.Erläuterungen
Artikel 32
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Erläuterungen
zu Artikel 32 der Verfassung
Bearbeitungsstand: Juli 2023
####Artikel 32
Teilnahmerechte
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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirchengemeinde sollen zu den ihren Aufgabenbereich betreffenden Beratungen des Kirchengemeinderates hinzugezogen werden.
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1 Die der Kirchengemeinde zugeordneten Vikarinnen und Vikare nehmen an den Sitzungen des Kirchengemeinderates mit beratender Stimme teil. 2 In Pfarrsprengeln mit mehreren gemeinsamen Pfarrstellen können die Pastorinnen und Pastoren, die nicht nach Artikel 30 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 Mitglied sind und die im Pfarrsprengel eine Pfarrstelle innehaben oder verwalten, an den Sitzungen aller Kirchengemeinderäte der im Pfarrsprengel verbundenen Kirchengemeinden mit beratender Stimme teilnehmen.
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Weitere sachkundige Personen können zu Beratungen des Kirchengemeinderates hinzugezogen werden.
#Grundinformationen
##I. Textgeschichte
#1. Veränderungen
Durch Artikel 1 des Zweiten Kirchengesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften Vom 24. Mai 2021 (KABl. S. 254) wurde Artikel 32 Absatz 2 im Hinblick auf die Bildung von Pfarrsprengeln neu gefasst.
#2. Textentwicklung
Als Artikel 31 war die Vorschrift in ihrer späteren Fassung bereits Bestandteil des Verfassungsentwurfs für die 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode (Drucksache 5, Seite 19).
- (1) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirchengemeinde sollen zu den ihren Aufgabenbereich betreffenden Beratungen des Kirchengemeinderates hinzugezogen werden.
- (2) Die der Kirchengemeinde zugeordneten Pastorinnen und Pastoren sowie die Vikarinnen und Vikare nehmen an den Sitzungen des Kirchengemeinderates mit beratender Stimme teil.
- (3) Weitere sachkundige Personen können zu Beratungen des Kirchengemeinderates hinzugezogen werden.
In der Fassung für die 2. Tagung der Verfassunggebenden Synode war die Regelung als Artikel 33 zu finden (Drucksache 3/II, Seite 22).
#3. Erläuterungen zum Entwurf der Verfassung
„Da die Mitgliedschaft im Kirchengemeinderat auf eine Mitarbeiterin bzw. auf einen Mitarbeiter begrenzt ist, sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemäß Artikel 31 zu den ihren Aufgabenbereich betreffenden Beratungen hinzugezogen werden. Pastorinnen und Pastoren, die gemäß Artikel 94 Absatz 2 Nr. 6 oder Artikel 95 Absatz 2 Nr. 6 zugeordnet wurden, nehmen mit beratender Stimme teil.“
(1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 78)
#4. Weitere Materialien (insbesondere des Verbandes)
Der erste Entwurf von Prof. Dr. Unruh lautete Anfang Mai 2010:
- Artikel 32: Teilnahmerechte
- (1) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirchengemeinde sind zu den ihren Aufgabenbereich betreffenden Beratungen des Kirchenvorstands hinzuzuziehen.
- (2) Die der Kirchengemeinde zugeordneten Pastorinnen und Pastoren nehmen an den Sitzungen des Kirchenvorstands mit beratender Stimme teil.
Überlegungen der Textgruppe hierzu waren die Fragen, ob aus Absatz 1 eine Soll-Vorschrift gemacht werden solle und ob in Absatz 2 auch Vikarinnen und Vikare einzubeziehen seien.
Propst Dr. Gorski äußerte zu der ersten Frage die Auffassung, dass Absatz 1 – wie in der Nordelbischen Verfassung – eine Soll-Vorschrift bleiben sollte. Vor dem Hintergrund des Allgemeinen Priestertums sei es andernfalls theologisch nicht schlüssig.
Mit Stand 31. Mai 2010 – beschlossen von der AG Verfassung am 10. Juni 2010 – hatte die Vorschrift bereits die endgültige Fassung, insbesondere wurde die Bezeichnung „Kirchengemeinderat“ verwendet. Lediglich die Nummerierung innerhalb der Verfassung wurde jeweils angepasst.
Im Rahmen der 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode wurde folgender Antrag (66/13) gestellt: „Absatz 1 wird wie folgt gefasst: „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirchengemeinde sind zu den ihren Aufgabenbereich betreffenden Beratungen hinzuzuziehen.“ Die Begründung verstehe sich von selbst.“
Der Rechtsausschuss beriet diesen Antrag in seiner Sitzung vom 18. und 19. März 2011 und sprach sich dabei für eine Soll-Regelung aus in Absatz 1 aus. Kritisch angemerkt wurde, dass die Entscheidungskompetenz nicht geklärt sei, so dass es zum Streit zwischen Vorsitz und dem übrigen Kirchengemeinderat kommen könne. Auch die Themen Befangenheit und Öffentlichkeit wurden diskutiert.
