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Religionsunterricht durch kirchliche Lehrkräfte
Richtlinie des Ev.-Luth. Landeskirchenamts der Evangelisch-Lutherischen
Landeskirche Schleswig-Holsteins1#

Vom 20. Juli 1973

(KGVOBl. S. 230)2#

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Im Einverständnis mit dem Kultusministerium des Landes Schleswig-Holstein erlässt das Landeskirchenamt nachstehende Richtlinien für die Durchführung der „Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Land Schleswig-Holstein und den evangelisch-lutherischen Kirchen im Lande Schleswig-Holstein über die Erteilung des Evangelischen Religionsunterrichts in öffentlichen Schulen durch kirchliche Lehrkräfte“ vom 8. Dezember 1972.
  1. Die Vereinbarung soll dem Mangel an Lehrern für die Erteilung des Evangelischen Religionsunterrichts entgegenwirken, zur Verbesserung der Unterrichtspraxis beitragen und zugleich die dienstrechtlichen Verhältnisse der nebenamtlich oder hauptamtlich in den öffentlichen Schulen tätigen Pastoren und anderer kirchlicher Mitarbeiter einheitlich regeln. Von ihrer Anwendung wird außerdem eine Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen Schule und Kirche erwartet.
  2. Die Vereinbarung geht davon aus, dass der Religionsunterricht zum Bildungsauftrag der öffentlichen Schule gehört und darum in der Regel von staatlichen Lehrkräften erteilt werden soll. Der Einsatz von Pastoren und anderen kirchlichen Mitarbeitern kann darum nur als eine Aushilfe, nicht aber als Regel angesehen werden. Andererseits ist der Einsatz von Pastoren und anderen kirchlichen Mitarbeitern im Religionsunterricht der öffentlichen Schulen unerlässlich, wenn sich die Erteilung dieses Unterrichts wegen des Mangels an staatlichen Lehrkräften als unmöglich erweist oder nur unzureichend gewährleistet werden kann. Der Schüler hat auf diesen Unterricht ein Recht. Dieser Grundsatz muss bei der Anwendung der Verwaltungsvereinbarung Beachtung finden, unbeschadet der in § 5 Absatz 1 genannten Bestimmung, dass der Einsatz kirchlicher Lehrkräfte wie überhaupt die Durchführung des Schulunterrichts durch die im Landeshaushalt des Landes Schleswig-Holstein bereitgestellten Mittel begrenzt wird.
  3. Die Vereinbarung bestimmt, wer für die Erteilung des Religionsunterrichts in den öffentlichen Schulen gemäß § 2 der Vereinbarung befähigt ist. Da die Vereinbarung nur Rechtsverhältnisse ordnen kann, fällt den Kirchen die besondere Aufgabe zu, selbst dafür zu sorgen, dass die kirchlichen Lehrkräfte für diese Aufgabe auch tatsächlich in ausreichendem Maße befähigt sind und nur solche Pastoren und kirchliche Mitarbeiter für die Erteilung des Religionsunterrichts vorgesehen werden, die ihre Fähigkeit nicht nur durch die erforderlichen Prüfungen, sondern auch in der Praxis des Unterrichts unter Beweis gestellt haben oder durch die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen einen besonderen Befähigungsnachweis zu führen bereit sind. Die Vereinbarung will dem Lehrermangel nur in dem Maße entgegenwirken, wie sich befähigte Pastoren oder andere Mitarbeiter für diesen Dienst auch tatsächlich finden lassen.
  4. Die Vereinbarung unterscheidet „staatliche“ und „kirchliche“ Lehrkräfte. Maßgebend für diese Unterscheidung ist allein das jeweilige Anstellungsverhältnis zum Land Schleswig-Holstein oder zu kirchlichen Anstellungsträgern. Die Unterscheidung besagt nichts über den Inhalt und die Durchführung des Unterrichts. Dieser ist an die Lehrplanrichtlinien des Landes gebunden.
