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Kirchengericht: | Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland |
Entscheidungsform: | Urteil (rechtskräftig) |
Datum: | 22.03.2021 |
Aktenzeichen: | NK-VG I 5/2019 |
Rechtsgrundlage: | § 8 Abs. 1 DWVO |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: |
Leitsatz:
1. Ein Verbot der rückwirkenden Festsetzung der Dienstwohnungsvergütung lässt sich dem Recht der Dienstwohnungsvergütung nicht entnehmen.
2. Soweit keine spezifische Regelung vorgesehen ist, sind für die Ermittlung der Höhe des örtlichen Mietwerts der örtliche Mietspiegel oder Vergleichswohnungen aus der gesamten Gemeinde heranzuziehen.
3. Zur Ermittlung einer hinreichend breiten Grundlage von Vergleichsmieten einer relativ kleinen Stadt ist es nachvollziehbar, dass dafür auch auf Mietpreise aus in wenigen Vorjahren vor dem für die Begutachtung maßgeblichen Stichtag begründeten Mietverhältnissen zurückgegriffen werden konnte.
Tenor:
Die Bescheide der Beklagten vom 9. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kirchenkreisrats des Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises vom 1. Oktober 2019 werden aufgehoben, soweit sie eine Dienstwohnungsvergütung von mehr als 616,31 € festsetzen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 46 % und die Beklagte zu 54 %.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Festsetzung der Vergütung für die Dienstwohnung des Klägers ab dem 1. Januar 2019.
Der Kläger ist seit dem 15. November 2015 Pastor in der beklagten Gemeinde. Ihm wurde mit Wirkung vom selben Tage eine im Kirchengebäude gelegene Dienstwohnung mit einer Größe von 150,32 m² zugewiesen. Der Mietwert und die Dienstwohnungsvergütung für diese Wohnung wurden zunächst von dem bis 2019 hierfür zuständigen Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland festgesetzt. Diese Festsetzung war Gegenstand des mit einem Vergleich der dortigen Beteiligten beendeten kirchengerichtlichen Verfahrens NK-VG I 8/2017.
Mit Bescheiden des Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises X vom 9. Juli 2019 setzte die Beklagte die Dienstwohnungsvergütung zum 1. Januar 2019 und zum 1. April 2019 auf 721,54 € fest; dies entsprach der bisherigen Höhe der Dienstwohnungsvergütung. Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies der Kirchenkreisrat mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 2019 – dem Kläger zugestellt am 7. November 2019 – zurück.
Seine hiergegen erhobene Klage begründet der Kläger wie folgt:
Die Ausgangsbescheide der Beklagten widersprächen sich, da sie zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten eine neue Festsetzung der Dienstwohnungsvergütung vornähmen. Sie setzten diese überdies unzulässigerweise rückwirkend fest. Die Festsetzung stütze sich auf einen zu hoch veranschlagten örtlichen Mietwert. Es bleibe unklar, welche Parameter ihr zugrunde lägen. Ein aus der Festsetzung zu errechnender Mietzins von 4,80 € pro Quadratmeter ließe sich für die Wohnung auf dem Wohnungsmarkt nicht erzielen, da sie mehrere Nachteile aufweise. Sie verfüge weder über eine vermieterseitig gestellte Einbauküche noch über einen Balkon oder eine Terrasse, Abstellmöglichkeiten oder Nebenräume oder einen intakten Medienanschluss. Ihre Energiebilanz sei schlecht. Sie sei hellhörig; die aus dem Erdgeschoss, dem Treppenhaus und der Kirche in die Wohnung dringenden Geräusche schränkten die Wohnqualität ein. Der Kläger müsse die Treppenhausreinigung und Hausmeistertätigkeiten übernehmen. Die Wohnung sei vor ihrem Bezug durch den Kläger nicht aufwändig saniert worden. Zusätzlich zur Dienstwohnungsvergütung müsse der Kläger eine monatliche Renovierungspauschale entrichten. Die Lage der Wohnung im Kirchengebäude ermögliche einem Pastor kaum Abstand zu dienstlichen Belangen. Nach der Überzeugung des Klägers liege der örtliche Mietwert nicht über 3,50 € pro Quadratmeter, was einer Dienstwohnungsvergütung von 526,12 € entspräche. Bei der Festsetzung der Dienstwohnungsvergütung müsse auch die seit 2014 in Gang gesetzte Neuermittlung des steuerlichen Mietwerts in den Blick genommen werden.
