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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Beschluss (nicht rechtskräftig)
Datum:18.03.2019
Aktenzeichen:NK-MG 5 24/2018 DWHH
Rechtsgrundlage:§ 30 Abs. 2 Satz 1 MVG.EKD
Vorinstanzen:nachfolgend: Kirchengerichtshof der EKD: KGH.EKD I-0124/29-2019
Schlagworte:
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Leitsatz:

Fallen für die Schulungen auch Fahrtkosten, Übernachtungskosten und Verpflegungskosten an, sind diese in voller Höhe zu ersetzen, wenn die Mitglieder der Mitarbeitervertretung auf die entstehenden Kosten keinen Einfluss haben.

Tenor:

Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2. verpflichtet ist, die für erforderliche Schulungen von Mitgliedern der Mitarbeitervertretung notwendigen Verpflegungskosten in voller Höhe zu übernehmen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten anhaltend darum, ob die zu 2. beteiligte Dienststellenleitung verpflichtet ist, notwendige Verpflegungskosten im Rahmen von erforderlichen Schulungen in voller Höhe übernehmen zu müssen.
Die Mitarbeitervertretung ist der Ansicht, dass die Dienststelle im Rahmen von erforderlichen Schulungen der Mitarbeitervertretung entstehende Verpflegungskosten in voller Höhe zu tragen habe. Es sei die Rechtsprechung zu § 40 BetrVG entsprechend anzuwenden. Finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten bestünden nicht. § 24 Abs. 2 KTD gelte nicht für diese Schulungen, da es sich ausschließlich auf das Verhältnis Mitarbeiter-Dienststelle beziehe, nicht auf kollektivrechtliche Sachverhalte.
Die Mitarbeitervertretung stellt den Antrag,
festzustellen, dass die Beteiligte zu 2. verpflichtet ist, die für erforderliche Schulungen von Mitgliedern der Mitarbeitervertretung notwendigen Verpflegungskosten in voller Höhe zu übernehmen;
hilfsweise festzustellen, dass die Beteiligte zu 2. verpflichtet ist, die für erforderliche Schulungen von Mitgliedern der Mitarbeitervertretung notwendigen Verpflegungskosten in voller Höhe abzüglich des in der Sozialversicherungsentgeltverordnung geregelten Wertes der Verköstigung zu übernehmen.
Die Dienststelle beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Dienststelle ist der Ansicht, die Anträge seien unzulässig, da ein Feststellungsinteresse nicht bestehe und die Gerichte keine Rechtsgutachten zu erstatten hätten. Inhaltlich ist die Dienststelle der Ansicht, dass im Rahmen von § 30 MVG.EKD die Grundsätze der Reisekostenregelungen gelten. Nach allgemeiner Ansicht könne, wenn Reisekostenregelwerke im Betrieb nicht bestünden, auf die Lohnsteuerrichtlinien und die dort genannten Pauschbeträge zurückgegriffen werden. Die Dienststelle habe daher tagtäglich entweder EUR 12,00 oder EUR 24,00 zu tragen, die übrigen Verpflegungskosten hätten die Mitglieder der Mitarbeitervertretung selbst zu tragen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und gerichtlichen Beschlüsse und Protokolle Bezug genommen und verwiesen.

II.