    Bei kirchlichen Lehrkräften haben die Anstellungsträger in jedem Falle eine Dienstanweisung aufzustellen, die ihren Dienst grundsätzlich als kirchlichen Dienst ausweist und zugleich darüber Auskunft gibt, in welchem Umfang die Erteilung von Religionsunterricht in der öffentlichen Schule erwartet wird. Dabei ist das Kirchengesetz über die nebenamtliche Erteilung von Unterricht durch Pastoren vom 16. November 1962 zu beachten, nach dem in § 1 Absatz 2 auch die nebenamtliche Erteilung von Unterricht zu den Aufgaben des Pastors gehören kann, „wenn dafür ein dringendes kirchliches Interesse besteht und dieser Dienst auf andere Weise nicht oder nicht ausreichend versehen werden kann.“ Diese Nebentätigkeit darf nach § 2 Absatz 1 „allein oder zusammen mit anderen Nebentätigkeiten den Pastors in der Regel nicht über sechs Unterrichtsstunden in der Woche hinaus beanspruchen“. Soll die Nebentätigkeit mehr als sechs Unterrichtsstunden in der Woche ausweisen, so ist zuvor die Zustimmung des Bischofs zu erwirken, der vor seiner Entscheidung den Kirchenvorstand und den Propst hört (§ 2 Absatz 2). Soll die Tätigkeit ausschließlich auf den Dienst in der Schule ausgerichtet sein, so ist für diese Aufgabe eine entsprechende Pfarrstelle oder Planstelle einzurichten; die Errichtung bedarf der dafür erforderlichen Genehmigungen. 10 Auch in solchen Fällen bleiben die kirchlichen Lehrkräfte im kirchlichen Dienst. 11 Ihre Rechte und Pflichten bestimmen sich nach kirchlichem Recht, unbeschadet des § 4 Absatz 2 2. Halbsatz der Vereinbarung.
  5. Die Vereinbarung spricht von „Schulaufsichtsbehörden“ und „kirchlichen Aufsichtsorganen“. Zuständige Schulaufsichtsbehörde ist für Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschule das Schulamt eines Kreises bzw. der Schulrat in den kreisfreien Städten. Die zuständigen Schulräte üben gleichzeitig nach dem Vertrag des Landes Schleswig-Holstein mit den Evangelischen Kirchen im Lande Schleswig-Holstein vom 23. April 1957 Artikel 6 Absatz 5 das Recht der Kirchen auf Einsichtnahme in den Religionsunterricht aus.
    Die Schulaufsicht über die Gymnasien und berufsbildenden Schulen obliegt dem Landesschulamt, insbesondere dem für das Fach Evangelische Religion zuständigen Dezernenten, der auch das Recht der Kirchen auf eine Einsichtnahme in den Religionsunterricht ausübt.
    Die kirchlichen Aufsichtsorgane sind der Propsteivorstand, insbesondere der Propst, der Bischof und das Landeskirchenamt. Der Propsteivorstand kann zu seiner Beratung und zu seiner Unterstützung einen Propsteibeauftragten für Erziehung, Bildung und Unterricht berufen.
    Die erforderlichen Fortbildungskurse werden durch das Katechetische Amt der Ev.-Luth. Landeskirche Schleswig-Holsteins durchgeführt, das mit dem Landesinstitut für Praxis und Theorie der Schule zusammenarbeitet.
  6. Die Benennung der kirchlichen Lehrkräfte für die Erteilung des Religionsunterrichts erfolgt im engen Einvernehmen der Schulaufsichtsbehörden mit den kirchlichen Aufsichtsorganen. Dabei ist folgendes Verfahren als Regel zu beachten:
    Sobald die Schulaufsichtsbehörden die Fehlstundenzahl ermittelt haben, erbitten die Propsteivorstände eine entsprechende Mitteilung. Gleichzeitig sind die Schulaufsichtsbehörden zu bitten, eine Feststellung darüber zu treffen, in welchem Umfang die im Landeshaushalt für diesen Zweck vorgesehenen Mittel zur Kostendeckung zur Verfügung stehen. Bei den sich bei diesen Feststellungen bereits ergebenen Verhandlungen der Propsteivorstände mit den Schulaufsichtsbehörden ist zu überlegen, an welchen Schulen dem Lehrermangel vordringlich abgeholfen werden soll. Fälle besonderer Dringlichkeit ergeben sich, wenn wegen Lehrermangels in einer Schule überhaupt kein Religionsunterricht erteilt wird oder wenn der Unterricht im dritten und vierten Schuljahr der Grundschule, im fünften bis siebten Schuljahr der Haupt-, Real- und Sonderschule, aber auch im fünften bis siebten oder im elften bis dreizehnten Schuljahr des Gymnasiums ausfällt. Von gleicher Dringlichkeit ist die Durchführung der Religionsgespräche an den berufsbildenden Schulen.
