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Kirchengesetz
über die Visitation
(Visitationsgesetz – VisitationsG)1#

Vom 7. Oktober 2008

(GVOBl. S. 290)

Die Synode hat das folgende Kirchengesetz beschlossen:
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Präambel

Die Visitation ist Ausdruck der Gemeinschaft und der Einheit der Kirche in der Gesamtheit ihrer Lebensäußerungen. Sie soll helfen, den Auftrag der Kirche in Gottesdienst, Sakramentsverwaltung, Amtshandlungen, Seelsorge und Unterweisung zu erfüllen. Durch sie soll die Gemeinschaft der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und aller Gemeindeglieder gefördert, die missionarische, diakonische, ökumenische und öffentliche Verantwortung gestärkt und die Verbundenheit der Kirchengemeinden, Kirchenkreise und kirchlichen Einrichtungen untereinander vertieft werden. Sie dient dem Austausch über die Ziele kirchlicher Arbeit. Sie ist gemeinsame Beratung und Seelsorge.
Die Visitatorinnen und Visitatoren wirken darauf hin, dass die kirchliche Ordnung eingehalten und die Einheit der Kirche gefördert wird. Sie sprechen Ermunterung und Bestärkung zu.
Die in der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche zu geistlicher Leitung und Aufsicht Berufenen führen die Visitation durch. Sie gilt den Kirchengemeinden, den Kirchenkreisen, den kirchlichen Einrichtungen sowie den in ihnen tätigen Gremien, den Pastorinnen und Pastoren und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
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I. Die pröpstliche Visitation

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§ 1

( 1 ) Die Pröpstin oder der Propst visitiert die Kirchengemeinden und die kirchlichen Einrichtungen ihres oder seines Zuständigkeitsbereiches.
( 2 ) Zur Unterstützung der Visitation kann die Pröpstin oder der Propst in Abstimmung mit dem Kirchenkreisvorstand eine Kommission bilden, der sachverständige Personen angehören.
( 3 ) Die Visitationen sind in jedem Kirchenkreis nach einem regelmäßigen geordneten Turnus, in der Regel alle sechs Jahre, durchzuführen. Dabei gelangen die Instrumente der Personal- und Organisationsentwicklung zur Anwendung.
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§ 2

( 1 ) Die Pröpstin oder der Propst stellt für jedes Jahr im Voraus einen Visitationsplan auf und teilt ihn der Landesbischöfin bzw. dem Landesbischof, der Bischöfin bzw. dem Bischof im Sprengel, dem Kirchenkreisvorstand und dem Nordelbischen Kirchenamt mit. Die Kirchengemeinden sowie die Einrichtungen des Kirchenkreises können die Visitation und die Aufnahme in den Visitationsplan beantragen.
( 2 ) Den zu visitierenden Kirchengemeinden und Einrichtungen soll die Visitation mindestens sechs Monate vorher bekannt gegeben werden. Die Gemeindeglieder und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einrichtungen sind darauf hinzuweisen, dass sie das Recht haben, Wünsche und Beschwerden der Pröpstin oder dem Propst schriftlich oder mündlich mitzuteilen.
( 3 ) Zur Vorbereitung der Visitation erhält die Pröpstin oder der Propst einen Bericht der Gemeinde oder der Einrichtung, in dem deren besondere Aufgaben und Erfahrungen, die Struktur der Arbeitsfelder, der Stand der Arbeit, die Finanz- und Vermögenslage, die kirchlichen Gebäude und die gegenwärtige Situation der einzelnen Bereiche dargestellt sind.
( 4 ) Der Verlauf der Visitation soll spätestens einen Monat vorher zwischen der Pröpstin oder dem Propst und dem Kirchenvorstand oder der Leitung der Einrichtung abgesprochen werden.
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§ 3

( 1 ) Die Visitation der Kirchengemeinde soll die wesentlichen Arbeitsfelder, Bereiche und Einrichtungen erfassen. Die Pröpstin oder der Propst erörtert, im Fall des § 1 Absatz 2 zusammen mit der Kommission, im Gespräch mit dem Kirchenvorstand, den Pastorinnen und Pastoren und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anhand der vorgelegten schriftlichen Mitteilungen und Berichte sowie des persönlichen Eindrucks die Erfüllung der diesen obliegenden Aufgaben. Zur Visitation gehören insbesondere eine Kirchenvorstandssitzung, eine Gemeindeversammlung und ein Visitationsgottesdienst sowie in einer Einrichtung der Kirchengemeinde die Teilnahme an einer Sitzung des Leitungsgremiums.
( 2 ) Der Kirchenvorstand soll der Pröpstin oder dem Propst, im Fall des § 1 Absatz 2 zusammen mit der Kommission, eine Begegnung mit dem ökumenischen, gesellschaftlichen und öffentlichen Umfeld der Kirchengemeinde, insbesondere mit repräsentativen Vertretungen der anderen christlichen Glaubensgemeinschaften, der politischen Gemeinden, der Schulen und der Medien ermöglichen.
( 3 ) Zur Visitation gehören in der Regel Gespräche mit den Pastorinnen und Pastoren sowie den haupt-, neben- und ehrenamtlich Mitwirkenden, wobei Gelegenheit zu Einzelgesprächen vorgesehen werden soll.
( 4 ) Bei der Visitation ist dem Kirchenvorstand Gelegenheit zu geben, sich gegenüber der Pröpstin oder dem Propst in Abwesenheit der Pastorinnen und Pastoren und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über deren Amtsführung zu äußern.
( 5 ) Im Visitationsgottesdienst kann die Predigt entweder von der Pröpstin oder dem Propst oder einer Pastorin oder einem Pastor der Kirchengemeinde gehalten werden. Im letzteren Fall soll die Pröpstin oder der Propst die Gelegenheit haben, sich an die Gemeinde zu wenden.
( 6 ) Die Visitation von Einrichtungen des Kirchenkreises erfolgt nach den Erfordernissen des Einzelfalls in dem Rahmen, wie er durch die Absätze 1 bis 5 beschrieben ist.
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§ 4

