.Erläuterungen
Artikel 35
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Erläuterungen
zu Artikel 35 der Verfassung
Bearbeitungsstand: Juli 2023
####Artikel 35
Verfahren
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1 Die Gemeindeversammlung soll mindestens einmal im Jahr durch das vorsitzende Mitglied des Kirchengemeinderates einberufen werden. 2 Sie ist einzuberufen auf Beschluss des Kirchengemeinderates oder auf Antrag einer Anzahl von Gemeindegliedern, die mindestens ein Dreifaches der Anzahl der Mitglieder des Kirchengemeinderates beträgt.
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Teilnahmeberechtigt sind alle Gemeindeglieder.
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Die Gemeindeversammlung tagt öffentlich.
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Die Gemeindeversammlung wählt aus den Mitgliedern des Kirchengemeinderates ein Mitglied in den Vorsitz.
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Artikel 6 Absatz 8 gilt nicht.
#Grundinformationen
##I. Textgeschichte
#1. Veränderungen
Die Vorschrift ist seit dem Inkrafttreten weitgehend unverändert. Durch Kirchengesetz vom 2. Oktober 2021 (KABl. S. 415) wurde der Verweis in Absatz 5 angepasst. Dies ist eine Folgeänderung zur Ergänzung des Artikels 6 durch das Kirchengesetz zur Tagung kirchlicher Gremien vom 16. März 2021 (KABl. S. 146).
#2. Textentwicklung
Der Verfassungsentwurf zur 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode enthielt in Artikel 34 Absatz 2 ein Einberufungsrecht der leitenden Geistlichen:
Artikel 34: Verfahren
- (1) Die Gemeindeversammlung soll mindestens einmal im Jahr durch das vorsitzende Mitglied des Kirchengemeinderates einberufen werden. Sie ist einzuberufen auf Beschluss des Kirchengemeinderates oder auf Antrag einer Anzahl von Mitgliedern der Kirchengemeinde, die mindestens ein Dreifaches der Anzahl der Mitglieder des Kirchengemeinderates beträgt.
- (2) Die Gemeindeversammlung kann durch die Bischöfin bzw. den Bischof im Sprengel oder durch die Pröpstin bzw. den Propst einberufen werden.
- (3) Teilnahmeberechtigt sind alle Gemeindeglieder.
- (4) Die Gemeindeversammlung tagt öffentlich.
- (5) Die Gemeindeversammlung wählt aus den Mitgliedern des Kirchengemeinderates ein Mitglied in den Vorsitz.
- (6) Artikel 7 Absatz 7 gilt nicht.
(1. Tagung der Verfassunggebenden Synode, Drucksache 5, Seite 20)
Diese Fassung der Regelung fand sich mit redaktionellen Korrekturen auch als Artikel 36 im Entwurf zur 2. Tagung der Verfassunggebenden Synode (Drucksache 3/II, Seite 23).
Der Entwurf zur 3. Tagung der Verfassunggebenden Synode enthält in Artikel 35 die aktuelle Fassung (Drucksache 4/III); der bisherige Absatz 2 wurde gestrichen.
#3. Erläuterungen zum Entwurf der Verfassung
Die Erläuterungen zum Entwurf der Verfassung der 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode enthalten keine Ausführungen zum damaligen Artikel 34.
#4. Weitere Materialien (insbesondere des Verbandes)
Mit Stand vom 8. Juli 2010 hatte die Regelung als Artikel 34 folgende Fassung:
- (1) 1 Die Gemeindeversammlung soll mindestens einmal im Jahr durch das vorsitzende Mitglied des Kirchengemeinderates einberufen werden. 2 Sie ist einzuberufen auf Beschluss des Kirchengemeinderates oder auf Antrag einer Anzahl von Mitgliedern der Kirchengemeinde, die ein Dreifaches der Anzahl der Mitglieder des Kirchengemeinderates beträgt.
- (2) Die Gemeindeversammlung kann durch die Landesbischöfin bzw. den Landesbischof, die Bischöfin bzw. den Bischof im Sprengel oder durch die Pröpstin bzw. den Propst einberufen werden.
- (3) Teilnahmeberechtigt sind alle Mitglieder der Kirchengemeinde.
- (4) Die Gemeindeversammlung tagt öffentlich.
- (5) Die Gemeindeversammlung wählt aus den Mitgliedern des Kirchengemeinderates ein Mitglied in den Vorsitz.
- (6) Artikel 7 Absatz 6 gilt nicht.
Ausgehend von dieser Fassung, votierte die AG Theologie für die Formulierung „die mindestens ein Dreifaches“ in Absatz 1 Satz 2.