  7. Die Vereinbarung setzt voraus, dass die kirchlichen Lehrkräfte den besonderen Anforderungen des Unterrichts in der Schule gerecht werden. Sie müssen darum den in § 2 der Vereinbarung genannten Befähigungsmerkmalen genügen. Die Feststellung, ob die in § 2 genannten Befähigungsnachweise als erbracht angesehen werden können, trifft der Propsteivorstand (Beauftragter). Gegebenenfalls ist die Stellungnahme des Landeskirchenamtes einzuholen (§ 2, 1d und 2c). Dem Propsteivorstand bzw. dem Beauftragten fällt auch die Aufgabe zu, festzustellen, ob die Pastoren und kirchlichen Mitarbeiter, die die Merkmale nach § 2 erfüllen und zur Erteilung des Religionsunterrichts bereit sind, dieser Aufgabe auch persönlich wie sachlich gewachsen sind. In der Regel kann diese pädagogische Befähigung als gegeben festgestellt werden, wenn die kirchliche Lehrkraft über eine längere Unterrichtserfahrung verfügt. Die Länge der Unterrichtspraxis ist kein Maßstab, der letzte Gültigkeit beanspruchen kann. Der Propsteivorstand wird sich in manchen Fällen nur durch die Durchführung von Lehrproben im kirchlichen Unterricht ein Urteil bilden können. Treten kirchliche Lehrkräfte neu in den Dienst der Schule, sind die Schulaufsichtsbehörden in jedem Fall zu bitten, die Beauftragung zunächst nur für die Dauer eines halben bzw. eines Jahres auszusprechen. 10 Der Propsteivorstand erfasst die Pastoren und kirchlichen Mitarbeiter, die alle Voraussetzungen für die Erteilung des Religionsunterrichts in der Schule erfüllen, in einer Liste. 11 Die Eintragung von Pastoren und kirchlichen Mitarbeitern in diese Liste ist dem Landeskirchenamt mitzuteilen, das dem Betroffenen nach Prüfung des Vorgangs eine Bescheinigung darüber ausstellt. 12 Das Landeskirchenamt kann in begründeten Fällen die Ausstellung einer solchen Bescheinigung versagen. 13 Lehnt bereits der Propsteivorstand eine Eintragung in die Liste ab, kann der Betroffene das Landeskirchenamt um eine Überprüfung der Entscheidung bitten. 14 Die Liste derer, die alle Voraussetzungen erfüllen, stellt der Propsteivorstand den Leitern der Gymnasien und der berufsbildenden Schulen wie den zuständigen Schulräten zu, die ihrerseits unmittelbar mit den kirchlichen Lehrkräften über den Einsatz im Religionsunterricht verhandeln. 15 Die Schulaufsichtsbehörden sind gebeten, die abgeschlossenen Verträge den Propsteivorständen und durch diese dem Landeskirchenamt bzw. unmittelbar dem Landeskirchenamt zur Kenntnis zu bringen.
  8. Der Vereinbarung entsprechend (§ 5) trägt das Land „im Rahmen der durch den Landeshaushalt hierfür bereitgestellten Mittel die persönlichen Kosten der nach dieser Vereinbarung eingesetzten kirchlichen Lehrkräfte“. Die Vereinbarung unterscheidet dabei hinsichtlich des Kostenerstattungsverfahrens zwischen hauptamtlichen, nebenamtlichen und nebenberuflichen kirchlichen Lehrkräften.
