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Kirchengericht:Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland
Entscheidungsform:Beschluss (rechtskräftig)
Datum:01.12.2016
Aktenzeichen:NK-MG 2-10/2016
Rechtsgrundlage:§ 1 Absatz 2 KSchG, § 42 Buchstabe b MVG.EKG, §§ 164 Abs. 1, 167 Abs. 1 BGB
Vorinstanzen:keine
Schlagworte:
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Leitsatz:

- Zu den Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen (§ 1 Absatz 2 KSchG),
- Prüfung einer Bestandsschutzzusage der Arbeitgeberin als „andere bindende Bestimmung“ (§ 42 Buchstabe b MVG.EKG).

Tenor:

Die verweigerte Zustimmung der Gesamtmitarbeitervertretung zur Kündigung der Arbeitnehmerin M zum nächstzulässigen Termin wird ersetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob die durch die zu 2. beteiligte Gesamtmitarbeitervertretung verweigerte Zustimmung zur Kündigung einer Arbeitnehmerin, die einziges Mitglied der Mitarbeitervertretung ist, zu ersetzen ist.
Bei der Antragstellerin (Arbeitgeberin) handelt es sich um ein Verlagsunternehmen, dessen Anteile zu 100% der P 1 GmbH gehören. Gesellschafter des P 1 wiederum sind die Nordkirche, ihre Kirchenkreise und der P 2 e.V.. Bei der Arbeitgeberin ist eine Mitarbeitervertretung nach dem MVG.EKD mit den Ergänzungen durch die Bestimmungen des Kirchengesetzes der Nordkirche zum Mitarbeitervertretungsgesetz gebildet. Sie besteht allein aus der Arbeitnehmerin Frau M. Der Sitz der Arbeitgeberin befindet sich in O 1, wo sie auch eine Betriebsstätte unterhält, in der sie zum einen Tätigkeiten eines Buchverlags erbringt und zum anderen die Zeitung Z für die Landeskirche L 2 und die Landeskirche L 1 herausgibt. In diesem Betrieb ist Frau M seit dem X.Y.1997 auf der Grundlage des Anstellungsvertrags vom X.Y.1997 i. V. m. mehreren Änderungsverträgen zunächst als Verlagsassistentin im Lektorat und sodann als Lektorin beschäftigt.
Die Buchproduktion der Arbeitgeberin ist seit Jahren defizitär. Bereits im Jahr 2014 gab es Überlegungen, den Buchverlag nebst Büchershop, Marketing und Service zu schließen. Nach Protesten der Mitarbeiter kam es schließlich im Dezember 2015 zu einer Betriebsversammlung, auf der auch der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Gesellschafterin der Arbeitgeberin, Herr V, sprach.
In den Planungen für 2015 ging die Arbeitgeberin von einem negativen Jahresergebnis von X,- € aus; tatsächlich lag der Verlust für das Jahr 2015 aber bei X,- € für den Bereich Buch. Dies beruht im Wesentlichen darauf, dass in der Planung von Umsätzen in einem Umfang von X,- € ausgegangen worden war, tatsächlich aber nur ein Umsatz von X,- € erreicht werden konnte. Vor diesem Hintergrund entschied sich die Gesellschafterversammlung der Arbeitgeberin in ihrer Sitzung vom 8. März 2016 dazu, ihre Buchproduktion sowie die Buchhaltung in O 1 zu schließen.