Die Kirchenleitung der PEK stimmte für die Streichung der Einberufungsmöglichkeit der Gemeindeversammlung durch die Landesbischöfin bzw. den Landesbischof, wie es in der Verfassung der ehemaligen NEK vorgesehen war. Für Absatz 5 stimmte die KL der ehemaligen PEK für folgende Fassung: „Die Gemeindeversammlung wählt aus den Mitgliedern des Kirchengemeinderates ihren Vorsitz.“
Auf der 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode wurde der Antrag gestellt, Artikel 34 Absatz 4 wie folgt zu formulieren: „Die Gemeindeversammlung soll öffentlich tagen.“ (Antrag 119).
Die NEK gab folgende Stellungnahme zum Entwurf der 1. Tagung der Verfassunggebenden Synode ab: „In Absatz 1 Satz 2 werden die Worte „Mitgliedern der Kirchengemeinde“ ersetzt durch das Wort „Kirchenmitgliedern“. Absatz 3 erhält folgende Fassung: „(3) Teilnahmeberechtigt sind alle Kirchenmitglieder, stimmberechtigt sind alle konfirmierten Kirchenmitglieder.““
In der 3. Sitzung des Rechtsausschusses vom 18./19. März 2011 wird diskutiert, ob Absatz 1 eine „Soll“- oder eine „Muss“-Vorschrift sein soll. Angepasst an den damaligen Artikel 10 Absatz 2 wurde vorgeschlagen, „Mitglieder“ in „Gemeindeglieder“ zu ersetzen. In Frage gestellt wurde außerdem, ob alle Gemeindeglieder teilnahmeberechtigt sein sollen oder ob grundsätzlich öffentlich getagt werden sollte. Ein Antragsrecht der Gemeindeversammlung an den Kirchengemeinderat wurde abgelehnt, ebenso Antrag 119. Allerdings empfahl der Rechtsausschuss, dass die Gemeindeversammlung einmal jährlich tagen muss.
Von der EKD kam ein sprachlicher Verbesserungsvorschlag: „Artikel 7 Absatz 6 findet keine Anwendung.“. Diesem Vorschlag wurde aus Gründen der Einheitlichkeit innerhalb der Verfassung jedoch nicht gefolgt.
Die Steuerungsgruppe schließlich stimmte für eine einheitliche Verwendung des Begriffs „Gemeindeglieder“, so dass auch in Artikel 34 die Formulierung „Mitglieder der Kirchengemeinde“ ersetzt werden sollte, was auf der 2. Tagung der Verfassunggebenden Synode umgesetzt wurde.
#II. Vorgängervorschriften
#1. Verfassung der NEK
Artikel 13 Verfassung NEK regelte die Gemeindeversammlung:
- (1) 1 An der Gemeindeversammlung können die konfirmierten Gemeindeglieder teilnehmen. 2 Die Gemeindeversammlung ist mindestens einmal im Jahr durch das vorsitzende Mitglied des Kirchenvorstandes einzuberufen. 3 Sie ist außerdem einzuberufen, wenn der Kirchenvorstand oder dreimal so viele teilnahmeberechtigte Gemeindeglieder, als der Kirchenvorstand Mitglieder hat, es verlangen. 4 Ferner kann sie durch die Landesbischöfin bzw. den Landesbischof, die Bischöfin bzw. den Bischof im Sprengel oder durch die Pröpstin bzw. den Propst einberufen werden.
- (2) Die Gemeindeversammlung wählt aus den Mitgliedern des Kirchenvorstandes ein Mitglied in den Vorsitz, das die Gemeindeversammlung leitet.
Artikel 121 Absatz 1 ergänzte hinsichtlich der Beschlussfähigkeit:
- Die kirchlichen Gremien, mit Ausnahme der Gemeindeversammlung und des Konvents der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sind beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte ihrer gesetzlichen Mitglieder anwesend ist.
2. Entsprechende Normen der ELLM/PEK
Das Verfassungsrecht der ELLM kannte keine Gemeindeversammlung.
Die Kirchenordnung der PEK regelte Verfahren und Befugnisse der Gemeindeversammlung einheitlich in Artikel 72. Satz 1 bezieht sich dabei auf die Einberufung:
- „Der Gemeindekirchenrat soll jährlich einmal die Gemeindeglieder zu einer Gemeindeversammlung zusammenrufen.“
3. Grundsätze zum Fusionsvertrag
Die Grundsätze zum Fusionsvertrag enthalten keine Ausführungen zur Gemeindeversammlung.
