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Erläuterungen
zu Artikel 12 der Verfassung

Bearbeitungsstand: Juli 2024

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Artikel 12
Kinder und Jugendliche

Kinder und Jugendliche sind in allen Belangen, die ihre Lebenswelt in der Kirche betreffen, an der Entscheidungsfindung in angemessener und altersgerechter Form zu beteiligen.
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Grundinformationen

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I. Textgeschichte

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1. Veränderungen

Die Vorschrift ist seit dem Inkrafttreten unverändert.
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2. Textentwicklung

Eine Regelung bezüglich der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen war im Entwurf zur 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode noch nicht enthalten.
Artikel 12 war in seiner aktuellen Fassung Bestandteil des Verfassungsentwurfes zur 2. Tagung (Drucksache 3/II, Seite 12) und zur 3. Tagung der Verfassunggebenden Synode (Drucksache 4/III).
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3. Erläuterungen zum Entwurf der Verfassung

Erläuterungen zum Entwurf der Verfassung sind nicht vorhanden, da die Vorschrift noch nicht im ersten Verfassungsentwurf vorgesehen war.
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4. Weitere Materialien (insbesondere des Verbandes)

Bereits mit Schreiben vom 2. Juli 2010 hatte der Landesjugendkonvent der ELLM die AG Verfassung gebeten, folgende Regelung an passender Stelle in die Verfassung einzuarbeiten:
„Kinder und Jugendliche sind gleichberechtigte Mitglieder der Ev.-Luth. Kirche. In allen Belangen, die ihre Lebenswelt der Kirche betreffen, werden sie an der Entscheidungsfindung in angemessener, altersgerechter und zeitgemäßer Form beteiligt.“
Argumente hierfür waren u.a., dass Kinder – die Zukunft der Kirche – diese schon jetzt mitbestimmen sollen; dieses Recht müsse in der Verfassung ebenso verankert werden wie die Rechte der erwachsenen ehrenamtlichen Mitglieder der Kirche. Auch in der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 und im SGB VIII seien Kinderrechte bereits zu finden. Durch eine angemessene Beteiligung sei es möglich, Kindern und Jugendlichen Demokratie und ehrenamtliches Engagement näherzubringen. Außerdem habe sich auch Jesus bereits als Jugendlicher eingemischt und Kinder immer ernst genommen.
Auf der 1. Tagung der Verfassunggebenden wurde von Synode von 30 Synodalen ein beinahe wortgleicher Antrag (Antrag 17) für einen neuen Artikel 13 eingebracht:
„Kinder und Jugendliche sind gleichwertige Mitglieder der Ev.-luth. Landeskirche. In allen Belangen, die ihre Lebenswelt in der Kirche betreffen, werden sie an der Entscheidungsfindung in angemessener, altersgerechter und zeitgemäßer Form beteiligt.“
Die Synodalen machten sich die inhaltliche Begründung des Landesjugendkonvents der ehemaligen ELLM zu eigen. Der Antrag wurde unterstützt von der Ev. Jugend in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, dem Nordelbischen Jugendpfarramt sowie den Ämtern für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Mecklenburg und Pommern, der Kampagne „Mitmischen“ sowie der Kammer Dienste und Werke der Nordelbischen Kirche und stieß auch im Übrigen in den drei Arbeitsgruppen auf breite Unterstützung.
In seiner dritten Sitzung am 18. und 19. März 2011 sprach sich der Rechtsausschuss für Antrag 17 aus und empfahl – nach einiger Diskussion darüber, wo die Regelung einzuordnen sei bzw. ob ein bereits vorhandener Artikel um einen Absatz mit diesem Inhalt ergänzt werden solle – die Aufnahme eines neuen Artikels 12 mit dem aktuellen Wortlaut. In dieser Fassung war der Artikel 12 dann bereits Bestandteil des Verfassungsentwurfs der 2. Verfassunggebenden Synode (Drucksache 3/II).
Innerhalb des Rechtsausschusses wurde in seiner zehnten Sitzung vom 23. bis 26. November 2011 noch diskutiert, ob parallel zu der expliziten Regelung für Kinder und Jugendliche eine eigene Regelung für Ältere und Senioren erforderlich sei. Da Erwachsene und Senioren jedoch nirgendwo in der Kirche ausgeschlossen seien, während Kinder und Jugendliche allein aufgrund ihres Alters beispielsweise vom Wahlrecht ausgeschlossen werden, wurde dieser Vorschlag nicht weiter verfolgt.
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II. Vorgängervorschriften

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1. Verfassungsrecht der NEK, ELLM und PEK

Weder das Verfassungsrecht der NEK noch das der ELLM oder der PEK enthielten Regelungen zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen am Leben in der Kirche. Auch waren keine Jugenddelegierten in der (Landes-)Synode vorgesehen.
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2. Grundsätze zum Fusionsvertrag

Der Fusionsvertrag sah hinsichtlich der Beteiligung Jugendlicher lediglich unter IV.2.2.8 vor, dass der Landessynode aus jedem Sprengel je zwei Jugendliche mit Rede- und Antragsrecht nach Maßgabe der Geschäftsordnung angehören sollen.
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III. Ergänzende Vorschriften

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1. Normen mit Verfassungsrang

Nach § 20 Nr. 2 Kirchengemeindeordnung sorgt der Kirchengemeinderat dafür, dass das Evangelium allen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in alters- und situationsgerechten Angeboten zugänglich ist.
Nach § 45 a Kirchengemeindeordnung sind in den Kirchengemeinden eine eigene Kinder- und Jugendvertretung oder ein Kinder- und Jugendausschuss des Kirchengemeinderates zu bilden. Diese Vorschrift wurde mit Wirkung zum 1. November 2021 ergänzt (KABl. 2021, S. 415).
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2. Einfache Kirchengesetze