Gleichzeitig entschied die Gesellschafterversammlung der Arbeitgeberin, die Produktion der Zeitung Z für die Landeskirche L 1 in O 1 zum 31. Dezember 2016 einzustellen. Dies beruht auf dem Umstand, dass die Landeskirche L 1, die bisher einen Zuschuss für die Produktion der Zeitung in Höhe von X,- € jährlich gewährt hat, ab dem Jahr 2017 keinen weiteren Zuschuss mehr gewährt. Damit entfällt mehr als die Hälfte des Budgets der Zeitung Z in O 1, so dass der Arbeitgeberin die Produktion der Zeitung nicht mehr möglich ist. Die Ausgabe O 2 wird alsdann nicht mehr in O 1, sondern bei der Muttergesellschaft in O 3 und/oder O 4 produziert werden. Das Lektorat der liturgischen Bücher, die weiterhin produziert werden, wird ebenfalls von der Muttergesellschaft wahrgenommen werden. Betriebliche Aktivitäten am Betriebssitz O 1 verbleiben nach dem 31. Dezember 2016 nicht mehr. Der in O 2 tätige Herr P wird mit Ablauf des 31. Juli 2016 in den Ruhestand treten, eine Mitarbeiterin mit Ablauf des 30. September 2016. Eine andere Mitarbeiterin schied bei der Arbeitgeberin aus und wechselte und ging ein neues Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber ein. Es werden fünf Kündigungen ausgesprochen werden. Danach verbleiben nur noch die in O 2 als Redakteurin tätige Frau K und bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand Herr P. Mit Frau M vergleichbare Arbeitnehmer werden bei der Arbeitgeberin nicht beschäftigt.
Eine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht für Frau M in O 1 nicht. Die Arbeitgeberin entschied sich deshalb, das Arbeitsverhältnis mit Frau M zum 31. Dezember 2016 zu beenden. Zu diesem Zweck bat sie mit Schreiben vom 15. April 2016 die Gesamtmitarbeitervertretung um Zustimmung zur Kündigung, die sie wegen der Eigenschaft der Frau M als Mitarbeitervertretung im Hinblick auf § 6 Abs. 2 MVG.EKD für die richtige Adressatin ihres Antrags hielt. Unter dem Briefkopf der „Gesamtmitarbeitervertretung des P 1“ und mit den gedruckten Schlusszeilen „Mit freundlichen Grüßen“ / „für T (MAV-Vorsitzender)“ unterzeichnete die Verfahrensbevollmächtigte der Gesamtmitarbeitervertretung, Frau Rechtsanwältin M, unter dem Datum des 3. Mai 2016 das Schreiben, mit dem die Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung verweigert wurde. Dieses Schreiben wies die Arbeitgeberin mit E-Mail vom 9. Mai 2016 unter Bezugnahme auf § 174 Satz 1 BGB und mit dem Hinweis darauf zurück, dass ihm eine Vollmacht für Frau Rechtsanwältin M nicht beilag.
Die Arbeitgeberin meint, Gründe zur Verweigerung der Zustimmung bestünden nicht. Die Zustimmung sei schon nicht formell ordnungsgemäß erklärt worden, denn die Erklärungen mit Schreiben vom 3. Mai 2016 seien weder von der Gesamtmitarbeitervertretung noch in Vertretung für sie abgegeben worden. Ein Kündigungsausschluss sei nicht vereinbart worden. Niemand habe die Erklärung abgegeben, dass für einen bestimmten Zeitraum auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet werde, auch nicht durch Herrn V als Vorsitzender des Aufsichtsrats des damaligen Gesellschafters der Arbeitgeberin im Rahmen der Betriebsversammlung. Eine Erklärung des Herrn V habe, hätte es sie gegeben, der Arbeitgeberin auch nicht zugerechnet werden können, weil er weder Organ der Arbeitgeberin noch sonst vertretungsberechtigter Vertreter der Arbeitgeberin gewesen sei. Auch die bloße Anwesenheit eines Geschäftsführers der Arbeitgeberin führe nicht dazu, dass eine Willenserklärung des Herrn V die Arbeitgeberin binde. Es sei tatsächlich lediglich erklärt worden, dass angestrebt werde, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Allgemeiner Kündigungsschutz gelte nicht, da im Betrieb O 1 nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt seien. Jedenfalls sei die beabsichtigte Kündigung aufgrund des Wegfalls des Beschäftigungsbedürfnisses für Frau M infolge der Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung zur vollständigen Einstellung des Betriebs in O 1 zum 31. Dezember 2016 sozial gerechtfertigt. Die Voraussetzungen der Auflösung der Dienststelle gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD seien erfüllt. Mit dem 31. Dezember 2016 werde der Arbeitsplatz von Frau M ersatzlos entfallen, weil der gesamte Geschäftsbetrieb der Arbeitgeberin in O 1 eingestellt werde. Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestehe nicht. Eine Sozialauswahl sei nicht durchzuführen.