Der Antrag der Mitarbeitervertretung ist zulässig und begründet.
1.
Feststellungsfähig sind grds. subjektive Rechte aller Art (MüKoZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl. 2016, ZPO § 256 Rn. Randnummer 11).
Nicht feststellungsfähig sind abstrakte Rechtsfragen oder nur gedachte rechtliche Beziehungen, da es nicht Aufgabe der Gerichte ist, Rechtsgutachten zu erstatten. Die Unterscheidung zwischen Rechtsverhältnis einerseits und Rechtsfrage andererseits wird problematisch, falls es sich um konkrete Rechtsbeziehungen handelt, wenn etwa die Feststellung verlangt wird, dass das unstreitig zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis bestimmter Art sei, z.B. ein Dienst- und kein Gesellschaftsverhältnis. Die Praxis hält Feststellungsklagen mit Recht auch insoweit für statthaft. Wesentlich ist die Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Deshalb empfiehlt sich eine flexible, auf die Umstände des Einzelfalles abgestellte Handhabung des § 256 ZPO, die darauf auszurichten ist, ob der Streit zwischen den Parteien durch ein Feststellungsurteil ausgeräumt und Rechtssicherheit mit der Folge herbeigeführt werden kann, dass weitere Prozesse sich erübrigen. Jedoch darf die Auslegung des Abs. 1 nicht so weit gehen, dass der materiellen Rechtsordnung Vorrang vor dem Verfahrensrecht eingeräumt und bei jedem materiell-rechtlichen Bedürfnis nach einer Klagemöglichkeit mangels Statthaftigkeit anderer Klagearten stets die Feststellungsklage zur Verfügung gestellt wird.
Nach vorstehenden Grundsätzen ist der Antrag der Mitarbeitervertretung zulässig. Die Parteien streiten unstreitig nachhaltig und andauernd über die Frage, ob die Dienststelle berechtigt ist, die Mitglieder der Mitarbeitervertretung an Verpflegungskosten im Rahmen von Schulungen finanziell zu beteiligen. Die Dienststelle rühmt sich eines solchen Rechtes. Dieses Recht führt dazu, dass Schulungsmaßnahmen seitens der Mitarbeitervertretung bis zur Klärung der konkreten Rechtsfrage nicht mehr besucht werden. Auf Grund der Beharrlichkeit wäre die Konsequenz, dass im Rahmen jeder Schulungsmaßnahme andernfalls ein Rechtstreit zu führen wäre, ob Beteiligungsmöglichkeiten seitens der Dienststellenleitung bestehen. Dies ist nicht zweckdienlich, da durch eine Grundsatzentscheidung diese Frage geklärt werden kann.
Im Übrigen bezieht sich die Feststellung lediglich auf erforderliche Schulungen, dies bleibt weiter feststellungsfähig im Einzelfall, und für notwendige Verpflegungskosten, dies bleibt ebenfalls feststellungsfähig im Einzelfall.
2.
Der Antrag ist auch begründet, da die Dienststelle nicht berechtigt ist, Mitglieder der Mitarbeitervertretung im Rahmen von erforderlichen Schulungen (§ 30 Abs. 2 S. 1 MVG.EKD) an den notwendigen Verpflegungskosten zu beteiligen. Die Verpflegungskosten sind in diesem Fall in voller Höhe zu übernehmen. In Bezug auf die Vorschrift nach § 30 Abs. 2 S. 1 MVG.EKD kann auf die vergleichbare Regelung nach § 40 BetrVG zurückgegriffen werden.
Bei Teilnahme an einer Schulung gehören zu den Aufwendungen, die dem Betriebsratsmitglied zu erstatten sind, nicht nur die Fahr- und Verpflegungskosten, sondern auch weitere Auslagen, soweit sie notwendig sind, um an der Schulung teilzunehmen (Richardi BetrVG/Thüsing, 16. Aufl. 2018, BetrVG § 40 Rn. Randnummer 54). Bestehen betriebliche Reisekostenregelungen, sind diese für Reisen im Rahmen der Betriebsratstätigkeit anwendbar, soweit die Betriebsratsmitglieder die entstehenden Kosten beeinflussen können (BAG 28.03.2007 – 7 ABR 33/06). Soweit die Betriebsratsmitglieder auf die entstehenden Kosten keinen Einfluss haben, sind die die Tagessätze der betrieblichen Regelung übersteigenden Kosten zu ersetzen (BAG 07.06.1984 NZA 1984, 362; ErfK/Koch, 19. Aufl. 2019, BetrVG § 40 Rn. 8).
Aus Sicht der Kammer ist zu unterscheiden, ob den Mitarbeitervertretungsmitgliedern im Rahmen ihrer individuellen arbeitsvertraglichen Tätigkeit Verpflegungskosten entstehen (nicht Gegenstand dieses Beschlusses), oder im Rahmen ihrer allgemeinen Mitarbeitervertretungstätigkeit (nicht Gegenstand dieses Beschlusses), oder ob sie im Rahmen ihrer Mitarbeitervertretungs-tätigkeit an einer externen/internen Mitarbeitervertretungsschulung teilnehmen, und hierbei Verpflegungskosten entstehen (Gegenstand dieses Beschlusses).
Der Gesetzgeber legt Wert darauf, dass Beschäftigte eine Vertretung haben, um das strukturelle Ungleichgewicht in Hinblick auf die Machtposition der Arbeitgeberseite auszugleichen. Hierzu gehört, dass die Mitglieder in rechtlichen und anderen Belangen zu schulen sind, um dieser ausgleichenden Aufgabe angemessen gerecht werden zu können. Die vollen Kosten dieser Schulungen haben, mangels eigener Rechtspersönlichkeit und mangels eigenem Vermögen der Mitarbeitervertretung, die Arbeitgeber bzw. Dienststellen zu tragen. Fallen für die Schulungen auch Fahrtkosten, Übernachtungskosten und Verpflegungskosten an, sind diese ebenfalls in voller Höhe zu ersetzen, wenn diese notwendig sind. Bei Schulungen mit Übernachtungen sind Verpflegungen üblicherweise enthalten. Auf die Kosten der Schulungen können Mitglieder der jeweiligen Vertretungen keinen Einfluss ausüben. Die Schulungen werden als Gesamtpaket angeboten. Alternativen gibt es nicht. Dies ist gerichtsbekannt.
Missbräuchliche Kosten im Rahmen von Schulungen durch Gewerkschaften sind vermeidbar, da die Kosten aufgeschlüsselt werden müssen. Nicht aufgeschlüsselte Kosten sind nicht erstattungsfähig.
Letztlich sind die Tätigkeiten im Rahmen der Mitarbeitervertretung ehrenamtliche Tätigkeiten, die von der Dienststelle nicht vergütet werden. Die Mitarbeitervertretungen haben kein Vermögen. Ihre Mitglieder auch nicht. Mitarbeitervertretungsmitglieder besuchen Veranstaltungen auch nicht im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses oder als Privatperson, sondern im Rahmen ihres Ehrenamtes in gesetzlichem Auftrag. Aus diesem Grunde dürften Regelungen des Lohnsteuerrechtes bereits rechtssystematisch ausscheiden.
Verpflegungen im Rahmen von Mitarbeitervertretungsschulungen stellen auch keine Begünstigung gegenüber anderen Beschäftigten dar – diese üben dieses Ehrenamt gerade nicht aus. Die Situationen sind nicht vergleichbar. Im Rahmen von allgemeinen Fortbildungen der Beschäftigten sind Beschäftigte und Beschäftigte, die auch Mitarbeitervertretungsmitglied sind, gleich zu behandeln. Hier gelten auch Lohnsteuerrechtliche Regelungen.
Allgemeine Tätigkeiten der Mitarbeitervertretung und hiermit im Zusammenhang stehende Kosten können durch Reisekostenregelungen o. ä. ebenfalls abweichend geregelt werden, weil hier die Kosten durch die Mitglieder steuerbar sind.
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Tiemens (Vorsitzender Richter)
Jansen (Richterin)
Mahnke (Richter)