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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:09.09.2020
Aktenzeichen:NK-MG 8 1/2020 DWSH
Rechtsgrundlage:§ 5 WahlO-MVG, § 5 SchwbVWO
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:
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Leitsatz:

Die Bekanntgabe des Wahlausschreibens ist eine maßgebliche Verfahrensvorschrift, die grundsätzlich geeignet ist, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Die Übersendung per E-Mail ist nicht ausreichend, wenn nicht alle Mitarbeitenden über ein dienstliches E-Mail-Postfach verfügen.

Tenor:

Die Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen der D 1 wird für ungültig erklärt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der Wahl einer Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen bei der Beteiligten zu 3.
Bei der Beteiligten zu 3. ist es im Mai 2020 während der COVID19-Pandemie zu der Wahl einer Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen gekommen. Durch Schreiben vom 04.05.2020 war die Wahl durch den Wahlausschuss in die Wege geleitet worden.
Eine Versammlung zur Wahl des Wahlvorstandes hat nicht stattgefunden. Die Mitarbeitervertretung der Beteiligten zu 3. hat die Wahl eingeleitet und in dieser Funktion den Wahlvorstand gestellt.
Ein Wahlausschreiben ist nicht in der Dienststelle ausgehängt bzw. per Post verschickt worden, sondern allein per E-Mail versendet worden. Nicht alle schwerbehinderten Mitarbeiter der Beteiligten zu 3. verfügen über ein dienstliches E-Mail-Postfach. Darüber hinaus sind die dem MVG-EKD zugrundeliegenden Fristen nicht vollständig eingehalten worden.
Durch Schreiben vom 18.05.2020, bei dem Kirchengericht eingegangen am 23.05.2020, haben die wahlberechtigten Mitarbeiter Frau R, Frau B und Herr M die Anfechtung der laufenden Wahl erklärt.
Das Wahlergebnis ist am 26.05.2020 bekanntgegeben worden. Der Beteiligte zu 2. ist als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen gewählt worden.
Die Beteiligten haben der Entscheidung durch den Vorsitzenden ohne die Kammer und ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

II.

Der Antrag der Beteiligten zu 1. ist zulässig und begründet.
1. Der Antrag ist nach Auslegung zulässig und richtet sich auf die Anfechtung der Wahl der Vertrauensperson mit dem Ziel der Feststellung der Unwirksamkeit der Wahl als Ganzes.
Die Wahl ist von einer ausreichenden Zahl Wahlberechtigten schwerbehinderter Menschen angefochten worden, nämlich drei Wahlberechtigten, § 177 Abs. 6 Satz 2 SGB IX, § 14 Abs. 1 MVG-EKD.
Die Wahl ist auch rechtzeitig, d. h. binnen 2 Wochen nach der Bekanntgabe des endgültigen Wahlergebnisses vom 26.05.2020 bei dem Kirchengericht eingegangen. Das Anstrengen der Wahlanfechtung bereits einige Tage vor Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist dabei unschädlich.
2. Der Antrag ist auch inhaltlich begründet. Die Wahl ist nicht wirksam durchgeführt worden. Sie ist daher für unwirksam zu erklären.
a. Die Wahlordnung Mitarbeitervertretungsgesetz (WahlO-MVG 4.12.1) lautet auszugsweise:
„§ 5 Wahltermin und Wahlausschreiben
(1) Der Wahlvorstand setzt den Termin für die Wahl der Mitarbeitervertretung fest. Der Termin darf nicht später als 3 Monate nach der Bildung des Wahlvorstandes liegen. Der Wahlvorstand erlässt spätestens 5 Wochen vor dem Wahltag ein Wahlausschreiben, das in der Dienststelle zur Einsicht ausgehängt oder den Wahlberechtigten in anderer geeigneter Weise bekannt gegeben wird. Auswärtig Beschäftigte, die nicht zum Zeitpunkt der Wahlhandlung in der Dienststelle beschäftigt sind, erhalten das Wahlausschreiben durch Zusendung (…).“
§ 5 Abs. 2 SchwbVWO fordert, dass das Ausschreiben bis zur Wahl auszuhängen und gut lesbar zu erhalten ist. Der Wahlvorstand muss den Aushang und seinen Zustand daher ggf. regelmäßig kontrollieren. Hierbei handelt es sich um eine wesentliche Verfahrensnorm, deren Missachtung grundsätzlich geeignet ist, das Wahlergebnis zu beeinflussen (Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 26.01.2016 – 12 TaBV 60/15 –, juris).
b. Dies zugrunde gelegt erweist sich die Wahl wegen Verstoßes gegen wesentliche Verfahrensnormen als unwirksam.
Es fehlt zunächst an dem Aushang des Wahlschreibens. Hierbei handelt es sich auch um eine wesentliche Verfahrensnorm, die geeignet ist, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Durch diese Art der Bekanntmachung sollen die Wahlberechtigten von der Wahl und ihrer Mitwirkungsmöglichkeit verlässlich informiert werden. Dies gilt auch in der besonderen Zeit der COVID19-Pandemie.
Daher ist vorliegend festzustellen, dass der Aushang des Wahlausschreibens - als wesentliche Verfahrensnorm - nicht hinreichend bei der Durchführung einer ordnungsgemäßen Wahl beachtet worden ist. Es ist nicht ausgehängt worden.
Das Wahlausschreiben ist aber auch nicht in anderer Art und Weise nach § 5 Abs. 1 WahlO-MVG bekannt gemacht worden. Die Übersendung per E-Mail ist bereits deshalb nicht ausreichend, weil nicht alle Mitarbeiter über ein dienstliches E-Mail-Postfach verfügen und daher das Wahlausschreiben auch nicht in anderer geeigneter Weise zur Kenntnis gebracht werden konnte. Die Erreichbarkeit der wahlberechtigten Mitarbeiter war durch diese Art der Übermittlung nicht gesichert.
Da es sich bei der Bekanntgabe des Wahlausschreibens um eine maßgebliche Verfahrensvorschrift handelt, die grundsätzlich geeignet ist, das Wahlergebnis zu beeinflussen, war dieser Verstoß erheblich und führt zu der Feststellung, dass der Antrag insgesamt begründet ist. Dieser ist klarstellend wie aus dem Tenor ersichtlich gefasst worden.
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Homuth (Vorsitzender Richter)