Die Arbeitgeberin beantragt
die verweigerte Zustimmung der Mitarbeitervertretung zur Kündigung der Arbeitnehmerin M zum 31. Dezember 2016, hilfsweise zum nächstzulässigen Termin bzw. weiter hilfsweise zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31. Dezember 2016, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin, zu ersetzen.
Die Mitarbeitervertretung beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Sie meint, die Zustimmungsverweigerung sei formell ordnungsgemäß für die Gesamtmitarbeitervertretung, vertreten durch die Verfahrensbevollmächtigte, erklärt worden. Eine Zurückweisung gemäß § 174 Satz 1 BGB sei rechtlich nicht zulässig. Eine Kündigung sei aufgrund einer Bestandsschutzerklärung vor dem 31. Dezember 2018 ausgeschlossen. Herr V habe in der Betriebsversammlung kundgetan und versichert, dass die Arbeitsverhältnisse derjenigen Mitarbeiter der Arbeitgeberin, die für eine Zeitung Z arbeiten, einen Bestandsschutz von zwei Jahren hätten; für die Arbeitsverhältnisse aller anderen Mitarbeiter gelte ein Bestandsschutz von vier Jahren. Dass Herr V die Erklärung nicht ausdrücklich im Namen der Arbeitgeberin abgegeben habe, spiele keine Rolle, da sich aus den Umständen ergebe, dass die Erklärung im Namen der Arbeitgeberin erfolgen sollte (§ 164 Abs. 1 BGB). Bei der Arbeitgeberin seien regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, jedenfalls aber mehr als fünf vor dem 1. Januar 2004 Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 1. Januar 2004 begonnen hat, beschäftigt, was sie weiter ausführt (Schriftsatz vom 30. Juni 2016, Seite 8 f.). Die Kündigung sei in Anbetracht des Alters und der Unterhaltsverpflichtungen treuwidrig (§ 242 BGB).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 495 ZPO und § 46 Abs. 2 Satz 1, § 80 Abs. 2 Satz 1 ArbGG und § 62 Satz 1 MVG.EKD auf die Schriftsätze der Beteiligten bzw. ihrer Verfahrensbevollmächtigten einschließlich der Anlagen und die gerichtlichen Protokolle verwiesen.

II.

Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig und begründet.
Die Zustimmung der Gesamtmitarbeitervertretung zu der beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Frau M zum – da der 31. Dezember 2016 mit den denkbaren Kündigungsfristen nicht mehr erreicht werden kann – nächstmöglichen Termin ist gemäß § 21 Abs. 3 Satz 2 MVG.EGK zu ersetzen.
1. Der Antrag ist zulässig.
Insbesondere fehlt ihm nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Er war in zutreffender Weise nicht auf die Feststellung zu richten, dass die Zustimmung als gebilligt gilt (§ 21 Abs. 4 i. V. m. § 38 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD).
