKD Beschl. v. 12.4.2010, ZMV 2011 S. 40; vgl. BAG Beschl. v. 25. 01.1995 – 7 ABR 37/94 – AP Nr. 46 zu § 40 BetrVG 1972; Beschl. v. 19.03.2003 – 7 ABR 15/02 – NZA 2003, 870, 871 f., m. w. N.). Dabei hat sie auch die Kostenbelange der Dienststelle zu berücksichtigen (vgl. KHG.EKD Beschl. v. 30.03.2012 -II-0124/S60-10, www.kirchenrecht-ekd.de).
b) Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD erfüllt. Die Antragstellerin – über rechtliche Kenntnisse und Erfahrungen verfügt sie unbestritten nicht – stand vor der Beantwortung einer schwierigen Rechtsfrage.
Unter Wahrung des ihr hinsichtlich der Erforderlichkeit zustehenden Beurteilungsspielraumes durfte sie jedenfalls annehmen, es sei, um die Frage der Herabgruppierung für sich verlässlich zu beantworten, geboten, rechtsanwaltlichen Beistand in Anspruch zu nehmen. Denn die Entscheidung darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen ein vollständig freigestelltes Mitglied der Mitarbeitervertretung im Falle einer erfolgten Umstrukturierung der in mehreren Kindertagesstätten zu erbringenden Arbeitsleistungen, zu vergüten ist bzw. künftig eine Entgeltabsenkung hinzunehmen hat, stellt eine nicht einfach zu beantwortende Frage dar.
c) Für die – in dem vorliegenden Verfahren allerdings nicht zu beantwortende – Frage einer rechtmäßigen Vergütungsabsenkung, dürfte u. a. mitentscheidungserheblich sein:
Genügt, wie hier, im Falle eines erreichten Status und einer feststehenden Eingruppierung für die Rückgruppierung eines freigestellten Mitglieds der Mitarbeitervertretung allein der Wegfall von vergütungsrelevanten Merkmalen des KAT bzw. macht die beabsichtigte Entgeltabsenkung eine Änderungskündigung erforderlich, wobei eine Kündigung als solche vor dem Hintergrund des § 21 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD ihrerseits ohnehin nur aus außerordentlichen Gründen überhaupt möglich wäre? Stünde einer Entgeltabsenkung das Benachteiligungsverbot nach § 19 MVG.EKD entgegen?
Die unter Berücksichtigung dieser klärungsbedürftigen Gesichtspunkte nicht einfach zu beantwortende Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Entgeltabsenkung des freigestellten Mitglieds der Mitarbeitervertretung erfolgen kann, hatte die Antragsgegnerin im Übrigen aus Anlass der bevorstehenden Organisationsentscheidung offenbar zunächst auch selbst als schwierig zu beantworten erachtet. Denn sie hatte der Antragstellerin bereits unter dem X.Y.2013 eine anwaltliche Beratung in der Angelegenheit „Umstrukturierung der Ev. Kindertagesstätte Y sowie der Eingruppierung von Frau M“ dem Grunde nach genehmigt.
Die anwaltliche Beratung zur Frage der Herabgruppierung konnte aber nach dem nicht in Abrede gestellten Vorbringen der Antragstellerin bisher jedenfalls noch nicht abschließend erfolgen. Sie sah sich deswegen, nachdem mit dem (neuen) Geschäftsführer eine erste Erörterung hierüber begonnen worden war und sich danach noch weiterer Beratungsbedarf ergab, veranlasst, um eine „ergänzende“ Kostenübernahme nachzusuchen.

III.

Die Entscheidung über die Kostentragung für dieses kirchengerichtliche Verfahren beruht auf § 61 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 30 MVG.EKD.
Nach § 61 Abs. 4 S. 1 MVG.EKD können die Beteiligten zu ihrem Beistand eine Person hinzuziehen. Für die Übernahme der Kosten findet nach § 61 Abs. 4 S. 2 MVG.EKD § 30 MVG.EKD Anwendung mit der Folge, dass die Heranziehung einer sachkundigen Person erforderlich sein muss.
In der Sache durfte die Antragstellerin die Hinzuziehung einer rechtlich sachkundigen Person als erforderlich ansehen. Diese Einschätzung hält sich, wie es sich den vorstehenden Ausführungen unter II. entnehmen lässt und auf die zur weiteren Begründung verwiesen wird, im Rahmen des der Antragstellerin insoweit zustehenden Beurteilungsspielraums.
Einen Verfahrensbevollmächtigten auch für das kirchengerichtliche Verfahren hinzuzuziehen, ist hier ebenfalls zu Recht als erforderlich im Sinne von § 30 Abs. 2 MVG.EKD anzusehen. Die Einschaltung einer rechtlich sachkundigen Person war objektiv geeignet, zum Fortgang des Verfahrens beizutragen.
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Dr. Roggentin