Der Kläger beantragt,
- die Bescheide der Beklagten vom 9. Juli 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 2019 aufzuheben, soweit die Dienstwohnungsvergütung für den Kläger ab dem 1. Januar 2019 über 526,12 € hinaus festgesetzt wurde.
- die Klage abzuweisen.
Mit Beweisbeschluss vom 31. März 2020 hat die Kammer im Verfahren NK-VG I 8/2017 ein Sachverständigengutachten des von der IHK zu Y öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Herrn S aus H über die Höhe des örtlichen Mietwertes für die Dienstwohnung des Klägers zum Stichtag 15. November 2015 eingeholt. Der Gutachter ist vom Kläger vorgeschlagen worden; die Beklagte hat keine Einwände gegen seine Bestellung erhoben und angeregt, von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum vorliegenden Verfahren abzusehen, da ein solches aufgrund desselben Begutachtungsgegenstandes zum gleichen Ergebnis führen müsse.
Mit Schreiben vom 6. Juli 2020 hat der Sachverständige sein Gutachten vom 17. Mai 2020 übersandt. Es kommt auf der Grundlage einer Ortsbesichtigung, der Auswertung der Mietpreissammlung des Gutachters mit 18 Vergleichsmieten von Objekten in H und von Inseraten zu dem Ergebnis, der ortsübliche Mietwert der Wohnung des Klägers habe zum Stichtag 15. November 2015 rund 4,10 € pro Quadratmeter (Netto-Kaltmiete) betragen. Die ca. 2007 denkmalgerecht sanierte Wohnung habe eine deutlich überdurchschnittliche Wohnfläche. Sie befinde sich in einem normalen Renovierungszustand und ihre Ausstattung sei weitgehend durchschnittlich. Den normalen Gebrauch der Wohnung erheblich einschränkende Mängel und Schäden seien nicht festgestellt worden. Die unterdurchschnittliche Beschaffenheit des Mietobjekts werde durch den überdurchschnittlichen Wohnwert der zentralen und dennoch relativ ruhigen Mikrolage ausgeglichen. Es sei eine Vergleichsmiete von 4,12 €/m² ermittelt worden.
Die Beteiligten sind zu dem Gutachten angehört worden. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte gegen das Gutachten eingewendet, es berücksichtige Vergleichsmieten aus den Jahren 2011 bis 2014, die für den zu begutachtenden Stichtag im Jahr 2015 keine Aussagekraft hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten eingereichten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich als rechtswidrig, soweit sie eine Dienstwohnungsvergütung von mehr als 616,31 € festsetzen.
1. Die Bescheide sind formell rechtmäßig. Die Kirchengemeinde ist als Dienstwohnungsgeberin nach § 8 Abs. 2 Satz 1 der DWVO der Nordkirche seit dem 1. Januar 2019 für die Festsetzung der Höhe der Dienstwohnungsvergütung zuständig. Die Ausgangsbescheide hat für sie zulässigerweise der Kirchenkreis X erlassen, der nach § 1 Abs. 1 i. V. m. Ziff. 4.7.4 der Anlage zu § 2 Abs. 2 Satz 1 des Kirchengesetzes über die Organisation der Verwaltung in den Kirchenkreisen (Kirchenkreisverwaltungsgesetz - KKVwG) vom 15. November 2016 (KABl. S. 399) die Pflichtleistung der Festsetzung der Dienstwohnungsvergütung für die Kirchengemeinde durchführt. Diese bleibt Trägerin der ihr zugewiesenen Verwaltungsaufgabe. Der Kirchenkreisrat war gemäß § 46 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrens- und Zustellungsgesetzes der EKD, welches nach dem entsprechenden Zustimmungsgesetz der Nordkirche vom 7. September 2012 (KABl. S. 202) für die Nordkirche gilt, für den Erlass des Widerspruchsbescheides zuständig.