Die Maßnahme der Zustimmung der – nach zutreffender Ansicht beider Beteiligten zuständigen – Gesamtmitarbeitervertretung gilt nicht als gebilligt, denn sie wurde innerhalb von zwei Wochen schriftlich verweigert. Dies geschah durch Schreiben vom 3. Mai 2016.
a) Zwar ist dieses Schreiben nicht von einem Mitglied der Gesamtmitarbeitervertretung unterzeichnet worden, sondern von seiner Verfahrensbevollmächtigten Frau Rechtsanwältin M. Diesen Umstand erachtet die Kammer jedoch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der schriftlichen Zustimmungsverweigerung als unbedenklich. Die Erklärung vom 3. Mai 2016 ist nach Ansicht der Kammer ohne vernünftigen Zweifel der Gesamtmitarbeitervertretung zuzuordnen, die sie als eigene Erklärung abgibt. Dies folgt nicht nur aus dem Umstand, dass sie unter dem Briefkopf der „Gesamtmitarbeitervertretung des P 1“ abgegeben wurde, sondern auch daraus, dass sie mit den gedruckten Schlusszeilen „Mit freundlichen Grüßen“ / „für T (MAV-Vorsitzender)“ endete. Ohne weiteres ist dem zu entnehmen, dass es sich, anders als im Recht der Stellvertretung, nicht um eine eigene Erklärung der Vertreterin, sondern der Gesamtmitarbeitervertretung handelte. Insofern mag das Geschehene eher als Botenschaft denn als Fall einer Stellvertretung angesehen werden, deren Kennzeichen ist, dass der Vertreter eine eigene Willenserklärung im Namen eines anderen abgibt.
b) Auch der Umstand, dass die Arbeitgeberin die Erklärung mit E-Mail vom 9. Mai 2016 in entsprechender Anwendung des § 174 Satz 1 BGB zurückwies, begründet nicht die Annahme, die Zustimmung sei nicht innerhalb von zwei Wochen schriftlich verweigert worden.
Die Zustimmungsverweigerung konnte nicht gemäß 174 Satz 1 BGB zurückgewiesen werden. Dies ergibt sich aus dem Zweck dieser Vorschrift, der in dem Gewissheitsinteresse des Gegners eines einseitigen empfangsbedürftigen Rechtsgeschäfts oder einer geschäftsähnlichen Handlung sowie dazu dient, klare Verhältnisse zu schaffen (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 6 AZR 348/11 – Rn. 77 ff., juris). Demnach rechtfertigt der Zweck des § 174 BGB nicht seine analoge Anwendung auf das Anhörungsschreiben i. S. v. § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG (BAG, Urteil vom 13. Dezember 2012 – 6 AZR 348/11 – Rn. 77, juris: selbst dann nicht, wenn eine betriebsfremde Person als Botin des Arbeitgebers das Anhörungsverfahren eingeleitet hat, Rn. 75). Gleiches gilt im vorliegenden Fall nach dem Dafürhalten der Kammer für die Zustimmungsverweigerungserklärung der Gesamtmitarbeitervertretung, da die Erwägungen, die das Bundesarbeitsgericht dafür anführt, dass der Zweck des § 174 BGB seine analoge Anwendung auf die Anhörung nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht erfordern (BAG a. a. O., Rn. 80), in gleicher Weise dafür gelten, dass sie auch auf das Zustimmungsverweigerungsschreiben der Gesamtmitarbeitervertretung nicht (analog) anzuwenden ist.
2. Der Antrag ist auch begründet.
Die Zustimmung der Gesamtmitarbeitervertretung ist gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 MVG.EKD zu ersetzen.
a) Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Die Dienststelle, in der Frau M tätig ist, wird ganz aufgelöst.
