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Erläuterungen
zu Artikel 11 der Verfassung

Stand: Juli 2024

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Artikel 11
Gleichstellung von Frauen und Männern

Die Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Kirche ist durch die Taufe in Jesus Christus gegeben. Dieses wird sichtbar in der gleichberechtigten Teilhabe an Ämtern, Diensten und Aufgaben. Unterschiedliche Lebenssituationen von Frauen und Männern sollen berücksichtigt und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht werden.
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Grundinformationen

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I. Textgeschichte

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1. Veränderungen

Die Vorschrift ist seit dem Inkrafttreten unverändert.
Die Landessynode hatte auf ihrer Tagung am 24. bis 26. Februar 2022 über einen ersten Entwurf eines „Kirchengesetzes zur Berücksichtigung der Geschlechtervielfalt in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland“ beraten (TOP 3.1). Dieser Entwurf sah neben Änderungen des Geschlechtergerechtigkeitsgesetzes auch eine Änderung der Verfassung vor, mit der eine Erweiterung der Artikel 6 und 11 um „Menschen jeden Geschlechts“ (statt „Frauen und Männer“) erfolgen sollte. Die Landessynode stimmte dem Kirchengesetz in erster Lesung zu. Das Kirchengesetz fand in der zweiten Lesung aber nicht die für Änderungen der Verfassung erforderliche Mehrheit.
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2. Textentwicklung

Im Verfassungsentwurf zur 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode sah Artikel 12 eine Regelung zur Gleichstellung von Frauen und Männern vor:
„Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland setzt sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern im Leben der Kirche und der Welt ein.“
(1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 11)
Zur 2. Tagung der Verfassunggebenden Synode hatte Artikel 11 seine aktuelle Fassung (Drucksache 3/II, Seite 12).
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3. Erläuterungen zum Entwurf der Verfassung

„Hinterfragt wird die Regelung der Gleichstellung von Frauen und Männern in Artikel 12 wegen der Einordnung in den Abschnitt Kirchenmitgliedschaft und wegen der nicht eindeutig erkennbaren Regelungsabsicht. Die Gleichstellung im Leben der Kirche könnte sich auf die Vertretung in den kirchlichen Gremien (Artikel 7) oder auf den Zugang zu kirchlichen Ämtern beziehen. Artikel 7 Absatz 6 enthält eine Zielvorgabe für die Besetzung von kirchlichen Gremien als eine Konkretisierung dieses verfassungsrechtlichen Grundsatzes. Die Gleichstellung in der Welt steht dem Eintreten für die in der Gottesebenbildlichkeit gründenden Menschenwürde und der Achtung der Menschenrechte in der Welt (Artikel 2 Absatz 5) näher.“
(1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 74)
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4. Weitere Materialien (insbesondere des Verbandes)

