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Erläuterungen
zu Artikel 29 der Verfassung

Bearbeitungsstand: Juli 2023

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Artikel 29
Geschäftsführung

Die Führung der laufenden Geschäfte der Kirchengemeinde obliegt dem vorsitzenden Mitglied des Kirchengemeinderates. Der Kirchengemeinderat kann im Einvernehmen mit dem vorsitzenden Mitglied die Führung der laufenden Geschäfte ganz oder teilweise einem anderen Mitglied des Kirchengemeinderates oder einem aus seiner Mitte gebildeten Ausschuss übertragen.
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Grundinformationen

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I. Textgeschichte

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1. Veränderungen

Die Vorschrift ist seit dem Inkrafttreten unverändert.
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2. Textentwicklung

Artikel 28: Geschäftsführung
Die Führung der laufenden Geschäfte der Kirchengemeinde obliegt dem vorsitzenden Mitglied des Kirchengemeinderates. Der Kirchengemeinderat kann im Einvernehmen mit dem vorsitzenden Mitglied die Führung der laufenden Geschäfte ganz oder teilweise auf eine Pastorin bzw. einen Pastor, die bzw. der in der Kirchengemeinde eine Pfarrstelle innehat oder verwaltet, ein anderes Mitglied des Kirchengemeinderates oder einen aus der Mitte des Kirchengemeinderates gebildeten Ausschuss übertragen. Durch Satzung können Wertgrenzen festgelegt werden.
(1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 17)
Als Artikel 30 war die Vorschrift in ihrer heutigen Fassung dann bereits Bestandteil des Verfassungsentwurfs zur 2. Tagung der Verfassunggebenden Synode (Drucksache 3/II, Seite 20).
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3. Erläuterungen zum Entwurf der Verfassung

„Sofern ein ehrenamtliches Mitglied den Vorsitz des Kirchengemeinderates führt, kann gemäß Artikel 28 die Geschäftsführung mit seinem Einverständnis an eine Pastorin bzw. einen Pastor der Kirchengemeinde übertragen werden.“
(1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 77)
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4. Weitere Materialien (insbesondere des Verbandes)