Versteht man den Begriff der Auflösung der Dienststelle im Bereich des Mitarbeitervertretungsrechts ebenso wie den Begriff der Stilllegung des Betriebes im allgemeinen Arbeitsrecht, so ist darunter die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung ist der des Kündigungszugangs (vgl. BAG, Urteil vom 21. April 2005 – 2 AZR 241/04 – BAGE 114,258). Grundsätzlich muss zu diesem Zeitpunkt der Kündigungsgrund, nämlich der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit, vorliegen. Dies hätte grundsätzlich zur Folge, dass betriebsbedingte Kündigungen erst möglich wären, wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers nicht mehr zur Verfügung stünde. Wegen der Zukunftsbezogenheit der Kündigung und aus Gründen der Praktikabilität hat das BAG indes schon eine beabsichtigte Betriebs- oder Abteilungsstilllegung ausnahmsweise als ein dringendes betriebliches Erfordernis anerkannt, wenn die für den künftigen Wegfall der Beschäftigung des Arbeitnehmers maßgeblichen Entwicklungen bereits zum Kündigungszeitpunkt feststehen, insbesondere wenn die unternehmerische Organisationsentscheidung bereits getroffen war und sie sich zum Ablauf der Kündigungsfrist realisiert (BAG, Urteil vom 13. Februar 2008 – 2 AZR 79/06 – Rn. 22). Dies bedeutet, dass in den Fällen, in denen zwar bei Zugang der Kündigung noch eine Möglichkeit der Beschäftigung besteht, aber die für den künftigen Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses maßgeblichen Entscheidungen bereits gefallen sind, es darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer bis zum Kündigungstermin voraussichtlich entbehrt werden kann (BAG, Urteil vom 13. Februar 2008 – a. a. O.). Davon ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf Tatsachen gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt ist, dass zum Kündigungstermin mit einiger Sicherheit der Eintritt des die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes vorliegen wird (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Urteile vom 11. März 1998 – 2 AZR 414/97; 12. April 2002 – 2 AZR 256/01). Dabei muss die der entsprechenden Prognose zugrundeliegende Entscheidung bereits zum Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein und die Schließung des Betriebes oder der Vertriebsabteilung aus Sicht der Arbeitsvertragsparteien zum Kündigungszeitpunkt bereits feststehen und greifbare Formen angenommen haben (BAG, Urteil vom 13. Februar 2008 – 2 AZR 79/06 – Rn. 23).
Wendet man diese Maßstäbe an, so wird die Dienststelle der Frau M zum 31. Dezember 2016 stillgelegt. Es blieb zuletzt unbestritten, dass die Ausgabe O 2 der Zeitung Z nach dem 31. Dezember 2016 nicht mehr in O 1, sondern bei der Muttergesellschaft in O3 und/oder O 4 produziert werden wird, das Lektorat der liturgischen Bücher, die weiterhin produziert werden, ebenfalls von der Muttergesellschaft wahrgenommen werden wird und betriebliche Aktivitäten am Betriebssitz O 1 nach dem 31. Dezember 2016 nicht mehr verbleiben. Die Gesamtmitarbeitervertretung widersprach zuletzt auch nicht mehr dem Vortrag der Arbeitgeberin, der in O 2 tätige Herr P werde mit Ablauf des 31. Juli 2016 in den Ruhestand treten, eine Mitarbeiterin mit Ablauf des 30. September 2016, und eine andere Mitarbeiterin sei bei der Arbeitgeberin ausgeschieden und ein neues Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber eingegangen. Es werden fünf Kündigungen ausgesprochen werden. Danach verbleiben nur noch die in O 2 als Redakteurin tätige Frau K und bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand Herr P. Mit Frau M vergleichbare Arbeitnehmer werden bei der Arbeitgeberin nicht beschäftigt. In diesen Umständen liegt die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft, die ihren Ausdruck darin findet, dass die Arbeitgeberin die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die mit den Tätigkeiten am Standort O 1 verfolgten bisherigen Betriebszwecke dauernd nicht weiter zu verfolgen.