Der Fusionsvertrag sah vor, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen verfassungsrechtlich gewährleistet wird.
Der Textvorschlag Rausch sah im September 2009 folgende Formulierung vor:
„Die Gemeinschaft von Männern und Frauen in der Kirche ist durch die Taufe in Jesus Christus gegeben. Diese Gemeinschaft gilt es, im Leben der Kirche wirksam und erfahrbar werden zu lassen.“
Der Textentwurf von Prof. Dr. Unruh war im Mai 2010 wie folgt formuliert:
„Durch die Taufe in Jesus Christus sind Frauen und Männer gleichwertige Glieder der Kirche. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland setzt sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern im Leben der Kirche und der Welt ein.“
Die AG Verfassung befasste sich am 4. und 5. Juni 2010 mit dem damaligen Artikel 12, der ausführlich diskutiert wurde. Die Gleichwertigkeit durch die Taufe betreffe nicht nur Männer und Frauen, sondern auch weitere unterschiedliche Merkmale der Menschen. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Anschein erweckt würde, als wären ungetaufte Frauen und Männer nicht gleichwertig. Ein Antrag auf Streichung des Satzes 1 wurde angenommen, der alternative Antrag auf Beibehaltung des ursprünglichen Textes wurde abgelehnt.
Die AG Theologie warf zum damaligen Artikel 12 im Juli 2010 mehrere Fragen auf: Es war ihr nicht klar, worum es in dem Artikel eigentlich ginge und was inhaltlich ausgedrückt werden sollte. Stellung innerhalb der Verfassung und Wortlaut ergäben gemeinsam keinen Sinn. Es sei zu überlegen, welche Veränderung des Sinnes sich ergäbe, wenn Artikel 12 zu einem neuen Absatz des Artikels 2 mache, wo wer wegen der Nähe zur Regelung der Menschenrechte vielleicht gut platziert wäre. Außerdem wurde die Überlegung geäußert, die Gleichstellung einmal grundsätzlich „im Blick auf seine theologisch-ethische Dimension für alle Menschen“ und einmal hinsichtlich der Besetzung kirchlicher Gremien zu regeln.
Die Steuerungsgruppe beschloss am 3. September 2010 folgende Fassung des damaligen Artikels 12: „Die Nordkirche setzt sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern im Leben der Kirche und der Welt ein.“ Die Gemeinsame Kirchenleitung beschloss diese Fassung am 17. September 2010.
Im Rahmen der Verfassunggebenden Synode wurden folgende Anträge gestellt:
Antrag 57/1 lautete, dass Artikel 12 wie folgt geändert werden solle: „Die Ev.-Luth. Kirche im Norden setzt die Gleichstellung von Frauen und Männern im Leben der Kirche und der Welt um.“ Mit Antrag 79 wurde gefordert, dass das Wort „rechtliche“ vor „Gleichstellung“ eingefügt werden solle.
Der Artikel 12 sollte von einem neuen Satz 1 eingeleitet werden, der wie folgt lautete: „Die Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Kirche ist durch die Taufe in Jesus Christus gegeben.“, so Antrag 93. Die theologische Implikation durch den Taufbezug unterstreiche und verdeutliche das Gewicht, das die künftige Kirche im Norden der Gleichstellung von Frauen und Männern gebe.
Auch die NEK schlug in ihrer Stellungnahme einen derartigen Satz 1 vor.
Die PEK regte in ihrer Stellungnahme eine neue Fassung des damaligen Artikels 12 an:
(1) Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland fördert die Gleichstellung von Frauen und Männern.
(2) Das Nähere regelt ein Kirchengesetz.
Diese Fassung war angelehnt an Artikel 13 der Verfassung Mecklenburg-Vorpommerns, durch die Öffnungsklausel werde ein Gleichstellungsgesetz ermöglicht.
Helmut Wolf, der ehemalige Vizepräsident des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, fand die Vorschrift viel zu schwach gefasst; ein Einsetzen für die Gleichberechtigung reiche nicht aus, die Gleichberechtigung müsse Fakt sein und die Kirche dürfe insoweit nicht hinter den staatlichen Regelungen zurückbleiben. In Anlehnung an Art. 3 GG schlug er folgende Formulierung vor: „Männer und Frauen sind in der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Norden gleichberechtigt. Die Kirche fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Gegebenenfalls könne angefügt werden, dass sich die Kirche für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Welt einsetze.