Mehrere betonten, dass das Wort „soll“ in Absatz 1 nicht juristisch gemeint sein könne, sondern ausnahmsweise im Sinne von „grundsätzlich“ zu verstehen sei. Änderungsanträge wurden nicht gestellt. Die Formulierung „hinzugezogen“ wurde diskutiert, als Ersatz wurde von einigen Mitgliedern des Ausschusses „teilnehmen“ vorgeschlagen. Da es vermehrt Mitarbeitende in der Kirchengemeinde geben könne, die nicht Mitglieder der Kirche seien, wurde deren Teilnahme an der Arbeit und an den Sitzungen des Kirchengemeinderats kritisch hinterfragt. In Absatz 2 sei die Formulierung „Zuordnung“ weit zu verstehen, alle „irgendwie“ zugeordneten Pfarrpersonen fielen darunter, so dass auch bewusst auf die Nennung von Rechtsgrundlagen verzichtet worden sei, um die Zuordnung nicht einzuschränken.
Aus der Propsteisynode Ludwigslust-Dömitz kam im April 2011 der Hinweis, dass die Frage nach einer öffentlichen oder nichtöffentlichen Sitzung nicht entschieden sei. Teil 4 § 28 Absatz 1 Einführungsgesetz gehe von einer in der Regel nichtöffentlichen Sitzung aus, in der Diskussion wurde dann auch eine öffentliche Tagung abgelehnt.
Das Kirchenmusikwerk der ELLM und der PEK sprach sich für die Formulierung in Absatz 1 „sind […] hinzuzuziehen“ aus.
Der Antrag 66/13 fand Unterstützung in den Kirchenkreisen Dithmarschen und Nordfriesland sowie vom Gesamtausschuss der Mitarbeitervertretungen und vom Landeskirchenmusikdirektor.
Das NKA sprach sich hingegen dafür aus, den Antrag 66/13 nicht zu übernehmen, da es durch aus Fälle geben könne, in denen die Beratung ohne Hinzuziehung aller fachlichen Zuständigkeiten erfolgen müsse.
Die Kirchenleitung nahm die vorgeschlagenen Änderungen, dass eine Aussage, ob die Sitzungen öffentlich sind oder nicht, zu ergänzen sei und dass die Formulierung in Absatz 1 in „sind hinzuzuziehen“ geändert werden sollte, nicht auf.
#II. Vorgängervorschriften
#1. Verfassung der NEK
Artikel 17 Verfassung NEK lautete in den Absätzen 5 und 6:
- (5) Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirchengemeinde sind bei der tagesordnungsmäßigen Beratung ihres Sachgebietes durch den Kirchenvorstand hinzuzuziehen.
- (6) An den Sitzungen des Kirchenvorstandes nehmen die der Kirchengemeinde nach Artikel 34 Absatz 2 oder nach Artikel 89 Absatz 2 Buchstabe e oder nach Artikel 90 Absatz 2 Buchstabe d zugeordneten Pastorinnen und Pastoren mit beratender Stimme teil.
2. Entsprechende Normen der ELLM/PEK
§ 54 Absatz 2 der Kirchengemeindeordnung ELLM lautete:
- (2) 1 Der Kirchgemeinderat gibt den in der Kirchgemeinde angestellten Mitarbeitern Gelegenheit, über ihre Arbeit zu berichten sowie Wünsche und Vorschläge für ihr Arbeitsgebiet vorzubringen und diese mitzuberaten. 2 Vor wichtigen Entscheidungen hat der Kirchgemeinderat die Mitarbeiter des betreffenden Arbeitsgebietes zu hören.
Artikel 71 der Kirchenordnung PEK sah vor, dass Mitarbeitende in den Gemeindebeirat berufen werden sollen:
- (1) Der Gemeindekirchenrat bildet zu seiner Beratung und Unterstützung einen Gemeindebeirat.
- (2) 1 In den Gemeindebeirat beruft der Gemeindekirchenrat Gemeindeglieder, die sich im kirchlichen Leben bewähren und die Arbeit in der Gemeinde mittragen. 2 Dabei sind die Gemeindekreise zu berücksichtigen. 3 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirchengemeinde, die nicht nach Artikel 66 Absatz 28 dem Gemeindekirchenrat angehören, werden in der Regel in den Beirat berufen.
3. Grundsätze zum Fusionsvertrag
Die Grundsätze zum Fusionsvertrag enthalten keine Ausführungen zu den Teilnahmerechten bezüglich der Sitzungen des Kirchengemeinderats.
#III. Ergänzende Vorschriften
#1. Normen mit Verfassungsrang
§ 28 Absatz 1 und 2 Kirchengemeindeordnung regelt die Nicht-Öffentlichkeit der Sitzungen des Kirchengemeinderates. Die Absätze 3-5 wiederholen den Wortlaut des Artikels 32. Nach § 40 KGO tagen auch die Ausschüsse des Kirchengemeinderates in nicht-öffentlicher Sitzung, die Regelungen über die Teilnahmerechte gelten entsprechend. Darüber hinaus kann in viele Ausschüsse neben Mitgliedern des Kirchengemeinderates jedes wählbare Gemeindeglied berufen werden (§ 39 Absatz 2, § 41 Absatz 4, § 45 Absatz 2 KGO).