Soweit die Gesamtmitarbeitervertretung im Rahmen ihres Zustimmungsverweigerungsschreibens einwandte, nicht die Verlagstätigkeit werde eingestellt, weshalb Weiterbeschäftigungsbedarf für Frau M als Lektorin bestehe, fehlt es dafür – zumindest inzwischen – an konkreten tatsächlichen Anhaltspunkten. Denn anders noch als im Zustimmungsverweigerungsschreiben (dort Seite 2 ganz unten) geht die Gesamtmitarbeitervertretung im kirchengerichtlichen Verfahren nicht mehr davon aus, dass die liturgischen Bücher nach wie vor durch die Arbeitgeberin produziert werden sollen, wofür Frau M Lektoratsaufgaben wahrnehmen könne; vielmehr nimmt sie zur Kenntnis, dass das Lektorat der liturgischen Bücher von dem P 1 wahrgenommen werde. Anders als die Gesamtmitarbeitervertretung ist die Kammer nicht der Ansicht, dass es sich dabei um einen „neuen“ Kündigungsgrund handele, der nicht Gegenstand des Zustimmungsbeantragungsschreibens der Arbeitgeberin vom 15. April 2016 gewesen sei. Denn Kündigungsgrund ist danach die Auflösung der Dienststelle infolge der Einstellung der Buchproduktion und Buchhaltung sowie der Einstellung der Zeitung Z Ausgabe O 1. Diesen Kündigungsgrund vertieft und substantiiert die Arbeitgeberin lediglich, indem sie schildert, aus welchen Umständen sich ergibt, dass auch Lektoratsaufgaben künftig nicht mehr anfallen werden.
b) Zwar handelt es sich bei dem in Übereinstimmung mit § 21 Abs. 3 MVG.EKD gestellten Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung nicht um einen Fall im Sinne von § 42 Buchst. b MVG.EKG, wonach die Mitarbeitervertretung ihre Zustimmung zu der ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit nur verweigern darf, wenn die Kündigung gegen eine Rechtsvorschrift, eine arbeitsrechtliche Regelung, eine andere bindende Bestimmung oder eine rechtskräftige Entscheidung verstößt (§ 41 Abs. 2 MVG.EKG).
Gleichwohl ist die beabsichtigte Kündigung auch im Fall des § 21 Abs. 3 MVG.EKD daran zu messen, ob sie die in § 41 Abs. 2 MVG.EKD genannten Beschränkungen beachtet. Denn die Kündigung einer Arbeitnehmerin, die als Mitglied der Mitarbeitervertretung stärkeren Schutz vor Kündigungen genießt als ein Arbeitnehmer, der kein solches Amt innehat, kann geringeren rechtlichen Anforderungen genügen als die Kündigung eines Arbeitnehmers ohne Sonderkündigungsschutz nach § 21 Abs. 3 MVG.EKD. Folglich ist die Kündigung im Fall des § 21 Abs. 3 MVG.EKD auch an den Beschränkungen des § 41 Abs. 2 MVG.EKD zu messen, obwohl ein Fall der eingeschränkten Mitbestimmung an sich nicht gegeben ist.
Doch die beabsichtigte Kündigung verstößt nicht gegen Rechtsvorschriften.
(1) Sie verstößt insbesondere nicht gegen § 1 Abs. 1 und 2 KSchG.
Dabei kann dahinstehen, ob auf das Arbeitsverhältnis der Arbeitgeberin mit Frau M gem. § 23 Abs. 1 KSchG der Erste Abschnitt des KSchG einschließlich des Erfordernisses der sozialen Rechtfertigung der Kündigung gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG anzuwenden ist. Dies ist zumindest nicht auszuschließen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben wären, dass die Betriebsstätten in O 1 und O 2 als einheitlicher Betrieb anzusehen sein sollten, denn dann wären in diesem Betrieb nach der Darstellung der Mitarbeitervertretung mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 30. Mai 2016, Seite 3 f., der die Arbeitgeberin nicht weiter entgegengetreten ist, mehr als fünf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt, deren Arbeitsverhältnisse vor dem 1. Januar 2004 begonnen haben (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG), beschäftigt.