Der Rechtsausschuss befasste sich in seiner Sitzung vom 11. und 12. März 2011 mit Antrag 57/1, 79 und 93. Es wurde kritisch hinterfragt, ob dieses Thema überhaupt in den Abschnitt 3 zur Kirchenmitgliedschaft gehöre. Es herrschte zwar Einigkeit darüber, dass dieses Thema zum allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gehöre, nur der systematisch richtige Ort in der Kirchenverfassung war fraglich. Das Ergebnis des Arbeitsauftrags an Herrn Mahlburg, der diesen Themenbereich zum Gleichheitssatz, Diskriminierungsverbot, zur Generationengerechtigkeit, zu Frauen und Männern sowie zur alters- und zeitgerechten Beteiligung zusammen bearbeiten soll, wurde am 18. und 19. März im Rechtsausschuss besprochen. Nach ausführlicher Diskussion, insbesondere zum Punkt „allen kirchlichen Handelns“ und der Frage, wer eigentlich für die Kirche spreche, wird basierend auf Mahlburgs Entwurf folgende Fassung – allerdings für einen komplett neuen Artikel, eventuell Artikel 5a – beschlossen:
(1) Alles kirchliche Handeln ist an das kirchliche Recht gebunden.
(2) Alle Menschen sind vor dem kirchlichen Recht gleich. Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Herkunft, seiner Behinderung und seines Alters in unverhältnismäßiger Art und Weise benachteiligt und bevorzugt werden.
(3) Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland tritt für die Gleichstellung von Frauen und Männern im Leben der Kirche und in der Welt ein.
Als Folgeänderungen müssten dann Artikel 12 und Artikel 11 Absatz 2 entfallen. Der optimale Standort in der Verfassung wurde an dieser Stelle erneut thematisiert.
Veronika Surau-Ott wandte sich am 11. Mai 2010 mit dem Gedanken an den Theologischen Ausschuss, dass die Formulierung in Artikel 12 theologisch unzutreffend sei: In der Kirche Jesu Christi seien Frauen und Männer gleichwertig und gleichberechtigt, die Kirche müsse dies nur sichtbar umsetzen. Aktuell gäbe es mehr Frauen bei den Ehrenamtlichen und auch bei den Theologiestudierenden und im Vikariat, wobei die Leitung mehrheitlich in den Händen von Männern läge. Es wurde folgende Fassung vorgeschlagen:
(1) Durch die Taufe in Jesus Christus ist die gleichwertige Gemeinschaft von Frauen und Männern gegeben.
(2) Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland setzt die Gleichstellung von Frauen und Männern als gleichberechtigte Kirchenmitglieder im Leben der Kirche um.
(3) Dies wird im Leben der Kirche sichtbar in der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Ämtern, Diensten und Aufgaben. Unterschiedliche Lebenssituationen von Frauen und Männern sollen berücksichtigt, Diskriminierungen verhindert und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer und Frauen verbessert werden.
(4) Das Nähere wird durch ein Kirchengesetz geregelt.
In der Sitzung des Theologischen Ausschusses vom 13. Mai 2011 wurden zahlreiche Formulierungen diskutiert, um die theologisch korrekte Fassung zu finden, die alle Aspekte berücksichtigt; mit Stand vom 16. Juni 2011 wurde auf der Basis der eben genannten Formulierung folgende Fassung vorgeschlagen:
(1) Durch die Taufe ist die Gemeinschaft in Jesus Christus gegeben, in der Frauen und Männer gleichwertig sind.
(2) In der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland sind Frauen und Männer gleichgestellt.
(3) Dies wird sichtbar in der gleichberechtigten Teilhabe an Ämtern, Diensten und Aufgaben. Unterschiedliche Lebenssituationen von Frauen und Männern sollen berücksichtigt und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Männer und Frauen gewährleistet werden.
(4) Das Nähere wird durch ein Kirchengesetz geregelt.
Zu dieser Fassung wurde am 24. Juni 2011 außerdem noch überlegt, ob die UN-Charta an dieser Stelle genannt werden sollte. In Absatz 3 sollte das Wort „Dies“ am Anfang des Satzes ersetzt werden durch „Die Gleichstellung“.
Auch die zahlreichen Stellungnahmen zum damaligen Artikel 12 zeigten, wie komplex die Materie und deren Formulierung war:
Das Nordelbische Kirchenamt war der Auffassung, dass dieser Artikel nicht unter dem Abschnitt Mitgliedschaft, sondern eher unter dem Abschnitt Aufgaben/Auftrag eingeordnet werden sollte. Antrag 93 sollte ernsthaft erwogen werden.