#III. Ergänzende Vorschriften
#1. Normen mit Verfassungsrang
In § 49 Kirchengemeindeordnung finden sich die Verfassungsregelungen zur Gemeindeversammlung wieder, ergänzt um weitere Einzelheiten zum Verfahren. Unter anderem findet sich hier das Einberufungsrecht der leitenden Geistlichen wieder (Absatz 2). In der Regel wird sie aber vom Kirchengemeinderat einberufen (§ 48 Absatz 1 Satz 2 KGO).
#2. Satzungen (der Kirchenkreise etc.)
Eigene besondere Regelungen zu den Gemeindeversammlungen finden sich in den Satzungen der Evangelischen Studierendengemeinde Kiel und Rostock sowie in der Satzung der Nordschleswigschen Gemeinde.
#IV. Zusammenhänge und Rechtsvergleich
#1. Verweise auf andere Verfassungsbestimmungen
Die Bestimmung über die Aufgaben der Gemeindeversammlung findet sich in Artikel 34.
#2. Verweise auf kirchliches Recht (außerhalb der Nordkirche)
Artikel 28 der Grundordnung der EKBO regelt zur Gemeindeversammlung:
- (1) 1 Der Gemeindekirchenrat lädt im Benehmen mit dem Gemeindebeirat mindestens einmal im Jahr zur Gemeindeversammlung ein. 2 Die Gemeindeversammlung muss einberufen werden, wenn der Gemeindebeirat oder mindestens 20 wahlberechtigte Mitglieder der Kirchengemeinde dies schriftlich unter Angabe der Gründe verlangen. 3 Die Gemeindeversammlung wird von der oder dem Vorsitzenden des Gemeindekirchenrates geleitet. 4 Artikel 23 Absatz 12 gilt entsprechend.
- (2) 1 Der Gemeindekirchenrat, der Gemeindebeirat sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berichten der Gemeindeversammlung über ihre Arbeit und über wesentliche Ereignisse und Entwicklungen im Leben der Gemeinde, des Kirchenkreises und der Landeskirche. 2 Über die Berichte findet eine Aussprache statt. 3 Die Gemeindeversammlung kann dem Gemeindekirchenrat, dem Gemeindebeirat und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Empfehlungen geben. 4 Vorschlägen zur Besserung und Bereicherung des Gemeindelebens sowie Beanstandungen haben sie nachzugehen.
Artikel 30 Kirchenverfassung der EKM regelt zur Gemeindeversammlung
- (1) Der Gemeindekirchenrat soll einmal im Jahr zur Besprechung von Fragen des kirchlichen Lebens eine Gemeindeversammlung einberufen.
- (2) Die Gemeindeversammlung wird vom Vorsitzenden des Gemeindekirchenrates oder auf Beschluss des Gemeindekirchenrates von einem anderen Mitglied des Gemeindekirchenrates geleitet.
- (3) 1 Anregungen können in Entschließungen der Gemeindeversammlung ihren Ausdruck finden. 2 Sie müssen vom Gemeindekirchenrat vordringlich behandelt werden. 3 Die Bestimmungen über die Zuständigkeit des Gemeindekirchenrates bleiben im Übrigen unberührt.
Artikel 29 der Kirchenverfassung Hannover regelt zur Gemeindeversammlung:
- (1) Für Berichte und zur Beratung über wichtige Angelegenheiten der Kirchengemeinde soll der Kirchenvorstand mindestens einmal im Jahr eine Versammlung der Mitglieder der Kirchengemeinde einberufen (Gemeindeversammlung).
- (2) 1 Zur Förderung des Gemeindelebens kann der Kirchenvorstand einen Gemeindebeirat bilden. 2 Er muss ihn bilden, wenn die Gemeindeversammlung die Bildung beantragt.
3. Verweise auf staatliches Recht
Gemäß § 16 b Gemeindeordnung Schleswig-Holstein gibt es eine Einwohnerversammlung:
- (1) Zur Erörterung wichtiger Angelegenheiten der Gemeinde kann eine Versammlung von Einwohnerinnen und Einwohnern einberufen werden. Sie muss einberufen werden, wenn die Gemeindevertretung dies beschließt. Die Einberufung und Leitung der Einwohnerversammlung obliegt der oder dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung. Die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister nimmt an der Versammlung teil; ihr oder ihm ist auf Wunsch das Wort zu erteilen. Versammlungen von Einwohnerinnen und Einwohnern können auf Teile des Gemeindegebiets beschränkt werden.
- (2) Vorschläge und Anregungen der Versammlung von Einwohnerinnen und Einwohnern müssen in einer angemessenen Frist von den zuständigen Organen der Gemeinde behandelt werden.
- (3) Das Nähere regelt die Hauptsatzung.
Nach § 16 Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern sollen zur Unterrichtung der Einwohnerinnen und Einwohner Einwohnerversammlungen abgehalten werden.