Diese Frage braucht jedoch nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls ist die beabsichtigte Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin Frau M entgegenstehen, bedingt. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass die Anforderungen an die Auflösung der Dienststelle im Sinne von § 21 Abs. 3 MVG.EKD erfüllt sind. Damit liegen zugleich die Anforderungen an eine auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützte Kündigung wegen einer Betriebsstilllegung vor.
(2) Die beabsichtigte Kündigung verstößt auch weder gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 noch gegen § 15 Abs. 4 KSchG.
Diese Vorschriften, die Sonderkündigungsschutz zugunsten u. a. der Betriebsratsmitglieder begründen, werden durch die Sondervorschriften des § 21 MVG.EKD verdrängt.
(3) Die beabsichtigte Kündigung verstößt auch nicht gegen sonstige der in § 41 Abs. 2 MVG.EKD genannten rechtlichen Grenzen. Insbesondere verstößt sie nicht gegen eine – u. U. als „andere bindende Bestimmung“ oder „arbeitsrechtliche Regelung“ im Sinne dieser Vorschrift zu verstehende – Bestandsschutzzusage der Arbeitgeberin.
(a) Die tatsächlichen Voraussetzungen der Abgabe einer Erklärung, die den Schluss auf die Abgabe einer Erklärung des Inhalts, dass die Arbeitgeberin auf ihr Recht zur betriebsbedingen Kündigung verzichtete, zulassen, haben sich unter Beachtung des Mitwirkungsgrundsatzes der Beteiligten (§ 62 Satz 1 MVG.EKD i. V. m. § 83 Abs. 1 Satz 2 BetrVG) nicht mit hinreichender Substanz ermitteln lassen.
Zwar behauptet die Mitarbeitervertretung, eine Kündigung sei aufgrund einer Bestandsschutzerklärung vor dem 31. Dezember 2018 ausgeschlossen; Herr V habe in der Betriebsversammlung kundgetan und versichert, dass die Arbeitsverhältnisse derjenigen Mitarbeiter der Arbeitgeberin, die für eine Zeitung Z arbeiten, einen Bestandsschutz von zwei Jahren hätten; für die Arbeitsverhältnisse aller anderen Mitarbeiter gelte ein Bestandsschutz von vier Jahren. Dies bestritt die Arbeitgeberin und setzte entgegen, es sei tatsächlich lediglich erklärt worden, dass angestrebt werde, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen.
Den Ausführungen der Mitarbeitervertretung fehlt es an genügenden konkreten Tatsachen dazu, welche genaue Äußerung abgegeben worden sein soll. Sofern sie vorträgt, es sei „versichert“ worden, dass es einen Bestandsschutz gebe, enthält dieser Vortrag eine rechtliche Bewertung von nicht mitgeteilten Einzeltatsachen über die genaue Äußerung als „Versicherung“. Ohne aber zu wissen, welche genaue Äußerung abgegeben worden sein soll, lässt sich nicht die rechtliche Schlussfolgerung auf eine „Versicherung“ im Sinne einer die Arbeitgeberin rechtlich bindenden Willenserklärung ziehen. Genauen Tatsachenvortrags zu der behaupteten Äußerung bedurfte es umso mehr, als die Arbeitgeberin gerade in Abrede stellte, es sei eine sie bindende Bestandsschutzzusage gegeben worden, indem sie vortrug, es sei lediglich erklärt worden, dass angestrebt werde, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Jedenfalls in Anbetracht dieses Vortrags wäre die Behauptung der Mitarbeitervertretung weiter zu substantiieren gewesen, um anhand des tatsächlichen Geschehens unterscheiden zu können, ob lediglich ein Bemühen geäußert oder eine rechtlich bindende, das Kündigungsrecht einschränkende Erklärung abgegeben worden ist.
(b) Abgesehen davon kann nicht festgestellt werden, dass die von der Mitarbeitervertretung behauptete Erklärung des Herrn V die Arbeitgeberin rechtlich gebunden hätte. Ihm fehlte die rechtliche Vertretungsmacht.