Der Theologische Beirat fand die aktuelle Einordnung der Regelung als Folge des Allgemeinen Priestertums und dieses wiederum als Folge der Taufe nachvollziehbar und passend. Die Formulierung enthalte eine innerkirchliche Verpflichtung, aber auch einen Auftrag der Kirche an die Welt, welche aber besser in Artikel 2 Absatz 5 in einem eigenen Absatz geregelt werden sollte. Dazu könnte auf Artikel 2a der Verfassung der NEK zurückgegriffen werden.
Der Rechtsausschuss kritisierte, dass der Begriff der „Gleichstellung“ eine unzulässige Reduzierung von Artikel 2a der Verfassung der NEK sei. Die „christliche Gemeinschaft“ sei eine Grundlage der Kirche, aber eben nicht die säkulare angebliche Geschlechtergerechtigkeit.
Nach dem Konzept des Hauptbereichs 2 fiele Artikel 12 weg und ginge in Artikel 4 Absatz 5 auf.
Der Hauptbereich 5 schlug folgende neue Fassung vor: „Die Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Kirche ist durch die Taufe in Jesus Christus gegeben. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland setzt die Gleichstellung von Frauen und Männern im Leben der Kirche um. Das Nähere regelt ein Kirchengesetz.“ Durch diese verbindlichere Formulierung solle sichergestellt sein, dass Gleichstellung und Gendergerechtigkeit konsequent umgesetzt würden. Die Umsetzung solle auf die Kirche begrenzt werden.
Der Hauptbereich 7 schlug als Neuformulierung unter der Überschrift „Teilhabechancen“ einen ganz anderen Ansatz vor: „Die Nordkirche weiß um die Vielfalt des Lebens. Sie setzt sich ein für gleiche und ungehinderte Zugänge und Teilhabe an gesellschaftlichen Ressourcen und Entscheidungen.“ Eine Begrenzung der Regelung auf die Gleichstellung von Frauen und Männern werde der aktuellen gesellschaftlichen Situation nicht mehr gerecht.
Der Kirchenkreis Altholstein formulierte wie folgt: „Die Evangelisch-Lutherische Kirche setzt die Gleichstellung von Frauen und Männern im Leben der Kirche um und setzt sich für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Welt ein.“ Innerhalb der Kirche könne die Gleichstellung tatsächlich umgesetzt werden, so dass diese Umformulierung erforderlich sei.
Der Kirchenkreis Dithmarschen (Blaschke) stellte klar, dass der Artikel 12 nicht in eine Verfassung gehörte, da es sich lediglich um einen Programmsatz handele. Falls man diesen für notwendig erachte, sei die Formulierung des Artikels 2a der Verfassung der NEK vorzuziehen. Die Gleichstellung sei im Übrigen aber schon im Grundgesetz geregelt.
Der Kirchenkreis Ostholstein favorisierte folgende Formulierung: „(1) Durch die Taufe in Jesus Christus ist die Gemeinschaft von Frauen und Männern gegeben, in der alle Glieder gleichberechtigt sind. (2) In der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland sind Frauen und Männer gleichgestellt.“ Die bisherige Formulierung wurde als zu schwach angesehen. Der Änderungsantrag 93, der einen Bezug zu Galater 3, 27 f. herstelle, wurde aufgenommen.
Auch der Kirchenkreis Nordfriesland unterstützte Antrag 93, für die weiteren Sätze wurde folgende Formulierung vorgeschlagen: „Die Evangelisch-Lutherische Kirche setzt die Gleichstellung von Frauen und Männern im Leben der Kirche um. Das Nähere regelt ein Kirchengesetz.“ Die Formulierung „einsetzen“ sei nicht stark genug. Alternativ könne Artikel 12 gestrichen werden, weil er als Absichtserklärung nicht in die Verfassung gehöre. Darüber hinaus sollte es um Gleichberechtigung, nicht um Gleichstellung gehen. Gegebenenfalls könne wie in Artikel 2a der Verfassung der NEK formuliert werden.
Der Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein regte die Ergänzung um die Wörter „und setzt diese in ihrem Bereich um“ an.
Der Kirchenkreis Ostholstein war der Auffassung, dass Artikel 12 entfallen könne, da dieser bereits in Artikel 2 Absatz 5 enthalten sei.
Der Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde schlug folgende Formulierung vor: „Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland setzt sich über die im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland garantierte Gleichberechtigung hinaus auch für die Gleichstellung von Frauen und Männern im Leben der Kirche und der Welt ein.“