    Kirchliche Lehrkräfte im Hauptamt sind solche Lehrkräfte, deren Unterrichtsauftrag mindestens die Hälfte des Wochenstundensolls für Lehrkräfte der jeweiligen Schulart umfasst. Für diese kirchlichen Lehrkräfte beantragt der kirchliche Anstellungsträger über das Landeskirchenamt jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres die verauslagten Kosten. Diesem Antrag ist eine Bestätigung des zuständigen Schulleiters beizufügen, dass der Unterricht tatsächlich in dem vertraglich vorgesehenen Umfang erteilt worden ist. Ist die Stundenzahl der kirchlichen Lehrkräfte geringer als das Wochenstundensoll der jeweiligen Schulart vorsieht, erfolgt die Kostenerstattung anteilmäßig. Sind kirchliche Lehrkräfte über das Maß des Wochenstundensolls hinaus im Dienst der Kirche tätig, so ist durch den Propsteivorstand festzustellen, ob für diese Überschreitung des Wochenstundensolls die Auszahlung der für nebenberufliche Lehrkräfte vorgesehenen Jahreswochenpauschale bis zur Höchstgrenze von sechs Wochenstunden gerechtfertigt ist. Die Zahlung kann nur aus den Mitteln der Propstei erfolgen.
    Nebenamtliche Lehrkräfte im Sinne dieser Richtlinien sind solche kirchlichen Kräfte, die mehr als sechs Wochenstunden, aber weniger als die Hälfte des Wochenstundensolls für Lehrkräfte der jeweiligen Schulart Religionsunterricht erteilen. 10 Auch für diese Lehrkräfte beantragen die Anstellungsträger die Erstattung der persönlichen Kosten auf dem Dienstwege beim Landesschulamt. 11 Dem Antrag ist eine Bestätigung des Schulleiters über den tatsächlich geleisteten Schuldienst beizufügen. 12 Haben solche Lehrkräfte neben ihrem Schuldienst hauptamtlichen Dienst in der Kirche versehen, so entscheidet der Propsteivorstand darüber, ob und in welchem Umfang auch für diese Lehrkräfte die Auszahlung der Jahresstundenpauschale für nebenberufliche Lehrkräfte bis zur Höchstgrenze von sechs Wochenstunden gerechtfertigt ist. 13 Auch in diesen Fällen kann eine Vergütung bis zur Höchstgrenze von sechs Wochenstunden nur aus Mitteln der Propstei erfolgen.
    14 Nebenberufliche Lehrkräfte im Sinne dieser Richtlinien sind die kirchlichen Lehrkräfte, die neben ihrer vollen Berufstätigkeit unterrichten. 15 Diese Tätigkeit darf sechs Wochenstunden nicht überschreiten. 16 Die Vergütung dieses Unterrichts erfolgt durch unmittelbare Zahlung der Jahrespauschalbeträge an diese kirchlichen Lehrkräfte (vgl. § 5 Absatz 4), je nach dem Umfang des Unterrichtsauftrages (ein bis sechs Wochenstunden).
  9. Diese Richtlinien treten mit Wirkung vom 1. August 1973 in Kraft.

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1 ↑ Red. Anm.: Die Verwaltungsvorschrift gilt auf dem Gebiet der ehemaligen Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche bis zu einer anderweitigen Regelung durch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland weiter, soweit sie der Verfassung, dem Einführungsgesetz und den weiteren von der Verfassunggebenden Synode beschlossenen Kirchengesetzen nicht widerspricht oder im Einführungsgesetz keine abweichende Regelung getroffen wird, vgl. Teil 1 § 2 Absatz 2 des Einführungsgesetzes vom 7. Januar 2012 (KABl. S. 30, 127, 234) in der jeweils geltenden Fassung.
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2 ↑ Red. Anm.: Die Verwaltungsvorschrift wurde ohne Eingangsformel bekannt gemacht.