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Kirchengericht: | Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland |
Entscheidungsform: | Urteil (rechtskräftig) |
Datum: | 23.06.2017 |
Aktenzeichen: | NK-VG II 3/2016 |
Rechtsgrundlage: | § 7 Abs. 1 VerfVwGG; § 46 Abs. 1 VwGG.EKD |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: |
Leitsatz:
- Beim Abschluss von Landpachtverträgen werden die kirchlichen Einrichtungen gegenüber nicht-berücksichtigten Bietern grundsätzlich nicht kirchen-verwaltungsrechtlich tätig. Daher ist das kirchliche Pachtvergabeverfahren für den Antragsteller auch nach allgemeinen Grundsätzen nicht justiziabel.
Tenor:
1. Die Klage wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe:
I. Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Vergabe gemeindeeigener Pachtflächen.
Er ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Familienbetriebes. Jedenfalls seit Oktober 2004 bewirtschaftet er annähernd XX ha Kirchenland aufgrund eines Pachtvertrages mit der Beklagten. Die Flächen machen etwa 20 % seiner Betriebsfläche aus.
Im Dezember 2015 wurde ihm von den Beklagten das Auslaufen der Landpachtverträge unter Kündigung zum 30. September 2016 mitgeteilt. Der Aufforderung, ein Angebot für die Fortsetzung des Landpachtverhältnisses abzugeben, kam er mit Schreiben vom 28. Januar 2016 nach.
Die ihm danach übersandten Landpachtverträge bezogen sich auf lediglich rund XX ha. Die weiteren Flächen in einem Umfang von rund XX ha sollten im Wesentlichen an den Landwirt B, der Kirchgemeinderatsvorsitzender ist, und weitere Landwirte vergeben werden.
Mit Schreiben vom 23. Juni 2016 beanstandete der Kläger die Vergabe. Er wies darauf hin, dass die verbleibenden Flächen, bei denen es sich um Splitterflächen handele, nicht bzw. unwirtschaftlich bewirtschaftet werden können. Außerdem nahm er Bezug auf die Verpflichtung zur verlässlichen Pachtvergabe und später auf die Grundsätze zur Landverpachtung in der Landeskirche L 1 vom 19. Januar 2010. Ergänzend brachte er ein Schreiben des Landwirtschaftlichen Buchführungsverbandes bei, ausweislich dessen wegen des Flächenverlusts eine Existenzbedrohung für den Betrieb nicht auszuschließen sei.
Mit Schreiben vom 11. Juli 2016 teilte der Beklagte mit, dass nicht gegen kirchenrechtliche Regelungen verstoßen worden sei. Es gebe kein Verbot zur Verpachtung von Flächen an Mitglieder des Kirchgemeinderates. Bei der Beschlussfassung sei den Mitwirkungsverboten von Kirchgemeinderatsmitgliedern Rechnung getragen worden. Es bestehe kein Anspruch des Klägers auf Fortsetzung der Pachtverträge. Die Verpachtungsrichtlinien hätten lediglich empfehlenden Charakter.
Mit Schreiben vom 12. August 2016 wurden die hier zugrundeliegende Klage und gleichzeitig ein Antrag auf Gewährung von Eilrechtsschutz beim hiesigen Gericht eingereicht. Im Hauptsacheverfahren begehrt der Kläger, die mit Dritten geschlossenen Landpachtverträge für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis zum 30. September 2028 für nichtig, hilfsweise für ungültig zu erklären. Die Zuständigkeit des Kirchengerichts sei nach §§ 1, 7 VerfVwGG gegeben. Der kirchliche Verwaltungsrechtsweg sei nach § 15 VwGG.EKD eröffnet. Die Klagebefugnis des Klägers ergebe sich aus § 17 Abs. 3 VwGG.EKD. Außerdem sei er in seinen Rechten aus Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Ergänzend wird in der Sache insbesondere vorgetragen, dass nunmehr Flächen auch an Landwirte vergeben werden, die keine Kirchenmitglieder seien.
Der Kläger beantragt,
- 1. festzustellen, dass die Beschlüsse des Kirchengemeinderates der Beklagten über die Vergabe gemeindeeigener Flächen in Landpacht auf der Grundlage entsprechender Landpachtverträge für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2028 nichtig, hilfsweise ungültig sind;2. festzustellen, dass durch den Beklagten erteilte kirchenaufsichtsrechtliche Genehmigungen zur Vergabe gemeindeeigner Flächen durch die Beklagte in Landpacht auf der Grundlage von Landpachtverträgen für die Zeit vom 1. Oktober 2016 bis 30. September 2028 nichtig, hilfsweise ungültig sind,3. hilfsweise den Rechtsstreit gemäß § 17 a Absatz 2 GVG an das Landgericht Stralsund bzw. das sonst zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges zu verweisen.