#2. Einfache Kirchengesetze
Gemäß § 7 Absatz 2 Nummer 7 Kirchengesetz zur Ordnung der Beauftragung und des Dienstes der Prädikantinnen und Prädikanten (Prädikantengesetz – PrädG) vom 11. Dezember 2013 (KABl. 2014 S. 106) regelt die Dienstvereinbarung, die gemäß Absatz 1 zur Konkretisierung des Dienstes der Prädikantin bzw. des Prädikanten mit der Kirchengemeinde geschlossen wird, die „Hinzuziehung zu Sitzungen des Kirchengemeinderates nach Maßgabe des Artikels 32 Absatz 3 der Verfassung“.
#3. Untergesetzliche Normen
§ 6 Absatz 7 Satz 1 Rechtsverordnung über die Ausbildung im Vorbereitungsdienst der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland (Pastorenvorbereitungsdienstverordnung – PVorbDVO) vom 11. Juni 2012 (KABl. S. 106) lautet: „Die Vikarin bzw. der Vikar nimmt regelmäßig mit beratender Stimme an den Sitzungen des Kirchengemeinderats teil und wird in die Verwaltungsaufgaben der Ortskirchengemeinde eingeführt.“
#IV. Zusammenhänge und Rechtsvergleich
#1. Verweise auf andere Verfassungsbestimmungen
Entsprechende Regelungen finden sich auch für die Leitungsgremien der anderen Ebenen: Artikel 62 regelt die Teilnahmerechte an den Sitzungen des Kirchenkreisrates; Artikel 92 regelt die Teilnahmerechte an den Sitzungen der Kirchenleitung. Regelungen bestehen auch für die Synoden: Artikel 49 regelt die Teilnahme an der Kirchenkreissynode, Artikel 81 regelt die Teilnahme an der Landessynode.
Nach Artikel 6 Absatz 10 sind nur die Sitzungen der Kirchenkreissynoden und der Landesssynode öffentlich.
#2. Verweise auf kirchliches Recht (außerhalb der Nordkirche)
Artikel 16 Absatz 4 der Grundordnung EKBO lautet:
- „ 1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pfarrdienst, die mit der Wahrnehmung pfarramtlicher Dienste in der Kirchengemeinde beauftragt sind, ohne Mitglied im Gemeindekirchenrat zu sein, oder nach Absatz 3 Inhaberinnen und Inhaber einer Pfarrstelle sind, ohne dem Gemeindekirchenrat anzugehören, Vikarinnen und Vikare sowie die oder der Vorsitzende des Beirats nehmen an der Sitzung des Gemeindekirchenrates mit beratender Stimme teil. 2 Theologinnen und Theologen, die in der Kirchengemeinde einen Predigtauftrag wahrnehmen, werden zu den Sitzungen des Gemeindekirchenrates eingeladen; sie können mit beratender Stimme an der Sitzung teilnehmen.“
Artikel 23 GO EKBO enthält darüber hinaus in Absatz 8 Satz 2-5 folgende Regelungen:
- „ 2 Der Gemeindekirchenrat kann Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirchengemeinde und Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindejugend zu seinen Sitzungen oder zur Beratung einzelner Verhandlungsgegenstände mit beratender Stimme hinzuziehen. 3 Dies soll insbesondere geschehen, wenn Fragen aus deren Arbeitsgebieten beraten werden. 4 Der Gemeindekirchenrat kann zu einzelnen Verhandlungsgegenständen Sachkundige anhören. 5 Die Sitzungsteilnahme der in diesem Absatz genannten Personen ist nur zulässig, soweit die Verhandlungen den Verzicht auf vertrauliche Beratung zulassen.“
Artikel 28 der Kirchenverfassung EKM regelt in Absatz 3:
- „In Angelegenheiten ihres Aufgabenbereichs zieht der Gemeindekirchenrat die dazu in der Kirchengemeinde beauftragten Mitarbeiter zu seinen Beratungen hinzu.“
Die ab dem 1. Januar 2020 geltende Kirchenverfassung Hannover enthält keine dem Artikel 32 entsprechenden Regelungen.
#3. Verweise auf staatliches Recht
Nach § 35 Absatz 1 Gemeindeordnung Schleswig-Holstein sind die Sitzungen der Gemeindevertretung öffentlich. In § 16c Absatz 2 wird geregelt, dass die Gemeindevertretung beschließen kann, Sachkundige sowie Einwohnerinnen und Einwohner, die von dem Gegenstand der Beratung betroffen sind, anzuhören.
Nach § 29 Absatz 5 Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern sind die Sitzungen der Gemeindevertretung öffentlich. In § 17 Absatz 2 wird geregelt, dass die Gemeindevertretung beschließen kann, Sachverständige sowie Einwohnerinnen und Einwohner, die von dem Gegenstand der Beratung betroffen sind, anzuhören.