Die Beauftragte für Geschlechtergerechtigkeit war der Auffassung, dass die aktuelle Formulierung nicht deutlich mache, dass die Geschlechtergerechtigkeit konstitutiv für das Kirchsein sei. Es fehle die theologische Begründung, die einen Bezug zur Taufe herstelle. Die Platzierung sei nicht logisch. Vorgeschlagen wurde daher ein neuer Artikel 3: „Die Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Kirche ist durch die Taufe in Jesus Christus gegeben. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland setzt die Gleichstellung von Frauen und Männern im Leben der Kirche und in der Welt um.“ Die Gleichstellung von Frauen und Männern sollte dabei separat und nicht mit der Diskriminierung aufgrund anderer Merkmale geregelt werden. Alternativ, aber nicht optimal könne eine Regelung in Artikel 2 Absatz 6 erfolgen.
Der Theologische Ausschuss tagte am 24. Juni 2011 gemeinsam mit dem Rechtsausschuss. Einigkeit herrschte zwischen beiden Ausschüssen darüber, dass die Regelung aus Artikel 12 vorgezogen werden solle. Die Gleichstellung von Frauen und Männern soll nach der Bearbeitung des Rechtsausschusses vom 26. Juni 2011 in Artikel 3a Absatz 3 geregelt werden. Die Steuerungsgruppe übernahm diese Bearbeitung in ihrer Sitzung am 27. Juni 2011, beauftragte aber noch die Redaktionsgruppe mit der Entscheidung, ob das Wort „einsetzten“ oder „eintreten“ verwendet werden soll.
Mit Stand vom 7. Juli 2011 ergab sich aus der Anlage zum Protokoll der Steuerungsgruppe jedoch wieder Artikel 12 mit dem endgültigen Wortlaut. Die Redaktionsgruppe schlug für den letzten Satz am Ende vor „sollen berücksichtigt werden“ (13. Juli 2011), die Steuerungsgruppe entschied sich am 25. und 26. August 2011 für „ermöglicht“. Dem Hinweis, dass das Ehrenamt in dieser Vorschrift noch hätte benannt werden sollen, folgt die Steuerungsgruppe nicht, weil die Formulierung „Ämter, Dienste und Aufgaben“ umfassend sei.
Der Rechtsausschuss zeigte sich in seiner Sitzung vom 6. bis 8. Oktober sehr unzufrieden mit der Entscheidung, die gemeinsam mit dem Theologischen Ausschuss erarbeiteten Formulierungen, insbesondere für Artikel 3a, zu ignorieren. Die jetzige Systematik und Formulierung des Artikels 11 sei nicht nachvollziehbar, der Ausschuss blieb bei seiner Empfehlung vom 26. Juni 2011. Man beschloss, zwar keinen Änderungsantrag auf der Synodentagung zu stellen, aber gegebenenfalls entsprechend dazu Stellung zu beziehen, falls das Thema zur Sprache käme.
Der Theologische Ausschuss zeigte sich in seiner Stellungnahme im Rahmen der 2. Lesung des Verfassungsentwurfs zufrieden mit der Verbesserung der Regelung. Durch die Erwähnung der Taufe sei die Gleichstellung nun auch theologisch verankert, durch den konkreten Bezug auf Ämter, Dienste und Aufgaben sei die Vorschrift auch mehr als eine bloße Absichtserklärung. Noch nicht zufriedenstellend sei hingegen der letzte Satz: Dort sei die Vielfalt der verschiedenen Lebenssituationen nicht berücksichtigt, außerdem fehle das ehrenamtliche Engagement. Der Verweis auf ein Kirchengesetz sei wiederum sinnvoll. Es werde folgende Formulierung für die Sätze 2 und 3 beantragt: „Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland berücksichtigt unterschiedliche Lebenssituationen von Frauen und Männern. Sie strebt die Vereinbarkeit von ehrenamtlichen und beruflichen Diensten in der Kirche mit anderen öffentlichen oder privaten Lebensbereichen an. Das Nähere zur Gleichstellung von Frauen und Männern wird durch Kirchengesetz geregelt.“ (Antrag II-21)
Auf der 2. Tagung der Verfassunggebenden Synode beantragte außerdem der Dienstrechtsausschuss, dass diese beschließen möge, der zweite und der dritte Satz des Artikels 11 werden wie folgt geändert: „Dieses wird sichtbar in der gleichberechtigten Teilhabe von Männern und Frauen an Ämtern, Diensten und Aufgaben. Unterschiedliche Lebenssituationen sollen berücksichtigt und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht werden.“ Dieser Antrag II-27 fand keine Mehrheit.
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II. Vorgängervorschriften

