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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:25.05.2021
Aktenzeichen:NK-MG 4 2/2020 DWMV
Rechtsgrundlage:§§ 152, 168 SGB IX
Vorinstanzen:nachfolgend: Kirchengerichtshof der EKD: KGH.EKD I-0124/37-2021
Schlagworte:
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Leitsatz:

Die Mitarbeitervertretung ist nicht berechtigt, ihre Zustimmung zu einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung aus dem Grund zu versagen, dass die Kündigung eines Mitarbeitenden ohne Beteiligung des Integrationsamtes (§ 168 SGB IX) erfolgte, wenn lediglich ein Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderung gestellt wurde und dieser dem Arbeitgeber nicht bekannt war.

Tenor:

Es wird festgestellt, dass ein Grund für die Verweigerung der Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Mitarbeiterin Frau M nicht bestanden hat.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Mitarbeitervertretung zur Verweigerung ihrer Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung einer Arbeitnehmerin berechtigt ist.
Mit Schreiben vom 26.08.2020 hat die Arbeitgeberin die bei ihr gebildete Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung der Mitarbeiterin Frau M angehört und die Zustimmung beantragt. Zur Begründung hat die Arbeitgeberin ausgeführt, dass die Mitarbeiterin M trotz mehrfacher Abmahnungen beharrlich gegen Pflichten aus dem Dienstvertrag verstoßen habe. Zuletzt habe es am 03.08.2020 ein weiteres Fehlverhalten gegeben. An diesem Tag habe die Mitarbeiterin M eine ausdrückliche Weisung dazu, wo und wie sie ihren Dienst vorzunehmen habe, missachtet. Hinsichtlich der Einzelheiten des Anhörungsschreibens und des Antrags auf Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung wird auf das Schreiben der Arbeitgeberin vom 26.08.2020 nebst beigefügten Anlagen an die Mitarbeitervertretung verwiesen.
Mit Schreiben vom 04.09.2020 hat die Mitarbeitervertretung mitgeteilt, der beabsichtigten Kündigung nicht zuzustimmen. Zur Begründung hat sie darauf abgestellt, dass die Mitarbeiterin M einen Antrag auf Feststellung des Vorliegens einer Schwerbehinderung nach § 152 SGB IX gestellt habe und demnach bis zum endgültigen Bescheid durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales als schwerbehindert gelte.
Der Umstand, dass Frau M einen Antrag nach § 152 SGB IX gestellt hatte, war der Arbeitgeberin nicht bekannt.
Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, dass die Mitarbeitervertretung die beantragte Zustimmung zu Unrecht verweigert habe. Außerdem gelte die Zustimmung als erteilt, da es sich um eine nicht oder nicht ausreichend begründete Ablehnung gehandelt habe, die rechtsunwirksam sei.
Die Arbeitgeberin beantragt,
Die von der Mitarbeitervertretung verweigerte Zustimmung zur ordentlichen Kündigung der Mitarbeiterin Frau M zu ersetzen;
hilfsweise:
Festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung der Mitarbeiterin M vorlag.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Mitarbeitervertretung ist der Auffassung, dass ihre Zustimmungsverweigerung ausreichend begründet sei. Das Zustimmungsverweigerungsrecht beruhe darauf, dass die Mitarbeiterin M bereits mit Stellung des Antrages auf Anerkennung einer Schwerbehinderung geschützt sei. Außerdem habe die Arbeitgeberin versäumt, gleichzeitig mit dem Antrag an die Mitarbeitervertretung auch das zuständige Integrationsamt und die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen. Dieses führe zur Unwirksamkeit der beabsichtigten Kündigung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Weiter wird Bezug genommen auf das Protokoll des Einigungsgespräches vom 06.11.2020.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Kirchengerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II.