( 1 ) Alsbald nach Abschluss der Visitation erstellt die Pröpstin oder der Propst einen Bericht, der über die wesentlichen Ergebnisse der Visitation Auskunft gibt. Er enthält Vorschläge, Anregungen, Hinweise oder Ermahnungen und die getroffenen Vereinbarungen. Dem Bericht sind die Berichte gemäß § 2 Absatz 3 und sonstige Unterlagen über Veranstaltungen während der Visitation beizufügen.
( 2 ) Der Bericht wird der Kirchengemeinde oder der Einrichtung mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übersandt. Nach Eingang der Stellungnahme findet auf Wunsch der Pröpstin oder des Propstes oder des Kirchenvorstandes oder der Einrichtungsleitung eine Abschlussbesprechung statt, die auch öffentlich sein kann.
( 3 ) Die Pröpstin oder der Propst gibt den abschließenden Bericht über die pröpstliche Visitation zusammen mit der Stellungnahme des Kirchenvorstandes oder der Einrichtung dem Kirchenkreisvorstand und der Bischöfin oder dem Bischof im Sprengel zur Kenntnis. Die Landesbischöfin bzw. der Landesbischof und das Nordelbische Kirchenamt erhalten Abschriften.
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§ 5

Soweit vereinbart legt die Kirchengemeinde oder die Einrichtung der Pröpstin oder dem Propst spätestens ein Jahr nach dem Eingang des Berichtes gemäß § 4 Absatz 3 ihrerseits einen Bericht darüber vor, welchen Fortgang die Umsetzung der Visitationsergebnisse nimmt. Die Pröpstin oder der Propst kann, sofern der Bericht dazu Anlass gibt, weitere Vorschläge, Anregungen, Hinweise oder Ermahnungen aussprechen.
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II. Die bischöfliche Visitation

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§ 6

( 1 ) Die Landesbischöfin bzw. der Landesbischof hat das umfassende Recht zur Visitation. Zu ihren bzw. seinen besonderen Pflichten gehört die Visitation der gesamtkirchlichen Einrichtungen.
( 2 ) Die Bischöfinnen und Bischöfe im Sprengel haben in ihren Sprengeln das umfassende Recht zur Visitation. Sie visitieren insbesondere die Kirchenkreise. Dazu gehört auch das Gespräch mit den Konventen der Pastorinnen und Pastoren und den Kirchenkreisvorständen. In Absprache mit den Pröpstinnen und Pröpsten visitieren sie Kirchengemeinden und Einrichtungen in den Kirchenkreisen.
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§ 7

( 1 ) Die Visitationspläne der Bischöfe werden im Bischofsrat für jedes Jahr im Voraus aufgestellt.
( 2 ) Die Bischöfinnen und Bischöfe im Sprengel teilen ihren Visitationsplan den Pröpstinnen und Pröpsten ihres Sprengels, den Hauptbereichsleitungen sowie dem Nordelbischen Kirchenamt mit.
( 3 ) Die bischöfliche Visitation orientiert sich an den §§ 2 bis 5.
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III. Die Visitation der
rechtlich selbstständigen Dienste, Werke und Einrichtungen

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§ 8

Rechtlich selbstständige Dienste, Werke und Einrichtungen werden visitiert, soweit dies allgemein oder im Einzelfall vereinbart ist.
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IV. Die außerordentliche Visitation

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§ 9

( 1 ) Bei Vorliegen besonderer Umstände oder auf begründeten Antrag können sowohl die Bischöfinnen und Bischöfe als auch die Pröpstinnen und Pröpste jederzeit eine außerordentliche Visitation durchführen.
( 2 ) Bei der Vorbereitung und Durchführung der außerordentlichen Visitation kann in erforderlichem Umfang von den Bestimmungen dieses Gesetzes, insbesondere von § 2Absatz 2 bis 4 und von § 3 Absatz 1 bis 4, abgewichen werden.
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V. Inkrafttreten

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§ 10

( 1 ) Dieses Kirchengesetz tritt am 1. Mai 2009 in Kraft.
( 2 ) Gleichzeitig tritt die Visitationsordnung vom 2. August 1983 (GVOBl. S. 199)2# außer Kraft.

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1 ↑ Red. Anm.: Das Kirchengesetz gilt auf dem Gebiet der ehemaligen Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche bis zu einer anderweitigen Regelung durch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland weiter, soweit es der Verfassung, dem Einführungsgesetz und den weiteren von der Verfassunggebenden Synode beschlossenen Kirchengesetzen nicht widerspricht oder im Einführungsgesetz keine abweichende Regelung getroffen wird, vgl. Teil 1 § 2 Absatz 2 des Einführungsgesetzes vom 7. Januar 2012 (KABl. S. 30, 127, 234) in der jeweils geltenden Fassung.
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2 ↑ Red. Anm.: Aufgrund fehlerhafter Nummerierung der Amtsblattausgabe lautet die bekannt gemachte Seitenzahlangabe „S. 191“.