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1. Verfassung der NEK

Satz 1 ist wortgleich mit Artikel 2a Satz 1 der Verfassung der NEK.
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2. Entsprechende Normen der ELLM/PEK

Das Verfassungsrecht der ELLM und die Kirchenordnung der PEK sahen keine Regelung zur Gleichstellung von Frauen und Männern vor.
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3. Grundsätze zum Fusionsvertrag

Die Grundsätze zum Fusionsvertrag geben unter Punkt I.1.3 vor:
„Die Gleichstellung von Frauen und Männern wird verfassungsrechtlich gewährleistet.“
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III. Ergänzende Vorschriften

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1. Normen mit Verfassungsrang

Der Kirchengemeinderat soll bei Berufungen und Nachwahlen auf den Ausgleich der Geschlechterrepräsentanz und die Berücksichtigung jüngerer Gemeindeglieder achten (§ 17b Absatz 2 Satz 7 und § 17e Absatz 1 Satz 5 KGO).
Aus Teil 5 § 8 Absatz 7 Nummer 9 Einführungsgesetz ergibt sich, dass die ELKN eine bzw. einen Gender- und Gleichstellungsbeauftragte bzw. -beauftragten hat.
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2. Einfache Kirchengesetze

Die Nordkirche hat sich am 11. Oktober 2013 das Kirchengesetz zur Verwirklichung der Geschlechtergerechtigkeit in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Geschlechtergerechtigkeitsgesetz – GeschlGerG) (KABl. S. 406, 450) gegeben, um die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern umzusetzen. Dieses wurde nach intensiver Diskussion durch das Kirchengesetz zur Berücksichtigung der Geschlechtervielfalt in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland vom 30. September 2023 (KABl. A Nr. 85 S. 198) geändert. § 1 des Gesetzes bestimmt:
Zielsetzung dieses Kirchengesetzes ist es, die Verwirklichung der Geschlechtergerechtigkeit in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland zu fördern. Dies geschieht insbesondere durch die Berücksichtigung der Geschlechtervielfalt sowie die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern, die in den unterschiedlichen Ebenen ehrenamtlich oder beruflich Dienste wahrnehmen. Unterschiedliche Geschlechterperspektiven sollen einbezogen und deren Gleichwertigkeit berücksichtigt, bestehende Ungleichbehandlungen abgebaut und die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und ehrenamtlichem Engagement verbessert werden.
Nach § 5 Absatz 1 Geschlechtergerechtigkeitsgesetz ist bei der Zusammensetzung kirchlicher Gremien darauf hinzuwirken, dass Frauen und Männer in gleicher Anzahl vertreten sind. Dies wird einzelgesetzlich ausgestaltet:
Nach § 10 Landessynodenbildungsgesetz sind die Wahlvorschlagslisten zu unterteilen nach Frauen und Männern.
Das Kirchengemeinderatswahlgesetz bestimmt in § 27 Absatz 3, dass im Falle von Stimmengleichheit das unterrepräsentierte Geschlecht gewählt ist. Gleiches gilt gemäß § 17 Absatz 9 Kirchenkreissynodenbildungsgesetz sowie § 13 Absatz 2 Satz 3 Landessynodenbildungsgesetz.
Nach § 12 MVG-EKD soll bei den Wahlvorschlägen angestrebt werden, Frauen und Männer angemessen zu berücksichtigen.
Der Hauptbereich Generationen und Geschlechter nimmt durch die ihm angehörenden Dienste und Werke u. a. gesamtkirchliche Aufgaben Frauen- und Männerarbeit wahr (§ 30 Hauptbereichsgesetz).
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3. Untergesetzliche Normen

§ 20 der Geschäftsordnung des Landeskirchenamts regelt die Rolle der Beauftragten für Geschlechtergerechtigkeit innerhalb des Landeskirchenamtes und greift in Absatz 3 Satz 2 die Formulierung aus Artikel 11 auf: „Unterschiedliche Lebenssituationen von Frauen und Männern sollen bei den Entscheidungen der Dezernate berücksichtigt und die Vereinbarkeit von beruflichen Pflichten und Familienpflichten verbessert werden.“
Die Geschäftsordnung der Landessynode regelt in § 31 Absatz 3, dass bei der Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten zur Bildung der Ausschüsse Frauen und Männer in ausgewogener Weise berücksichtigt werden sollen.
Die Verleihungsgrundsätze der Bugenhagenmedaille vom 26. April 2017 (KABl. S. 301) enthalten die Vorgabe, dass Frauen und Männer bei der Vergabe in gleichem Maße berücksichtigt werden sollen.
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland unterhält ein Frauenwerk als rechtlich unselbstständiges Werk der Landeskirche, welches durch Rechtsverordnung vom 23. Februar 2021 (KABl. S. 147) geordnet wird.
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4. Satzungen (der Kirchenkreise etc.)