Das Kirchengesetz über die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Kinder- und Jugendgesetz - KJG) vom 2. Oktober 2021 (KABl. S. 415) trifft nähere Regelungen über die Beteiligung auf allen Ebenen.
Die landeskirchliche Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird durch das Zentrum für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Junge Nordkirche) koordiniert (§ 18 KJG). Dieses gehört dem Hauptbereich Generationen und Geschlechter an (§ 30 Hauptbereichsgesetz).
Als Gremien bestehen die Kinder- und Jugendvertretung der Landeskirche (§ 19 KJG) und die Konferenz der Kinder- und Jugendwerke (§ 21 KJG).
Nach § 20 KJG sind Regelungsvorhaben der Landeskirche darauf zu prüfen, welche Auswirkungen diese auf die Lebenswirklichkeit von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben (Folgenabschätzung).
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3. Untergesetzliche Normen

Mit dem Kinder- und Jugendgesetz ist die Ordnung für das Nordelbische Jugendwerk vom 5. Juni 1985 (GVOBl. S. 129) außer Kraft getreten. Näheres zu Organisation, Aufbau und Aufgaben der Jungen Nordkirche ist durch Rechtsverordnung vom 9. September 2022 (KABl. S. 402) geregelt.
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IV. Zusammenhänge und Rechtsvergleich

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1. Verweise auf andere Verfassungsbestimmungen

Nach Artikel 6 Absatz 3 Satz 1 ist Voraussetzung für die Ausübung des Wahlrechtes die Vollendung des vierzehnten Lebensjahres (für die Wählbarkeit die Vollendung des achtzehnten Lebensjahres).
Die Beteiligung Jugendlicher wird in der Verfassung außerdem in Artikel 48 Absatz 5 behandelt, nach dem die Kinder- und Jugendvertretung des Kirchenkreises bis zu vier Jugenddelegierte mit Rede- und Antragsrecht entsendet. In Artikel 80 Absatz 8 findet sich die Entsendung von je zwei Jugenddelegierten aus jedem Sprengel zur Landessynode; die Entsendung erfolgt durch die Kinder- und Jugendvertretung der Landeskirche, die Delegierten haben Rede- und Antragsrecht. Der Kirchengemeinderat soll bei Berufungen und Nachwahlen auf den Ausgleich der Geschlechterrepräsentanz und die Berücksichtigung jüngerer Gemeindeglieder achten (§ 17 b Abs. 2 Satz 7 und § 17e Abs. 1 Satz 5 KGO).
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2. Verweise auf kirchliches Recht (außerhalb der Nordkirche)

Die Grundordnung der EKBO kennt keine Regelung zur generellen Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an den Entscheidungen in der Kirche. Artikel 16a Absatz 1 sieht aber zur Erprobung vor, dass dem Gemeindekirchenrat wenigstens ein Mitglied im Alter von 16 bis 18 Jahren angehören kann. Wahlberechtigt sind alle Mitglieder der Kirchengemeinde, die mindestens 14 Jahre alt sind (Artikel 17 Absatz 2 Satz 1).In die Landessynode werden zwei in der kirchlichen Jugendarbeit ehrenamtlich tätige Jugendliche berufen (Artikel 72 Absatz 4 Satz 1).
Die Kirchenverfassung der EKM sieht keine besondere Vorschrift zur Teilnahme von Kindern und Jugendlichen an der Entscheidungsfindung innerhalb der Kirche vor. Nach Artikel 25 Absatz 3 Satz 2 ist wahlberechtigt, wer das 14. Lebensjahr vollendet hat und zum Abendmahl zugelassen ist. Nach Artikel 57 Absatz 1 Nr. 10 gehören der Landessynode sechs Jugenddelegierte an.
In der neuen Kirchenverfassung Hannover besagt Artikel 9 Absatz 2 Satz 3:
„In besonderer Weise stärkt die Landeskirche die Mitwirkung und Beteiligung junger Menschen.“
Im Entwurf hieß es noch aktiver: „In besonderer Weise wendet sich die Landeskirche an junge Menschen, um sie für eine Mitwirkung und Beteiligung zu gewinnen.“ Darüber hinaus ist ausdrücklich geregelt, dass Mitglieder der Kirchengemeinde, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, grundsätzlich wahlberechtigt bei den Wahlen zum Kirchenvorstand sind (Artikel 24 Absatz 2 Satz 2).
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3. Verweise auf staatliches Recht

Auch im staatlichen Recht ist eine angemessene Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf vielen Ebenen vorgesehen, von § 47f Gemeindeordnung Schleswig-Holstein, über die Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Artikel 24 Absatz 1 und 2 bis zu Artikel 12 Absatz 1 UN-Kinderrechtskonvention.
Das Alter für die Wahlberechtigung liegt in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern (nur Kommunalwahl) und Schleswig-Holstein bei 16 Jahren. Bei der Bundestagswahl liegt es bundeseinheitlich bei 18 Jahren (Artikel 38 Absatz 2 Grundgesetz).
In der Landesverfassung Mecklenburg-Vorpommern ist der Schutz der Kinder und Jugendlichen in Artikel 14 verankert. Das Grundgesetz benennt in Artikel 20a die „Verantwortung für die künftigen Generationen“ enthält aber keine Kinderrechte.