2. Die Bescheide sind nicht wegen eines Verbotes der rückwirkenden Festsetzung der Dienstwohnungsvergütung materiell rechtswidrig, wie der Kläger meint. Ein solches Verbot lässt sich dem Recht der Dienstwohnungsvergütung nicht entnehmen. Die festzusetzende Dienstwohnungsvergütung ist für die gleichen Zeitabschnitte zu entrichten, für welche die Dienstbezüge gewährt werden. Ihre Einbehaltung beginnt mit dem Tag der Zuweisung der Dienstwohnung und endet mit Ablauf des Tags, an dem die Zuweisung endet (vgl. § 10 Abs. 1 DWVO der Nordkirche). Der Verwaltungsakt, mit dem die Leistungspflicht des Dienstwohnungsinhabers gegenüber dem Dienstherrn begründet und der Höhe nach konkretisiert wird, ist unmittelbarer Rechtsgrund für die Einbehaltung der Dienstbezüge in Höhe der jeweils festgesetzten Dienstwohnungsvergütung (vgl. für eine staatliche Festsetzung der Dienstwohnungsvergütung BVerwG, Urteil vom 21. September 2000 - 2 C 5.99 - juris Rn. 48, 49). Deshalb bestehen keine Bedenken gegen die teilweise rückwirkend erfolgte Festsetzung durch die Beklagte.
3. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestehen auch nicht wegen der mit Bescheiden vom selben Tage erfolgten Festsetzung zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten. Die Festsetzung zum 1. Januar 2019 hatte die Beklagte wegen ihrer durch die Dienstwohnungsverordnung der Nordkirche neu begründeten Zuständigkeit hierfür vorzunehmen. Die weitere Festsetzung zum 1. April 2019 in gleicher Höhe wie zuvor war nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten wegen einer geänderten Höhe der Bezüge des Klägers im Hinblick auf die höchste Dienstwohnungsvergütung nach § 9 Abs. 1 DWVO der Nordkirche (welche nach § 28 Abs. 2 dieser Verordnung auf alle Dienstwohnungsverhältnisse anzuwenden ist) zu treffen.
4. Die Festsetzung der Dienstwohnungsvergütung ist jedoch nur in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe rechtmäßig.
Nach § 8 Abs. 1 DWVO der Nordkirche ist die Dienstwohnungsvergütung in Höhe des Mietwerts nach § 7 der Verordnung festzusetzen, sofern sich aus § 9 der Verordnung nichts anderes ergibt. Letzteres ist beim Kläger nicht der Fall, weil die von der Beklagten festgesetzte Dienstwohnungsvergütung die für ihn zu errechnende höchste Dienstwohnungsvergütung nach § 9 DWVO der Nordkirche unstreitig unterschreitet. Die Ermittlung des Mietwertes der Dienstwohnung richtet sich gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 DWVO der Nordkirche auch für den Zeitraum seit dem 1. Januar 2019 weiterhin nach der Verordnung über die Dienstwohnung in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche X vom 3. Juli 1999 (DWVO X, KABl. S. 47, zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. Juni 2005, KABl. S. 56). Nach § 5 Abs. 2 DWVO X bemisst sich die Dienstwohnungsvergütung nach dem örtlichen Mietwert. Nähere Vorgaben zu dessen Ermittlung enthält die Verordnung nicht; sie beschränkt sich darauf, eine Überprüfung des Mietwerts bei jeder Neuzuweisung der Dienstwohnung sowie alle drei Jahre anzuordnen.
In Ermangelung spezifischer Regelungen ist für die Ermittlung der Höhe des örtlichen Mietwerts auf die in der Rechtsprechung der Zivil-, Finanz- und Verwaltungsgerichte entwickelten rechtlichen Maßstäbe zurückzugreifen. Danach sind für seine Ermittlung der örtliche Mietspiegel, Vergleichswohnungen aus der gesamten Gemeinde, ggf. auch Befragungen von Vermietern heranzuziehen und erforderlichenfalls Zu- und Abschläge wegen besonderer Eigenheiten der betreffenden Wohnung zu vergeben (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Juli 2013 - VIII ZR 354/12, BGHZ 197, 366 ff., juris Rn. 20 ff.; BFH, Urteil vom 11. Mai 2011 - VI R 65/09 -, BFHE 234, 20 ff, juris Rn. 16; OVG NRW Urteil vom 25. Juli 2002 - 1 A 785/00 -, juris Rn. 6 ff.; FG SH, Urteil vom 10. Juli 2001 - V 294/99, juris Rn. 12 ff. sowie Hinz, JR 2015, 73 ff.).
