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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:15.12.2017
Aktenzeichen:NK-MG 3-8/2017
Rechtsgrundlage:§ 38 Absatz 3 Satz 5 MVG-EKD, § 41 Absatz 2 MVG-EKD
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:
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Leitsatz:

Da die Zustimmung zur Kündigung nur verweigert werden darf, wenn die Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift, eine arbeitsrechtliche Regelung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verstößt, muss die Begründung sich hierauf beziehen. Die Begründung muss es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass ein Mitbestimmungstatbestand gegeben ist. Eine Begründung, die offensichtlich außerhalb irgendeines Mitbestimmungstatbestandes liegt, ist unbeachtlich.
Vgl. KGH.EKD, Beschluss vom 07. April 2008, I-0124/N80-07

Tenor:

1. Der Antrag der Antragstellerin vom 31.07.2017- soweit er die Ersetzung der Zustimmung zur Versetzung betrifft - wird zurückgewiesen, da er unzulässig ist.
2. Der Antrag der Antragstellerin vom 31.07.2017 - soweit er die Ersetzung der Zustimmung zur Änderungskündigung betrifft – wird zurückgewiesen, da die Zustimmung als erteilt gilt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Ersetzung der Zustimmung zu einer von der Antragstellerin beabsichtigten Versetzung beziehungsweise hilfsweisen ordentlichen Änderungskündigung der Mitarbeiterin M.
Die Antragstellerin bietet seit 1994 für Suchtkranke und andere von Suchterkrankungen betroffene Menschen in O 1 Beratungs-, Vermittlungs- und Betreuungshilfen an. Sie unterhält in O 1 eine Vielzahl von Unternehmen.
1998 eröffnete die Antragstellerin zeitgleich die Klinik L in O 2, Fachklinik für Suchtkrankheiten, und die Klinik F in O 3, Fachkliniken für Abhängigkeitserkrankungen. Die Klinikgebäude für beide Kliniken waren vom gleichen Unternehmen angemietet. Die Mietverträge laufen im Jahre 2018 aus.
Die Antragstellerin hat sich in ihren Entscheidungsgremien letztlich dazu entschieden, die Mietverträge nicht über das Jahr 2018 hinaus zu verlängern. Ein Kauf der Kliniken kam aufgrund der Preisvorstellungen der Eigentümer nicht in Betracht. Letztlich fiel der Entschluss, die Klinik in O 2 zu schließen und in O 3 an einem neuen Standort eine neue Klinik mit einer höheren Bettenkapazität zu bauen.
In diese Entscheidungsprozesse waren die Antragsgegnerin und die Mitarbeitervertretung der Klinik O 3 durchgehend eingebunden. Stets ist darauf hingewiesen worden, dass die Klinik in O 2 Anfang des Jahres 2018 geschlossen und die Antragstellerin ab diesem Zeitpunkt keinen Standort und keine Einrichtung in O 2 mehr betreiben wird. Die Patienten der Klinik O 2 werden ab Anfang 2018 in O 3 weiter betreut werden. Den Mitarbeitenden ist angeboten worden, die gleiche Arbeit in O 3 bei gleicher Eingruppierung fortzuführen. Ein Teil der Mitarbeitenden hat erklärt, dieses Angebot annehmen zu wollen, ein anderer Teil hat sich noch nicht abschließend geäußert oder eine Beschäftigung in O 3 abgelehnt.
Die Mitarbeiterin M war nicht bereit, das Arbeitsverhältnis in O 3 fortzusetzen.
Mit Schreiben vom 27.6.2017 beantragte die Antragstellerin die Zustimmung der Antragsgegnerin zu einer Versetzung und hilfsweise Änderungskündigung von Frau M.