(aa) Da Herr V, wie unbestritten blieb, nicht selbst gesetzliches Vertretungsorgan der Arbeitgeberin war – dies ist gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG der Geschäftsführer der als GmbH verfassten Arbeitgeberin –, konnte er die Arbeitgeberin nicht aufgrund gesetzlicher Vertretungsmacht vertreten.
(bb) Aber auch die Voraussetzungen einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht, § 166 Abs. 2 BGB) liegen nicht vor.
Es fehlt an Tatsachen dafür, dass die Arbeitgeberin Herrn V bevollmächtigte, die behauptete Erklärung abzugeben. Die Bevollmächtigung erfolgt gem. § 167 Abs. 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll.
Eine Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden – d. h. Herrn V – ist nicht behauptet worden. Doch auch eine Erklärung gegenüber den Teilnehmern der Betriebsversammlung als Dritten im Sinne des § 167 Abs. 1 BGB ist nicht vorgetragen oder erkennbar geworden. Die Abgabe der (bestrittenen) Erklärung über den Verzicht auf Kündigungen selbst kann nicht als Einräumung einer Vollmacht zugunsten des Herrn V durch die Arbeitgeberin angesehen werden, denn es handelt sich nicht um die Erklärung des (angeblichen) Vollmachtgebers, sondern des (angeblichen) Bevollmächtigten. Zwar braucht die Erklärung über die Erteilung einer Vollmacht durch die Arbeitgeberin nicht ausdrücklich abgegeben worden zu sein; es wäre ausreichend, wenn sie ein schlüssiges Verhalten zeigte, das zur Annahme einer Vollmachtserteilung berechtigte. Doch fehlt es auch hieran. Insbesondere kann aus der (bestrittenen) Erklärung des Herrn V nicht auf seine Bevollmächtigung geschlossen werden, denn bei der (bestrittenen) Abgabe der Willenserklärung selbst handelt es sich nach dem erkennbaren Erklärungswert u. U. um ein Gebrauchmachen von einer Vollmacht und nicht um die Erteilung einer Vollmacht durch die Arbeitgeberin. Eine konkludente Bevollmächtigung lässt sich aber auch nicht dem Umstand entnehmen, dass nach der Darstellung der Mitarbeitervertretung in dem Zeitpunkt, in dem Herr V die (bestrittene) Erklärung auf der Betriebsversammlung abgab, der Geschäftsführer der Arbeitgeberin zugegen war. Denn dem „Nichtstun“ kommt im Rechtsverkehr grundsätzlich – und auch in diesem Fall – kein Erklärungswert zu. Für das Bestehen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht fehlt es an greifbaren tatsächlichen Anhaltspunkten.
Soweit die Mitarbeitervertretung auf die Bestimmung des § 164 Abs. 1 BGB hinweist, gilt nichts anderes. Diese Bestimmung bringt lediglich zum Ausdruck, dass die Abgabe einer Willenserklärung in fremdem Namen als Voraussetzung der Stellvertretung nicht zwingend ausdrücklich geschehen muss, sondern dass es ausreicht, wenn die „Umstände ergeben“, dass die Erklärung mit Wirkung für und gegen einen anderen erfolgen soll. Die Bestimmung des § 164 Abs. 1 BGB befreit jedoch nicht davon, dass überhaupt Vertretungsmacht bestehen muss, wie an dem Tatbestandsmerkmal, wonach jemand die Willenserklärung „innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt“, zu schließen ist.
3. Für dieses Verfahren werden Kosten nicht erhoben (§ 61 Abs. 9 Satz 1 MVG.EKG). Für die Übernahme der außergerichtlichen Kosten, die zur Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendig waren, findet § 30 MVG.EKG Anwendung (§ 61 Abs. 9 Satz 2 MVG.EKG).
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Dr. Stelljes (Vorsitzender Richter)
Batke (Richter)
Nadler (Richter)