- die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss vom 26. September 2016 hat das erkennende Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Wegen der Gründe wird auf den Beschluss (NK-VG II 4/2016) verwiesen. Die dagegen zunächst eingelegte Beschwerde wurde mit Schriftsatz vom 28. Februar 2017 zurückgenommen und das Verfahren eingestellt.
Der Kläger vertieft im Klageverfahren sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass ihm ein Anspruch als übergangener Bewerber im Vergabeverfahren aus dem Verfassungsgebot auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Absatz 4 GG zur Seite stehe. Die Vergabeentscheidung stelle nicht nur einen internen, der rechtlichen Kontrolle entzogenen Vorgang dar, sondern habe Außenwirkung auf die Qualität eines Verwaltungsaktes. Entsprechendes ergebe sich aus § 97 Abs. 7 GWB für das weltliche Vergaberecht. Unter Anwendung der Zweistufen-Theorie komme es nicht auf die Rechtsnatur der Landpachtverträge, sondern auf die zugrundeliegende Entscheidung über die Vergabe, das „Ob“ an. Dieses Verwaltungshandeln, das spezialgesetzlichen Bindungen unterliege, unterfalle dem öffentlichen Recht. Die „Grundsätze zur Landverpachtung in der Landeskirche L 1“ hätten zwingenden, drittschützenden Charakter. Der Rechtsweg zur kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit sei eröffnet. Sofern dieser Auffassung nicht gefolgt werde, sei jedenfalls der Rechtsstreit an das örtlich zuständige Landgericht Stralsund zu verweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakten einschließlich derer zum Eilverfahren (NK-VG II 4/2016) Bezug genommen. Die Prozessbevollmächtigten sind Mitglied der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland.
II. Entscheidungsgründe:
Die Klage ist bereits unzulässig.
Der Kläger ist als – teilweise abgelehnter Pachtbewerber – nicht klagebefugt. Es fehlt an der Eröffnung des Rechtswegs zu dem kirchlichen Verwaltungsgericht.
Die Anträge zu 1. und 2. haben keinen Erfolg.
Der Rechtsstreit unterfällt nicht dem kirchlichen Verwaltungsrechtsweg nach §§ 1, 7 des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsgesetz (VerfVwGG).
Nach § 7 Abs. 1 VerfVwGG ist der kirchliche Verwaltungsrechtsweg zu dem von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland eingerichteten kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht (§ 1 VerfVwGG) eröffnet für kirchenrechtliche Streitigkeiten aus dem Recht der kirchlichen Aufsicht über Kirchengemeinden, Kirchenkreise und andere juristische Personen des Kirchenrechts (Nr. 1), kirchenrechtliche Streitigkeiten aus dem öffentlichen Dienstrecht der Kirche (Nr. 2), Streitigkeiten aus der Anwendung der Regelungen über den kirchlichen Datenschutz (Nr. 3) und andere kirchenrechtliche Streitigkeiten, für die der kirchliche Verwaltungsrechtsweg durch kirchliches Recht ausdrücklich eröffnet ist (Nr. 4).
Eine dieser Streitigkeiten liegt hier nicht zugrunde. Der Kläger ist bereits keine juristische Person des Kirchenrechts im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 VerfVwGG und auch nicht in dieser Eigenschaft von einer kirchenaufsichtsrechtlichen Entscheidung betroffen. Dem Antragsteller stehen als Gemeindemitglied keine aufsichtsrechtlichen Kontrollbefugnisse zu. Auch fehlt es an einer sonstigen aufdrängenden Rechtswegzuweisung (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 VerfVwGG).
Die Eröffnung des kirchlichen Verwaltungsrechtswegs kann auch nicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen hergeleitet werden. Insoweit gilt für die kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit als unabhängiges Kirchengericht das sogenannte Enumerationsprinzip. Der Rechtsweg zu dem erkennenden Gericht ist nur insoweit eröffnet, als die Anrufung ausdrücklich vorgesehen ist.
Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist der kirchliche Verwaltungsrechtsweg auch nicht nach § 15 VwGG.EKD eröffnet. Nach § 9 VerfVwGG ist bereits der Rückgriff auf die Regelungen des Verwaltungsgerichtsgesetzes der EKD nur insoweit zulässig, als in den Kirchengesetzen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland nichts Abweichendes geregelt wurde. Dies ist aber – wie oben ausgeführt – hier der Fall. Mit dem Zuständigkeitskatalog des § 7 VerfVwGG, der außerdem im Wesentlichen den Zuständigkeitskatalog des § 15 VwGG.EKD übernimmt (vgl. Begründung zum Gesetzesentwurf, www.landessynode.nordkirche.de, 11. Tagung, TOP 3.4, Seite 3), sind spezielle Regelungen im Kirchenrecht der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland geschaffen worden.