Der ursprüngliche Vorschlag von Hünemörder, Rausch und Siegert mit Stand 14. Dezember 2009 lautete für einen Artikel 14:
„Eine der im Dienst der Kirchgemeinde stehende Pastorinnen oder ein Pastor nehmen die Geschäftsführung wahr, soweit der Kirchgemeinderat nichts anderes beschließt.“
Die Untergruppe Kirchengemeindeordnung der AG Verfassung legte in ihrer Sitzung vom 20. Januar 2010 fest, dass grundsätzlich der Vorsitzende des Kirchengemeinderats und der Stellvertreter die laufenden Geschäfte führen. Der Kirchenvorstand könne jedoch auch anderes bestimmen und die laufende Verwaltung der einzelnen Geschäfte delegieren. Im Ergebnis stand einvernehmlich fest, dass inhaltlich Artikel 23 Absätze 2 Satz 2 und 3 der Kirchenverfassung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland übernommen werden sollten. Ergänzt werden sollte eine Delegationsmöglichkeit auf einen Ausschuss. Die Vorschrift sollte systematisch beim Vorsitz des Kirchenvorstandes eingeordnet werden.
Stand 7. Mai 2010 ergab sich damit folgender Entwurf von Prof. Dr. Unruh: „Die Führung der laufenden Geschäfte der Kirchengemeinde obliegt dem vorsitzenden Mitglied des Kirchenvorstands. Der Kirchenvorstand kann im Einvernehmen mit dem vorsitzenden Mitglied die Führung der laufenden Geschäfte auf eine Pastorin bzw. einen Pastor, (ein anderes Mitglied des Kirchenvorstands) oder einen aus der Mitte des Kirchenvorstands gebildeten Ausschuss übertragen. Durch Satzung können Wertgrenzen festgelegt werden.“
Bereits im Juni 2010 wurde die Formulierung angepasst an „Kirchengemeinderat“. In Satz 2 wurden die Wörter „ganz oder teilweise“ eingefügt sowie hinter „Pastor“ „die bzw. der in der Kirchengemeinde eine Pfarrstelle innehat oder verwaltet“. Der Klammerzusatz wurde Bestandteil der Vorschrift.
Im Rahmen der 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode schlug die NEK in ihrer Stellungnahme vor, die Worte „auf eine Pastorin bzw. einen Pastor, die bzw. der in der Kirchengemeinde eine Pfarrstelle innehat oder verwaltet“ zu streichen.
Der Rechtsausschuss beschäftigte sich am 18. und 19. März 2011 mit dem Begriff der Geschäftsführung, einem Begriff aus dem Gesellschaftsrecht. Es entstand hierzu eine längere Diskussion zum Verhältnis zu dem Begriff „Rechtsvertretung“. Die Voranstellung des Pfarramts in Satz 2 solle nicht auf einen Grundsatz hindeuten, auch wenn diese Konstellation in der Praxis die häufigste sein dürfte. Es wurde der Vorschlag geäußert, die Materie nur in der Kirchengemeindeordnung zu regeln. Im Sinne einer eindeutigen Formulierung schlug der Rechtsausschuss schließlich den Text der heutigen Fassung vor.
Der Vorschlag, an den damaligen Artikel 28 einen Satz 4 (also noch nach der Regelung der Wertgrenzen in Satz 3) „Zur Führung seiner Geschäfte gibt sich der Kirchengemeinderat eine Geschäftsordnung“ wurde von der Kirchenleitung abgelehnt, weil dies in die Kirchengemeindeordnung und nicht in die Verfassung gehöre.
Laut den gesammelten Stellungnahmen (Juni 2011) empfahl der Rechtsausschuss der Synode darauf hinzuwirken, den damaligen Artikel 28 aus der Geschäftsführung zu streichen.
Der Kirchenkreis Altholstein sprach sich für die Streichung aus, weil die Geschäftsführung besser in einer Geschäftsordnung des Kirchengemeinderats als in der Verfassung geregelt werden sollte.
Der Kirchenkreis Rantzau-Münsterdorf sprach sich dafür aus, die Worte „eine Pastorin bzw. ein Pastor, die bzw. der in der Kirchengemeinde eine Pfarrstelle innehat oder verwaltet“ zu streichen, um das Zusammenwirken von Haupt- und Ehrenamtlichen in der Gemeindeleitung zu fördern und die Hervorhebung der Pastorin bzw. des Pastors zu vermeiden.
Der Fachbereich Hamburg regte an, Geschäftsführung und Vorsitz zu trennen, wenn die Regelung überhaupt in der Verfassung bliebe. Die Formulierung sollte lauten: „Der Kirchengemeinderat überträgt die Führung der laufenden Geschäfte auf eine Pastorin oder einen Pastor, der in der Gemeinde eine Pfarrstelle innehat oder verwaltet, oder auf ein anderes Mitglied des Kirchengemeinderats. Die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer führt die Geschäfte einvernehmlich mit dem vorsitzenden Mitglied des Kirchengemeinderats.“ Entsprechend wurde vorgeschlagen, dass der damalige Artikel 30 Absatz 2 entfallen sollte.
Die Steuerungsgruppe beschloss am 7. Juli 2011 einstimmig, die Vorschläge der NEK mit der Fassung des Rechtsausschusses zu übernehmen.
Der Rechtsausschuss schlug im November 2011 noch eine redaktionelle Überarbeitung vor, indem nach dem Wort „vorsitzende“ das Wort „Mitglied“ gestrichen werden sollte. Eine Anpassung erfolgte jedoch nicht mehr.
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II. Vorgängervorschriften

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1. Verfassung der NEK

Die Verfassung der NEK benutzte im Zusammenhang mit dem Kirchengemeinderat nicht das Wort Geschäftsführung. Gemäß Artikel 17 Absatz 2 konnte der Kirchenvorstand aus seiner Mitte einen ständigen Ausschuss für die laufende Verwaltung bilden, der im Rahmen seiner Beauftragung selbstständig handelte.
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2. Entsprechende Normen der ELLM/PEK

§ 36 Kirchgemeindeordnung der ELLM regelte die Geschäftsführung des Kirchgemeinderats:
(1) Der Vorsitzende und der zweite Vorsitzende sind dafür verantwortlich, dass der Kirchgemeinderat mit den ihm obliegenden Aufgaben befasst wird.
(2) Der Vorsitzende leitet die Geschäfte. Er ist dafür verantwortlich, dass die kirchlichen Vorschriften und Weisungen beachtet werden. Er vollzieht die Beschlüsse des Kirchgemeinderats.
(3) Einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung erledigt der Vorsitzende in eigener Zuständigkeit.
(4) Der Vorsitzende führt unter Mitwirkung von Kirchenältesten die Aufsicht über das Kassen- und Rechnungswesen, soweit es in der Hand des Kirchgemeinderats liegt. Diese Aufsicht ist eine dem Pastor nach § 25 des Pfarrergesetzes obliegende Aufgabe.
Artikel 68 Absatz 2 Ziffer 6 Kirchenordnung PEK regelte:
Geschäftliche Maßnahmen zur Ausführung der Beschlüsse obliegen in der Regel der oder dem Vorsitzenden. Sie oder er ist für den Schriftverkehr verantwortlich. In eiligen Fällen ordnet sie oder er bis zum Zusammentritt des Gemeindekirchenrates einstweilen das Erforderliche im Einvernehmen mit ihrer oder seiner Stellvertreterin oder mit ihrem oder seinem Stellvertreter an.
Artikel 69 Absatz 2 Kirchenordnung PEK eröffnete noch die Möglichkeit:
„Bei gegebenem Anlass kann der Gemeindekirchenrat abweichend von Artikel 68 Absatz 2 Ziffer 2 die Geschäftsführung anders regeln.“
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3. Grundsätze zum Fusionsvertrag