Der zulässige Antrag der Arbeitgeberin ist begründet. Der angekündigte Antrag ist dahingehend auszulegen, dass eine Prüfung und Feststellung im Sinne des § 60 Abs. 5 MVG-EKD begehrt wird.
Nach § 60 Abs. 5 MVG-EKD ist festzustellen, dass für die Mitarbeitervertretung kein Grund zur Verweigerung der Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Frau M vorliegt.
1.
Es handelt sich im Sinne von § 60 Abs. 5 MVG-EKD um einen Fall, der der eingeschränkten Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung unterliegt, wie sich aus § 42 b MVG-EKD ergibt. Danach hat die Mitarbeitervertretung bei einer ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht.
2.
Die Mitarbeitervertretung durfte die beantragte Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung nicht verweigern.
Bei einer ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit darf die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung nur verweigern, wenn die Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift, eine arbeitsrechtliche Regelung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige Entscheidung verstößt (§ 41 Abs. 2 MVG-EKD). Dieses ist vorliegend nicht der Fall.
a)
Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin kann hier allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung als erteilt gilt.
Da die Zustimmung zur Kündigung nur verweigert werden darf, wenn die Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift, eine arbeitsrechtliche Regelung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung verstößt, muss die Begründung sich hierauf beziehen.
Dabei muss die Begründung es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass ein Mitbestimmungstatbestand gegeben ist. Eine Begründung, die offensichtlich außerhalb irgendeines Mitbestimmungstatbestandes liegt, ist unbeachtlich (vgl. KGH.EKD, Beschluss vom 07.04.2008, I-0124/N80-07).
Dieses zu Grunde gelegt ist hier von einer ausreichenden Begründung der Zustimmungsverweigerung auszugehen. Aus der Zustimmungsverweigerung ist ersichtlich, dass die Mitarbeitervertretung auf den Unwirksamkeitsgrund des § 168 SGB IX abstellt, wonach die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf.
Ob die diesbezügliche Rechtsauffassung der Mitarbeitervertretung richtig ist, spielt für die Frage der ausreichenden Begründung der Zustimmungsverweigerung zunächst keine Rolle.
Letztlich kann diese Frage dahinstehen, da die Mitarbeitervertretung die Zustimmung nicht verweigern durfte.
b)
Die beabsichtigte Kündigung verstößt nicht gegen Rechtsvorschriften, insbesondere nicht gegen § 168 SGB IX.
Wie die Arbeitgeberin unstreitig vorgetragen hat, hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales M-V mit Bescheid vom 11.12.2020 einen Grad der Behinderung von 30 festgestellt. Frau M unterfällt daher nicht dem Schutz des § 168 SGB IX, da bei ihr kein Grad der Behinderung von 50 vorliegt (§ 2 Abs. 2 SGB IX) und sie auch nicht gleichgestellt im Sinne des § 168 SGB IX ist.
Da die Arbeitgeberin keine Kenntnis von einer Schwerbehinderung hatte, bestand auch keine Veranlassung, die Schwerbehindertenvertretung oder das Integrationsamt zu beteiligen.
Auch der Umstand, dass die Mitarbeiterin M zum Zeitpunkt der Beteiligung der Mitarbeitervertretung einen Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft gestellt hatte, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Entgegen der Ansicht der Mitarbeitervertretung steht der Kündigungsschutz nicht bereits ab Antragstellung zur Verfügung. Dieses lässt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der bisherigen Rechtsprechung herleiten.
Die weiteren im Kirchengerichtsverfahren herangezogenen Argumente, sind ebenfalls nicht geeignet, die Zustimmungsverweigerung zu rechtfertigen.
Zum einen sind diese zusätzlichen Gesichtspunkte nicht zur Begründung der Zustimmungsverweigerung herangezogen worden.
Zum anderen vermögen sie diese nicht zu rechtfertigen. Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Rechtsprechung lässt sich eine Verpflichtung der Arbeitgeberin herleiten, die Mitarbeitervertretung, die Schwerbehindertenvertretung und das Integrationsamt zeitgleich oder die Schwerbehinderten-vertretung als Erste zu beteiligen (vgl. BAG, Urteil vom 13.12.2018 – 2 AZR 378/18 Rn. 19). Der Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Unterrichtung nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach Satz 3 (Schaub ArbR-HdB/Koch § 180 Rn. 14).
3.
Für dieses Verfahren werden Kosten nicht erhoben (§ 61 Abs. 9 Satz 1 MVG-EKD). Für die Übernahme der außergerichtlichen Kosten, die zur Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendig waren, findet § 30 MVG-EKD Anwendung (§ 61 Abs. 9 Satz 2 MVG-EKD).
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Eckhardt
Glüer
Kupke