Auch nach allgemeinen Grundsätzen ist das kirchliche Pachtvergabeverfahren für den Antragsteller nicht justiziabel. Es fehlt dem Antragsteller an einem Anspruch i. S. des § 46 Abs. 1 VwGG.EKD. Denn bei dem Abschluss von Landpachtverträgen werden die kirchlichen Einrichtungen gegenüber nicht-berücksichtigten Bietern grundsätzlich nicht kirchen-verwaltungsrechtlich tätig. Ein beschränktes Pachtvergabeverfahren, wie es etwa in den fortgeltenden Grundsätzen zur Landverpachtung in der Landeskirche L 1 (vom 19. Januar 2010, ABl. S. 34) oder in § 12 der Richtlinien der Evangelischen Kirche in Deutschland über die Verwaltung des kirchlichen Grundbesitzes vom 11. Oktober 1985 (ABl. EKD 1984 S. 430) niedergelegt ist, bemüht sich um einen Ausgleich zwischen einer zielführenden Vermögensverwaltung zur Finanzierung kirchlicher Aufgaben mit dem ethischen, kirchlichen, politischen und sozialen Anspruch der Kirche (vgl. Prof. Dr. Andreas Donner, Evaluierung des Vergabeverfahrens zur Verpachtung von landwirtschaftlichen Grundstücken im Bereich der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, April 2016, S. 5, 42). Es dient nicht dem Individualrechtsschutz. Vielmehr handelt es sich bei der den Abschluss von Landpachtverträgen vorbereitenden Entscheidung im Außenverhältnis um Gleichordnungsrecht. Denn das Grundeigentum der Kirche, das zum Zweck der landwirtschaftlichen Nutzung verpachtet wird, unterliegt grundsätzlich in gleichem Maße dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG wie privates Eigentum. Den Grundstücken kommt allenfalls eine mittelbare Finanzierungsfunktion bei der Wahrnehmung kirchlicher Aufgaben zu, so dass keine Besonderheiten im Außenverhältnis gelten. Der Umstand, dass bei der Verpachtung kirchlichen Grundeigentums aufgrund der fortgeltenden Grundsätze zur Landverpachtung in der Landeskirche L 1 (vom 19. Januar 2010, ABl. S. 34) bestimmte Verfahrensgrundsätze gelten, ist weder anspruchs- noch rechtswegbegründend. Ob und in welchem Umfang bei der Entscheidung über die Auswahl eines Vertragspartners durch die Kirche eine derartige Bindung besteht, ist keine Frage des Rechtswegs, sondern der zu treffenden (internen) Sachentscheidung (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 2. Mai 2007 – 6 B 10.07 –, Rn. 9).
Daher kommt es in dem hier zugrundeliegenden Rechtsstreit auch - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht auf eine Bindung der im Vergabeverfahren vorzunehmenden Auswahl an den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie weiterer rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze an. Denn auch eine Selbstbindung in diesem Sinne macht die Entscheidung über die Vergabe im Rechtsverhältnis zwischen dem kirchlichen Rechtsträger und dem Bieter nicht zu einem kirchen-verwaltungsrechtlichen (vgl. für die fehlende Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs bei der Vergabe öffentlich-rechtlicher Aufträge: BVerwG, Beschl. v. 2. Mai 2007 – 6 B 10.07 –, Rn. 10).
Des Weiteren ergibt sich eine Zuständigkeit der kirchlichen Gerichtsbarkeit nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG, denn die Religionsgesellschaften sind nicht-staatliche Rechtsträger und üben daher keine öffentliche Gewalt im Sinne von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG aus. Erst recht kann nicht aus Artikel 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV die Eröffnung des Rechtswegs zu dem kirchlichen Verfassungs- und Verwaltungsgericht hergeleitet werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 25. November 2015 – 6 C 21.14 –, Rn. 15).
Soweit der Kläger meint, etwas anderes ergebe sich aus dem Gedanken des § 97 Abs. 6 GWB, dringt er gleichfalls nicht durch. § 97 GWB setzt bereits voraus, dass ein öffentlich-rechtlicher Auftrag einer Vergabeentscheidung zugrunde liegt. Ein solcher liegt jedoch bei der Entscheidung über die Landpachtvergabe – wie oben ausgeführt – nicht zugrunde.
Die mit dem Klageantrag zu 3. hilfsweise beantragte Verweisung an die staatliche Gerichtsbarkeit ist, worauf der Kläger mit Verfügung vom 19. April 2017 hingewiesen worden ist, bereits nach § 9 VerfVwGG i. V. m. § 20 KiGG.EKD ausgeschlossen.
Die Klage war daher nach § 20 Abs. 2 KiGG.EKD als unzulässig zurückzuweisen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 22 Abs. 1 KiGG.
Die Entscheidung über die Kostenlast beruht auf § 9 VerfVwGG i. V. m. § 60 VerwGG.EKD.
gez. Wollenteit | |
(Vorsitzende Richterin) |
gez. Preuß | |
(Rechtskundiger Richter) |
gez. Hünemörder | |
(Rechtskundiger Richter) |
gez. Dr. Höser | |
(Stellvertr. ordinierte Richterin) |
gez. Maresch | |
(Nichtordinierte Richterin) |