Die Grundsätze zum Fusionsvertrag enthalten keine Ausführungen zur Geschäftsführung innerhalb des Kirchengemeinderats.
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III. Ergänzende Vorschriften

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Normen mit Verfassungsrang

§ 24 Absatz 1 Sätze 1 und 2 KGO entsprechen dem Artikel 29, führen die Regelung bezüglich der Geschäftsführung der Kirchengemeinde durch den Kirchengemeinderat im Folgenden jedoch noch weiter aus.
§ 44 KGO regelt den Geschäftsführenden Ausschuss, dem die Geschäftsführungsaufgaben der vorsitzenden Mitglieder übertragen werden können.
§ 91 KGO enthält eine Eilkompetenz („Ersatzvornahme in Eilfällen“) zugunsten des Kirchenkreisrates („zur Abwehr konkreter und unmittelbar bevorstehender Gefahr“). Die Vorschrift wiederholt Artikel 58 Absatz 3.
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IV. Zusammenhänge und Rechtsvergleich

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1. Verweise auf andere Verfassungsbestimmungen

Für den Kirchengemeindeverband existiert mit Artikel 38 Absatz 6 Satz 4 die Regelung, dass durch Verbandssatzung der Verbandsvorstand ermächtigt werden kann, eines seiner Mitglieder oder eine hauptamtliche Geschäftsführung mit der Führung der laufenden Geschäfte zu beauftragen.
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2. Verweise auf kirchliches Recht (außerhalb der Nordkirche)

Die Grundordnung der EKBO sieht in Artikel 25 Absatz 1 vor:
„Der Gemeindekirchenrat sorgt für die Erledigung der Geschäfte der laufenden Verwaltung der Kirchengemeinde. Er regelt die Wahrnehmung der Verantwortung für die einzelnen Aufgabenbereiche durch berufliche oder ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und legt Kompetenzen und Berichtspflichten fest.“
Die Regelung des Artikel 23 Absatz 2 Sätze 2 und 3 der Kirchenverfassung der EKM dienten als Grundlage für die Vorschrift der Nordkirche:
„Die Führung der laufenden Geschäfte der Kirchengemeinde obliegt dem Vorsitzenden des Gemeindekirchenrates. Der Gemeindekirchenrat kann im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden die laufende Geschäftsführung ganz oder teilweise einem Pfarrer in der Kirchengemeinde oder einem anderen Mitglied des Gemeindekirchenrates übertragen.“
In der Landeskirche Hannover kann die Kirchengemeinde das Kirchenamt mit der abschließenden Erledigung von Geschäften der laufenden Verwaltung beauftragen (Artikel 28 Absatz 1 Satz 2 Kirchenverfassung Hannover).
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3. Verweise auf staatliches Recht

Auf staatlicher Seite liegt die Geschäftsführung beim direkt gewählten haupt- oder ehrenamtlichen Bürgermeister.
So bestimmt die Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern in § 39 Absatz 3 zum ehrenamtlichen Bürgermeister:
(3) Der Bürgermeister entscheidet in eigener Zuständigkeit alle Angelegenheiten, die nicht von der Gemeindevertretung oder dem Hauptausschuss wahrgenommen werden. Soweit er dies nicht generell oder im Einzelfall dem Amt übertragen hat, entscheidet der Bürgermeister in Angelegenheiten von geringer wirtschaftlicher Bedeutung und trifft gesetzlich oder tariflich gebundene Entscheidungen. In Fällen äußerster Dringlichkeit entscheidet er anstelle des Hauptausschusses oder der Gemeindevertretung, wenn ein Hauptausschuss nicht eingerichtet ist. Diese Entscheidungen bedürfen der Genehmigung durch den Hauptausschuss, soweit dieser zuständig ist, im Übrigen durch die Gemeindevertretung.
Entsprechend regelt § 50 Gemeindeordnung Schleswig-Holstein die Aufgaben der ehrenamtlichen Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters: Sie oder er führt die Beschlüsse der Gemeindevertretung durch und ist für den Geschäftsgang der Verwaltung verantwortlich (Absatz 5). Absatz 3 regelt die Eilbefugnis:
(3) Dringende Maßnahmen, die sofort ausgeführt werden müssen, ordnet die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister für die Gemeindevertretung und für die Ausschüsse an. Sie oder er darf diese Befugnis nicht übertragen. Die Gründe für die Eilentscheidung und die Art der Erledigung sind der Gemeindevertretung oder dem Ausschuss unverzüglich mitzuteilen. Die Gemeindevertretung oder der Ausschuss kann die Eilentscheidung aufheben, soweit nicht bereits Rechte Dritter entstanden sind.