Diesem Maßstab folgt auch das im durch Vergleich der Beteiligten erledigten Parallelverfahren des Klägers NK-VG I 8/2017 eingeholte Sachverständigengutachten. Es berücksichtigt eine erhebliche Anzahl von Vergleichsmieten und würdigt eingehend die vom Gutachter festgestellten Merkmale der Wohnung bezüglich ihrer Ausstattung, des Renovierungszustandes, der erheblichen Wohnfläche und der besonderen Lage im Kirchengebäude. Ein Mietspiegel besteht für H nicht. Der Sachverständige hat sein Ergebnis eines örtlichen Mietwertes von 4,10 € pro Quadratmeter nachvollziehbar, schlüssig und überzeugend begründet. Dass er eine Bandbreite von Vergleichsmieten aus dem Zeitraum von 2011 bis 2015 herangezogen hat, stellt das Ergebnis seines Gutachtens nicht in Frage. Um der Kammer eine aussagekräftige Grundlage für ihre tatsachengerichtliche Bewertung zu bieten, musste das Gutachten eine hinreichend breite Grundlage von Vergleichsmieten in H, einer relativ kleinen Stadt mit ca. XX.000 Einwohnern, auswerten. Anders als in einer Großstadt mit einer ungleich größeren Zahl von jährlichen Mietvertragsabschlüssen ist nachvollziehbar, dass dafür auch auf Mietpreise aus in wenigen Vorjahren vor dem für die Begutachtung maßgeblichen Stichtag begründeten Mietverhältnissen zurückgegriffen werden konnte.
Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass das Sachverständigengutachten auch für den im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Zeitpunkt der Festsetzung der Dienstwohnungsvergütung im Jahr 2019 eine tragfähige Grundlage für die Bemessung des örtlichen Mietwerts der Dienstwohnung des Klägers bietet. Umstände, die einer Übertragung des Ergebnisses des Gutachtens auf diesen späteren Zeitpunkt entgegenstünden, haben die Beteiligten nicht vorgetragen und sind für das Gericht nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Beklagte davon ausgegangen, dass auf eine eigenständige Begutachtung für den Zeitraum 2019 verzichtet werden und stattdessen auch im vorliegenden Verfahren das im Parallelverfahren einzuholende Sachverständigengutachten in die Bewertung einbezogen werden konnte. Aus dem Ergebnis des Gutachtens errechnet sich ein örtlicher Mietwert von 616,31 €.
Soweit die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, dass der steuerliche Mietwert für die Dienstwohnung zwischenzeitlich in geringerer Höhe festgesetzt wurde, sind sie davon ausgegangen, dass dafür andere Berechnungsparameter maßgeblich waren als für die Ermittlung des örtlichen Mietwerts im Rahmen der Berechnung der Dienstwohnungsvergütung, und dass beide Festsetzungen nicht zwingend in gleicher Höhe zu erfolgen haben. Für die Kammer hat sich aus dem mündlichen Vortrag der Beteiligten zur Festsetzung des steuerlichen Mietwerts kein Gesichtspunkt ergeben, der das tragfähige Ergebnis des gerichtlichen Sachverständigengutachtens in Frage stellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 9 VerfVwGG i. V. m. § 60 Abs. 2 VwGG.EKD, § 22 Abs. 1 KiGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Zulassungsgründe nach § 8 Abs. 2 Satz 1 VerfVwGG vorliegt.
gez. Dr. Kuhl-Dominik | |
(Präsident und Vorsitzender Richter) |
gez. Dr. Rublack | |
(Rechtskundige Richterin) |
gez. Dr. Godendorff | |
(Rechtskundige Richterin) |
gez. Dr. Dübbers | |
(Ordinierter Richter) |
gez. Dr. Pfaff | |
(Nichtordinierter Richter) |