Mit Schreiben vom 18.07.2017 verweigerte die Antragsgegnerin die Zustimmung zu den beantragten Maßnahmen. Zur Begründung hat sie darauf abgestellt, dass die beabsichtigte Versetzung nach O 3 gegen § 7 Abs. 2 AVR verstoße, da die Versetzung wegen der großen Entfernung zwischen O 2 und O 3 aus persönlichen Gründen nicht zumutbar sei. Im Zusammenhang mit der beabsichtigten Änderungskündigung sei die Mitarbeitervertretung falsch informiert worden. Den Mitarbeitern stehe entgegen der Ansicht der Dienstgeberin eine Abfindung nach der Sicherungsordnung zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Antrags und der Zustimmungsverweigerung wird auf die Anlagen verwiesen.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Mitarbeitervertretung die beantragte Zustimmung zu Unrecht verweigert habe.
Die Antragstellerin beantragt,
die von der Mitarbeitervertretung verweigerte Zustimmung zur Versetzung und hilfsweisen Änderungskündigung der Mitarbeiterin M der Klinik L in O 2 mit dem Ziel der Tätigkeit in der neu zu errichtenden Klinik F in O 3 zum 01.04.2018 zu ersetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Weiter wird Bezug genommen auf das Protokoll des Einigungsgespräches vom 08.09.2017 und den Hinweisbeschluss des Vorsitzenden vom 17.10.2017.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Kirchengerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II.

1.
Der Antrag zu 1. ist unzulässig, da insoweit kein Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung besteht. Die Mitarbeitervertretung der abgebenden Dienststelle hat bei einer beabsichtigten Versetzung nach § 46 d) MVG-EKD lediglich ein Mitberatungs-, nicht aber ein Zustimmungsverweigerungsrecht. Das Mitberatungsverfahren ist mit der ablehnenden Stellungnahme abgeschlossen. Eine Ersetzung der Zustimmung durch das Kirchengericht kommt demnach nicht in Betracht.
2.
Der Antrag zu 2. war ebenfalls abzuweisen, da eine Ersetzung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung durch das Kirchengericht nicht in Betracht kam. Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung zu der beabsichtigten Änderungskündigung gilt nach § 38 Abs. 1 S. 2 MVG-EKD als erteilt.
a)
Gemäß §§ 42 b), 41 Abs. 3, 38 Abs.1 S. 2 MVG-EKD ist eine ordentliche Kündigung nach Ablauf der Probezeit unwirksam, wenn die Mitarbeitervertretung nicht beteiligt worden ist. Eine ordnungsgemäße Beteiligung ist hier aber erfolgt.
Die Antragstellerin hat die Mitarbeitervertretung gemäß § 38 Abs. 2 S. 1 MVG-EKD von der beabsichtigten Kündigung unterrichtet und die Zustimmung beantragt. Die Unterrichtung der Mitarbeitervertretung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Der Kündigungsgrund wird einschließlich des Fehlens anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten dargelegt. Darüber hinaus enthält das Schreiben alle erforderlichen persönlichen Daten der Klägerin und Angaben zur Kündigungsfrist. Aus dem Schreiben ließ sich für die Mitarbeitervertretung zugleich ersehen, dass die Kündigung - wenn möglich - zum 01.04.2018 erfolgen soll.
b)
Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung gilt gemäß § 38 Abs. 3 S. 1 MVG-EKD als erteilt.
Diese Fiktion greift ein, wenn die Mitarbeitervertretung nicht innerhalb von zwei Wochen entweder die Zustimmung schriftlich verweigert oder aber eine mündliche Erörterung beantragt. Beides ist hier nicht erfolgt.
aa)
Gemäß § 38 Abs. 3 S. 5 MVG-EKD hat die Mitarbeitervertretung die Zustimmungsverweigerung schriftlich zu begründen. Da die Zustimmung zur Kündigung gemäß § 41 Abs. 2 MVG-EKD nur verweigert werden darf, wenn die Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift, eine arbeitsrechtliche Regelung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verstößt, muss die Begründung sich hierauf beziehen (vgl. KGH.EKD vom 07.04.2008 - I-0124/N80-07 - zitiert nach juris; Fey/Rehren, § 41 MVG-EKD Rn. 28). Zwar sind an den Umfang der Begründung keine überspannten Anforderungen zu stellen. Die Begründung muss aber so gefasst sein, dass der Arbeitgeber erkennen kann, worauf es der Mitarbeitervertretung ankommt (KGH.EKD vom 07.04.2008 - I-0124/N80-07 - zitiert nach juris, Rn.12). Ein bloßes Stichwort oder eine formelhafte Wiedergabe der in § 41 Abs. 2 MVG.EKD genannten Verweigerungsgründe reichen nicht aus. Vielmehr muss stets erkennbar sein, auf welche konkreten Umstände und Tatsachen die Mitarbeitervertretung einen bestimmten Ablehnungsgrund stützt (vgl. KGH.EKD vom 07.04.2008 - I-0124/N80-07 - zitiert nach juris). Die Begründung muss es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass ein Mitbestimmungstatbestand gegeben ist. Eine Begründung, die offensichtlich außerhalb irgendeines Mitbestimmungstatbestandes liegt, ist unbeachtlich.