§ 19 der Kirchenkreissatzung des Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises Dithmarschen vom 3. September 2014 (KABl. 421) bestimmt noch einmal ausdrücklich, dass in allen Regelungen des Kirchenkreises die Grundsätze über die Gleichstellung von Männern und Frauen aus der Verfassung zu berücksichtigen sind.
Im Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis existiert ein Arbeitskreis Gleichstellung von Frauen und Männern, der sich am 18. März 2012 (ABl. S. 6) eine Satzung gegeben hat.
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IV. Zusammenhänge und Rechtsvergleich

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1. Verweise auf andere Verfassungsbestimmungen

Nach Artikel 2 Absatz 2 sind alle Menschen vor dem Kirchenrecht gleich. Artikel 6 Absatz 6 regelt, dass es anzustreben ist, dass kirchliche Gremien in gleicher Anzahl mit Frauen und Männern besetzt werden.
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2. Verweise auf kirchliches Recht (außerhalb der Nordkirche)

Die Grundordnung der EKBO bestimmt in ihrem ersten Grundartikel („Von Schrift und Bekenntnis“) allgemein: „Sie achtet auf Geschlechtergerechtigkeit.“ (Artikel I, Ziffer 11)
Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern wird im Zusammenhang mit der Arbeit in Gremien erwähnt: „In kirchlichen Gremien sollen Frauen und Männer in einem angemessenen Verhältnis vertreten sein.“ (Artikel 5 Absatz 2)
Die Kirchenverfassung der EKM bestimmt in Artikel 2 Absatz 10 allgemein:
Sie tritt für die Wahrung der Menschenwürde, die Achtung der Menschenrechte und für ein von Gleichberechtigung bestimmtes Zusammenleben der Menschen ein. Sie wendet sich gegen alle Formen von Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit.
Artikel 8 enthält folgende Regelung zur Sprachform der Personenbezeichnungen:
Alle Ausdrücke für Personen und Funktionen in dieser Verfassung bezeichnen gleichermaßen Frauen und Männer.
Artikel 2 der neuen Kirchenverfassung Hannover sieht eine Regelung zur Gleichberechtigten Teilhabe vor:
(1) Wie alle Menschen sind die Mitglieder der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers als Ebenbilder Gottes geschaffen und von gleicher Würde. Als Glaubende durch Gottes Gnade gerechtfertigt, bilden sie eine Gemeinschaft in Christus.
(2) Die Mitglieder der Landeskirche wirken gleichberechtigt am Auftrag der Kirche mit.
(3) Die Landeskirche fördert ein Zusammenleben in Vielfalt und die Gleichstellung von Menschen jeden Geschlechts. Sie wendet sich gegen jede Form von Diskriminierung und setzt sich für gleichberechtigte Teilhabe am kirchlichen und gesellschaftlichen Leben ein.
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3. Verweise auf staatliches Recht

Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern sowie das Verbot jeglicher Diskriminierung sind im Grundgesetz in Artikel 3 verfassungsrechtlich verankert:
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern regelt in Artikel 13 die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern:
Die Förderung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ist Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Kreise sowie der anderen Träger der öffentlichen Verwaltung. Dies gilt insbesondere für die Besetzung von öffentlich-rechtlichen Beratungs- und Beschlussorganen.
Ähnlich bestimmt Artikel 9 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein:
Die Förderung der rechtlichen und tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern ist Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der anderen Träger der öffentlichen Verwaltung. Insbesondere ist darauf hinzuwirken, dass Frauen und Männer in kollegialen öffentlich-rechtlichen Beschluss- und Beratungsorganen zu gleichen Anteilen vertreten sind.
Die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg bestimmt in Artikel 3 Absatz 2:
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird nach Maßgabe der Verfassung und der Gesetze ausgeübt. Sie hat auch die Aufgabe, die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern. Insbesondere wirkt sie darauf hin, dass Frauen und Männer in kollegialen öffentlich-rechtlichen Beschluss- und Beratungsorganen gleichberechtigt vertreten sind.
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4. Weitere rechtsvergleichende Hinweise

Die Situation in der katholischen Kirche stellt sich grundlegend anders dar, da etwa die Weihe einer Frau zur Priesterin nicht möglich ist (CIC, can. 1024). Eine vollständige Gleichstellung innerhalb der katholischen Kirche ist damit nicht vorgesehen.