Eine nicht ausreichende Begründung ist einer Nichtbegründung gleichzusetzen. Die Zustimmung gilt dann als erteilt (KGH.EKD vom 07.04.2008 - I-0124/N80-07 - zitiert nach juris, Rn. 12).
Gemessen hieran ist von einer Zustimmungserteilung auszugehen, da das Schreiben der Mitarbeitervertretung vom 18.07.2017 keine ordnungsgemäße Begründung enthält.
Die Zustimmungsverweigerung wird ausdrücklich nur darauf gestützt, dass die Mitarbeiterin keine Abfindung nach der Sozialordnung erhalten solle.
Diese Begründung lässt auf den ersten Blick erkennen, dass sich die Mitarbeitervertretung nicht auf einen Zustimmungsverweigerungsgrund im Sinne des § 41 Abs. 2 MVG-EKD beruft.
Eine Rechtsvorschrift, welche die Wirksamkeit der Kündigung an die Zahlung einer Abfindung knüpft, gibt es nicht. Auch § 8 Sicherungsordnung (SO) verknüpft die Wirksamkeit der Kündigung nicht mit einer Abfindungszahlung.
§ 8 SO lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 8 Abfindung
(1) Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter, die bzw. der auf Veranlassung der Dienstgeberin bzw. des Dienstgebers im gegenseitigen Einvernehmen oder aufgrund einer Kündigung durch die Dienstgeberin bzw. den Dienstgeber aus dem Dienstverhältnis ausscheidet, erhält nach Maßgabe folgender Tabelle eine Abfindung: ...
(2) Der Anspruch auf Abfindung entsteht am Tag nach der Beendigung des Dienstverhältnisses. Hat die Dienstgeberin bzw. der Dienstgeber das Dienstverhältnis gekündigt, wird die Abfindung erst fällig, wenn die Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage abgelaufen ist oder, falls die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter Kündigungsschutzklage erhoben hat, endgültig feststeht, dass die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter ausgeschieden ist.
(3) ..."
Hiernach entsteht die Abfindung - sofern die Voraussetzungen erfüllt sind - unabhängig von einer Zusage des Arbeitgebers. Auf die Wirksamkeit der Kündigung hat die Abfindungszahlung keinen Einfluss. Umgekehrt: Die Fälligkeit der Abfindung setzt voraus, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtskräftig feststeht.
Auch die Mitarbeitervertretung hat in ihrer Zustimmungsverweigerung nicht etwa die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen der fehlenden Abfindungsbereitschaft unwirksam und verstoße dementsprechend gegen eine Vorschrift im Sinne des § 41 Abs. 2 MVG-EKD. Sie hat in dem Schreiben vom 18.07.2017 lediglich bemängelt, dass der Antragstellerin die Bereitschaft zur Zahlung einer Abfindung nach § 8 SO fehle. Der von der Mitarbeitervertretung erwähnte § 8 SO verbietet jedoch keine Kündigung. Der dort vorgesehene Anspruch auf eine Abfindung setzt vielmehr voraus, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist.
bb)
Die Mitarbeitervertretung hat auch keine Erörterung gemäß § 38 Abs. 2 S. 2 MVG.EKD verlangt, mit der Folge, dass dann gemäß § 38 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 MVG-EKD die Fiktion nicht greifen würde.
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Eckhardt (Vorsitzender Richter)
Rosenkranz (Richterin)
Batke (Richter)